EuGH stärkt E-Book-Verleih. Autoren sollen freiwillig auf Kopiervergütung verzichten. Facebook und Whatsapp stoppen Datenabgleich. Pacman-T-Shirts verletzen Markenrechte. EU-Wettbewerbshüter gehen gegen Google vor.
Neben dem Trump-Sieg und einer ziemlich üblen Erkältung eines gewissen Rechtsbloggers *schnief* sind diese Woche auch im Online-Recht ein paar wichtige Dinge passiert.
Urheberrecht
Julia Neigel verliert Klage um Urheberrecht
Erstellen mehrere Musiker gemeinsam ein Lied oder ein ganzes Album, so haben sie an diesem Werk ein gemeinschaftliches Urheberrecht. (UrhG §8) Die Vergütung, die aus diesem Urheberrecht erwächst muss zwischen den Musikern geteilt werden. Nicht selten kommt es im Musik-Geschäft deswegen zu Rechtskonflikten: Eine Band geht im Streit auseinander und nun zofft man sich um die Vergütung aus den gemeinsamen Songs.
Genau dies passierte auch Julia Neigel. In den Jahren 1988 bis 1998 veröffentlichte sie mit ihrer Band 8 Studio-Alben. Doch dann löste sich die Band auf und Neigel streitet seither vor Gericht darum, als einzige Urheberin der Musikstücke anerkannt zu werden. Die Anteile der anderen Band-Mitglieder am kreativen Kompositionsprozess seien gering bis nichtig gewesen.
Zu Unrecht, entschied nun das OLG Karlsruhe und bestätigte damit eine Entscheidung des LG Mannheim von 2012. In damaligen Abreden hatte Neigel sich mit ihren Bandmitgliedern geeinigt, wer welchen Anteil an der Komposition hatte. Diese Abreden hatten die Funktion eines Vergleiches, weil sie eben gerade dazu dienten Rechtsunsicherheiten zu verhindern, so das OLG.
Musiker aber auch Autoren, Blogger, Webdesigner, Grafiker oder Youtuber können aus diesem Urteil wichtige Lehren ziehen: Denn in digitalen Zeiten entsteht fast jedes Werk kooperativ durch die Arbeit mehrerer Kreativer. Kreativ-Arbeitende sollten frühzeitig rechtlich klären, wer welche Rechte an einem Werk hat. Wie das Urteil aber ebenfalls zeigt: Urheber sollten bei Abschluss einer Vereinbarung genau prüfen, auf welche Rechte sie sich mit wem einigen. Sonst droht nach Jahrzehnten eine böse Überraschung.
Filesharing: Rechtsprechung verfestigt sich
Vor einigen Wochen hatte der BGH ein grundsätzliches Urteil zu Filesharing-Abmahnungen gefällt: Anschlussinhaber sind demnach lediglich verpflichtet andere Nutzer zu benennen, die den Urheberrechtsverstoß von ihrem Anschluss aus begangen haben könnten. Umfangreichere Nachforschungen darüber, wer den Verstoß tatsächlich begangen hat, sind nicht notwendig.
In den letzten Wochen hatte die Rechtsprechung noch unterschiedliche Tendenzen gezeigt. Während einige Gerichte gleich oder ähnlich argumentierten wie der BGH, blieben andere bei ihrer vorherigen Haltung. Mit dem LG Braunschweig hat nun ein Gericht erstmalig in seiner Urteilsbegründung explizit auf das BGH-Urteil Bezug genommen, und es zur Begründung der eigenen Rechtsprechung herangezogen. Dies ist umso ungewöhnlicher, da das BGH-Urteil noch gar nicht im Volltext veröffentlicht wurde. Das spricht dafür, dass sich die Entscheidung des BGH bald als ständige Rechtsprechung in weiteren deutschen Gerichten durchsetzen wird.
EuGH stärkt E-Book-Verleih in Bibliotheken
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat Bibliotheken gestärkt, die E-Books verleihen. Grundsätzlich hat nach deutschem und europäischem Urheberrecht der Urheber eines Buchs das alleinige Recht zu bestimmen, ob ein Buch verliehen werden darf oder nicht. Nationalstaaten dürfen jedoch verfügen, dass Bibliotheken Bücher auch ohne ausdrückliche Erlaubnis des Autoren verleihen dürfen, wenn der Autor hierfür eine Vergütung erhält. Das alles gilt für gedruckte Bücher. Ob sich die Regelung auch auf E-Books erstreckte, war bisher unklar. Nach der Entscheidung des EuGH ist klar: Ja! Die Regelung erstreckt sich auch auf digitale Güter. Zumindest dann, wenn nur ein einziger Nutzer ein E-Book gleichzeitig ausleihen kann.
Kopiervergütung: Autoren sollen auf Rechte verzichten
Über das grundlegende BGH-Urteil über die VG-Wort und die Kopiervergütung hatte ich im April ausführlich berichtet:
Das Urteil hatte ich (wie im Video zu sehen) damals grundsätzlich begrüßt, jedoch prognostiziert, dass sich an der tatsächlichen Situation wenig ändern werde. Verlage würden sich in Zukunft die Rechte an der Kopiervergütung einfach von den Autoren vertraglich einräumen lassen.
Wie in dieser Woche bekannt wurde, ist genau das auch tatsächlich die Strategie der Verlage. In einem schreiben des Börsenverein des deutschen Buchhandels an seine Mitglieds-Verlage wird genau diese Strategie empfohlen. Erstaunlicherweise geht es dabei jedoch nicht, wie ich vermutet hatte, nur um zukünftige Autoren, sondern auch um die Forderungen bereits bestehender Verlags-Autoren. Auch diese Gelder wollen die Verlage einbehalten, wofür es jedoch seit des BGH-Urteils keinerlei Rechtsgrundlage mehr gibt. Die Verlage sollen nach dem Schreiben den Autoren gegenüber darauf verweisen, dass zukünftige Vorschüsse und Honorare gefährdet seien. Auch die Künstlersozialkasse werde unter Umständen kollabieren. Eine gewagte These. (Nicht dass die KSK zusammen brechen wird, sondern dass die fehlende Kopiervergütung dafür verantwortlich ist.) Die Verlage sind immerhin unabhängig von der Kopiervergütung dazu verpflichtet Beiträge an die KSK zu bezahlen.
Die Argumentation des Börsenvereins beschränkt sich bei näherer Betrachtung also auf: „Bitte verzichtet jetzt auf euer Geld, damit ihr das Geld vielleicht später bekommt.“ Ob diese Argumentation viele Autoren überzeugt ist fraglich.
Anders sieht es bei kleinen Verlagen aus. Diese könnten durch die fehlende Kopiervergütung tatsächlich in finanzielle Schieflage geraten und in ihre Existenz bedroht sein. Bei solchen Verlagen kann die Solidarität durch ihre Autoren durchaus angebracht sein.
Datenschutz
Whatsapp und Facebook stoppen Datenabgleich
Bereits Ende September hatte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Whatsapp und Facebook per Anordnung verboten ihre Datenbestände miteinander abzugleichen. Es fehle sowohl an einer wirksamen Einwilligung der Whatsapp-Nutzer als auch an einer gesetzlichen Grundlage für den Datenaustausch. In Deutschland gilt das Prinzip der Datensparsamkeit. Das bedeutet es dürfen stets nur so viele Daten gespeichert werden, wie für die Nutzung des betreffenden Dienstes notwendig ist. Inwiefern es für Whatsapp-Nutzer nötig ist, dass Facebook auf ihre Daten zugreifen kann, hat der Konzern bisher nicht schlüssig dargelegt.
Obwohl Facebook und Whatsapp sich gerichtlich gegen die Anordnung wehren, haben sie den Datenabgleich nun wohl eingestellt, bis absehbar ist, wie der Rechtssstreit sich entwickelt.
EU-Datenschutzgrundverordnung – Deutsche Unternehmen fühlen sich nicht vorbereitet
Dell hat in einer Studie 821 IT-Verantwortliche befragt, wie gut sie sich auf die Einführung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung vorbereitet sehen. Alle Befragten waren in ihren Unternehmen für den Umgang mit Kundendaten zuständig. Die Ergebnisse geben Grund zur Sorge: 80% kannten keine bis wenige Details der neuen Verordnung. 70% gingen davon aus, dass ihr Unternehmen die Vorgaben gegenwärtig noch nicht erfülle. Nur 46% der Befragten sahen sich auf die baldigen Änderungen gut vorbereitet. Und 97% hatten noch keinen konkreten Zeitplan geplant, in dem die Änderungen umgesetzt werden sollen. Unternehmen müssen die Verordnung bis 25. Mai 2018 umsetzen. In puncto Datenschutz haben deutsche Unternehmen wohl noch Nachholbedarf.
Alternativen zu Skype
Wer Kundengespräche über Skype führt, geht bestimmte rechtliche Risiken ein. Denn seit Snowdens NSA-Enthüllungen ist klar, dass der VoIP-Anbieter alles andere als abhörsicher ist. Zudem häufen sich seit der Übernahme von Skype durch Microsoft Medienberichte, nach denen Skype-Nachrichten nach auffälligen Inhalten durchsucht werden. Sollten private Kundendaten durch Sicherheitslücken an unberechtigte Dritte geraten, besteht deshalb die Gefahr in die Haftung zu geraten. Insbesondere gilt dies für Berufsgruppen, die auf Grund von §203 StGB zu besonders vertraulichem Umgang mit Kundeninformationen verpflichtet sind. Wer rechtlich auf Nummer sicher gehen will, sollte deshalb für vertrauliche Kundengespräche auf Alternative Kommunikationswege zurück greifen.
Markenrecht
Pacman-T-Shirts verletzen Markenrechte
Mit weitreichenden Massenabmahnungen geht der PAC-Man Entwickler Bandai Namco gegenwärtig gegen den Vertrieb von T-Shirts und anderen Merchandising-Artikeln bei Ebay vor. Die Firma verlangt Schadenersatz sowie Anwaltskosten in Höhe von 3.000 Euro und verlangt, dass alle Restbestände vernichtet werden.
Wie bei Abmahnungen üblich dürften die Forderungen sich nicht in jedem Fall in der genannten Höhe durchsetzen lassen. Die Forderung etwas höher als berechtigt anzusetzen, um Spielraum für Verhandlungen zu haben, ist eine gängige Praxis von Abmahnanwälten.
Die grundsätzliche rechtliche Argumentation von Bandai Namco wird jedoch vor jedem Gericht standhalten. Die Marke PAC MAN ist derartig bekannt, dass sie alleine durch Verkehrsgeltung schon markenrechtlichen Schutz genießen würde. Selbst wenn nicht jeder Nutzer durch eine Abfrage beim deutschen Patent und Markenamt innerhalb weniger Minuten feststellen könnte, dass PAC MAN seit Jahrzehnten als Marke eingetragen ist.
Intellectual Properties wie Marken- oder Urheberrechte werden in Zeiten des Internets im tatsächlichen täglichen Surfverhalten kaum mehr beachtet. In der Regel werden solche Rechtsverletzungen von den Rechteinhabern geduldet, weil sie keinen finanziellen Schaden verursachen und nur Kunden und Fans verprellen würden. Sobald Marken- oder Urheberrechte jedoch im gewerblichen Ausmaß verletzt werden, dürfen Nutzer nicht mehr auf die Nachsicht der Rechteinhaber hoffen.
Sind Vornamen als Marken geschützt?
In einem sehr guten Artikel hat diese Woche die IT-Rechts-Kanzlei das Problem von Vornamen als Marken behandelt. In einem prominenten Fall war der Versand- und Online-Händler Otto gegen einen Bekleidungshersteller vorgegangen, der eine Baseball-Kappe mit Namen Otto vertrieben hatte. Vor dem BGH bekam Otto (das Unternehmen, nicht die Kappe) Recht. Otto wurde hier als Markenname verwendet, weil er auch auf dem Etikett prominent angebracht wurde. Die Einzelheiten sind im Artikel erörtert.
Äußerungsrecht
Hass gegen Bundestagsabgeordnete
Verfahren wegen äußerungsrechtlichen Vergehen gegen Politiker häufen sich in den letzten Wochen und Monaten. Dieses Mal waren mehrere türkischstämmige Bundestagsabgeordnete bei Facebook schwer beleidigt worden. Anlass war die Armenien-Resolution des Bundestags vor einigen Monaten. Das Parlament hatte die türkischen Kriegsverbrechen an der armenischen Bevölkerung im ersten Weltkrieg offiziell als Völkermord bezeichnet. Im Anschluss daran wurden türkischstämmige Abgeordnete Opfer von zahlreichen Beleidigungen und sogar Morddrohungen in Sozialen Netzwerken. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte nun zwei Männer zur Zahlung von 600 bzw. 700 Euro. Der eine hatte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen als „Hure“, der andere den Grünen-Parteivorsitzenden Cem Özdemir als „Hurensohn“ bezeichnet.
Offenbar herrscht immer noch kein Verständnis dafür vor, dass auch Äußerungen in Sozialen Netzwerken deutschen Gesetzen unterliegen. Aus diesem Grund ist mit zahlreichen weiteren Verfahren wegen Beleidigung, Verleumdung oder Morddrohungen in Sozialen Netzen zu rechnen.
Sonstiges
Gesellschaft für Freiheitsrechte gegründet
In Berlin hat sich die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ gegründet. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die tagtägliche Gesetzgebung der Parlamente auf Verfassungswidrigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen oder zu unterstützen. Gründungs-Vorsitzender ist Ulf Buermeyer, Netzpolitiker und Richter am Landgericht Berlin.
Der Verein hat den Anspruch parteipolitisch neutral zu bleiben. Personen aus dem Umkreis von SPD, Grünen, Linken und FDP unterstützen den Verein bisher. CDU und AfD scheinen nicht vertreten.
Vereine wie der GFF sind extrem wichtig, weil auch offensichtlich verfassungswidrige Gesetze zunächst Bestand haben, sofern Niemand sie von den entsprechenden Gerichten überprüfen lässt.
Google versteht die Welt nicht mehr
Bereits im April hatte die EU-Wettbewerbskommision ein Verfahren gegen Android eröffnet. Der Vorwurf: Android nutze seine Marktmacht, um eigene Apps wettbewerbswidrig zu fördern. Wer ein Android-Handy kauft, der hat in der Regel bereits eine Reihe von Google-Apps vorinstalliert.
Google weist in einem Blogpost nun alle Vorwürfe als haltlos zurück. Hauptargument: Andere Hersteller wie Microsoft und Apple würden bei ihren Systemen nicht anders verfahren.
Aus meiner Sicht ist die einzige Frage, weshalb die EU-Kommission gegen den Suchmaschinen-Monopolisten aus Mountain-View nicht viel früher und viel intensiver vorgegangen ist. In Europa hat die Google-Websuche immerhin einen Markanteil von über 90%. Android als Smartphone-Betriebssystem hat ebenfalls um die 90% Marktanteil. Und der Chrome-Browser hat mit 2 Milliarden Installationen weltweit einen Anteil von 55%. Wer eine absolut Markt-beherrschende Stellung in so vielen miteinander verknüpften Märkten hat, sollte eigentlich größere kartellrechtliche Verfahren zu befürchten haben, als Google dies in den vergangenen Jahren hatte.
Kuriositäten
Gilt Panoramafreiheit auch für Schiffe?
Für die meisten Internet-Nutzer ist es eine große Überraschung: Doch Werke dürfen nicht ohne Weiteres abfotografiert und veröffentlicht werden. Schon wer mit seinem Partner in ein Restaurant geht und dort die künstlerisch gestaltete Innenausstattung, das Design der Speisekarte oder selbst den Schmuck der Partnerin fotografiert und auf Facebook oder Instagram veröffentlicht, begeht eventuell eine Urheberrechtsverletzung.
Glücklicherweise hat das Urheberrecht bestimmte Schranken. So dürfen zum Beispiel dauerhaft in der Öffentlichkeit angebrachte Kunstwerke nach §59 UrhG abgelichtet und veröffentlicht werden. Dieses Gesetz ist dringend notwendig. Gebäude zum Beispiel können durchaus als Werke im urheberrechtlichen Sinne gelten. Und die Detail-Unterscheidung kann in der Regel nur ein Anwalt verlässlich treffen. Insofern dürfte keine Fotografie, auf der ein Gebäude zu sehen ist, mehr veröffentlicht werden, ohne dass ein Anwalt sie rechtlich prüft, oder der betreffende Architekt kontaktiert würde. Das wäre das Ende jeglicher journalistischer Bildberichterstattung.
Artikel 59 UrhG erlaubt es nun Werke abzubilden,
die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden,
Doch was ist, wenn das betreffende Kunstwerk nicht an einer Straße, einem Weg oder einem Platz angebracht wurde, sondern an einem Schiff?
Mit dieser Frage musste das OLG Köln sich nun beschäftigen. Konkret ging s um den Kussmund des bekannten Kreuzfahrtschiffs AIDAbella. Die Grafik war an der Schiffsseite deutlich zu sehen. Ein Fotograf hatte sie fotografiert und veröffentlicht. Nun klagte der Kreuzfahrt-Veranstalter.
Die entscheidende Frage, die das OLG Köln zu klären hatte: Ist eine Schiffsaußenwand als „Weg, Straße oder Platz“ gemäß §59 UrhG zu betrachten. Und ist eine Grafik an der Außenseite eines Schiffs „bleibend“, obwohl das Schiff selbst sich bewegt.
Ja, ist es, entschied das OLG Köln. Denn bleibend bedeute nicht notwendig ortsfest. Werde ein Kunstwerk zu Werbezwecken auf einem Fahrzeug angebracht, so müsse der Künstler damit rechnen, dass es im öffentlichen Raum wahrgenommen und auch abgelichtet wird. Alles andere würde die Freiheit öffentlich zu fotografieren weitgehend einschränken.