Wochenrückblick: Internet- und Medienrecht KW 44

GEMA und Youtube einigen sich auf Vergütung. LG Köln sieht Urheberrechtsverletzung wegen Witz. Fristlose Kündigung wegen Facebook-Hasskommentar war zulässig. Filesharing-Lizenzschäden verjähren erst nach 10 Jahren.  Blogger haftet nicht für zitierte Äußerungen. Bundesrat will leichter lesbare AGB. Filtersysteme privatisieren die Rechtsdurchsetzung.

Urheberrecht

Youtube einigt sich mit GEMA

Der Paukenschlag in dieser Woche kam am Feiertag. Nach 7 Jahren Rechtsstreit einigten sich Youtube und GEMA auf gemeinsame Vergütungsregeln. Worum es im Rechtsstreit genau ging, und was Youtuber bei der Musik-Nutzung jetzt beachten sollten, habe ich hier zusammen gefasst. Der zugrunde liegende Rechtsstreit ist durch die Einigung übrigens mitnichten geklärt. Die offene Frage bleibt: Wer veröffentlicht eigentlich die Videos bei Youtube. Sind es die einzelnen Youtuber oder Youtube selbst? Die Frage muss nun ungeklärt bleiben, wie auch irights feststellt. Mittlerweile gibt es Vermutungen in Medienberichten, warum Youtube auf den Deal eingegangen ist, obwohl sich in der Rechtsprechung zuletzt Erfolge für Youtube abzeichneten. Youtube möchte wohl seinen neuen Dienst Youtube Red schnellstmöglich in Deutschland an den Markt bringen und ist dafür auf Kooperation mit der GEMA angewiesen.

Eine ausführliche Bewertung der Einigung liefert Julia Reda im Interview mit Deutschland-Funk.

Lizenzschäden bei Filesharing verjähren nach 10 Jahren

Wer wegen einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing abgemahnt wird, muss dem Urheber oder Rechteinhaber den Lizenzschaden bezahlen. (§97a UrhG) Wenn der Abgemahnte die Musik oder die Filme legal erworben hätte, hätte er diese ja bezahlen müssen. Dieses Geld, dass er sich durch das Filesharing erspart hat, steht nun dem Rechteinhaber zu. Unklar war bisher, wie lange es dauert, bis solche Lizenzansprüche verjähren. Bisher waren Rechtsanwälte von 3 Jahren ausgegangen. Nach einem Urteil des BGH vom 12 Mai diesen Jahres, ist diese Frist nun auf 10 Jahre verlängert worden. Für die Rechtsanwaltskosten, also die Kosten für die Erstellung der Abmahnung, die der Abgemahnte ebenfalls zu tragen hat, bleibt die Verjährungsfrist jedoch bei 3 Jahren.

LG Köln verbietet einen Witz

Das Kölner Landgericht hat am vierten Oktober eine einstweilige Verfügung erlassen und dem Kabarettisten Florian Schröder untersagt einen Witz öffentlich wiederzugeben. Der Grund: Der Komödiant habe den Witz aus einer Karikatur der beiden Zeichner Elias Hauck und Dominik Bauer entnommen. Diese machen nun Urheberrechte an dem Witz geltend.

Die Entscheidung ist mehr als merkwürdig. Wie sowohl Markus Kompa als auch Thomas Stadler in ihren Beiträgen fest stellten, ist die Pointe eines Witzes als „Idee“ eigentlich nicht urheberrechtlich schutzfähig. Lediglich das „Sprachwerk“ also der komplett ausformulierte Witz kann urheberrechtlich geschützt sein. Erzählt man einen Witz mit anderen Formulierungen nach, so verletzt man keine Urheberrechte.

Hoffentlich wird es zu einem Berufungsverfahren kommen, damit der Sachverhalt vor einem höheren Gericht geklärt werden kann. Wo kommen wir denn hin, wenn niemand mehr Witze weiter erzählen darf.

Datenschutz

Google ändert Datenschutzbestimmung

Durch eine Änderung in den Datenschutzbestimmung ist Google befugt, die Tracking Daten aus dem DoubleClick Netzwerk mit den User-Daten der persönlichen Google-Accounts zu synchronisieren. Die Google-Tochter DoubleClick setzt überall im Netz Cookies in Browser, um deren Surf-Verhalten auszulesen und zielgerichtete Werbung auszuspielen. Durch die Verknüpfung können die Personen-bezogene Daten nun mit dem Browser-Surfverhalten verknüpft werden. Das erlaubt Google auch die Browser-Historien auf unterschiedlichen Geräten einem einzelnen Profil zuzuordnen.

Google-Nutzer wurden bei ihrem ersten Login nach der Änderung über die neue Datenschutzbedingungen informiert und mussten diesen zustimmen. Die Rechtmäßigkeit der neuen Datenschutzbestimmung ist aber dennoch umstritten.

E-Commerce

LG Bochum: neue Regelung Preisaktionen

Bereits im September kam es zu einem Urteil des Landgerichts Bochum: Es ging darin um beliebte Preisaktionen wie:

Unser tolles Produkt XXX jetzt für nur 18,99 €

(vorher 19,00 €)

Die Richter hatten zu entscheiden, wie lange nach der Preissenkung (Im Beispiel von 19,00€ auf 18,99€) ein Unternehmen mit einer solchen Aktion werben darf

Antwort: 3 Monate lang. Wer nach dieser Frist noch mit „vorher XXX“ wirbt, begeht eine Verletzung gegen das Wettbewerbsrecht.

OLG Hamburg: Umgehungsverbot gilt auch für Software

Ein weit verbreiteter Irrglaube über Gesetze und juristische Regelungen besagt, dass stets nur die wörtliche Formulierung Rechtskraft hat. Dass das nicht der Fall ist, bewies jetzt einmal mehr das Oberlandgericht Hamburg. Ein Mobilfunkanbieter hatte eine rechtswidrige Klausel in seinen AGBs, und verlangte Pauschalgebühren für die Bearbeitung von Rücklastschriften. Ein Gericht erklärte die Klausel für unwirksam und die Kunden mussten die Gebühren nicht bezahlen.

Wie reagierte das Unternehmen? Es programmierte die Hauseigene Rechnungssoftware ein, sodass die Pauschalgebühren auf Kunden-Rechnungen einfach auftauchten. So wollte das Unternehmen die gerichtliche Entscheidung umgehen. Wenig überraschend setzte das OLG Hamburg dieser Praxis nun ein Ende. Gemäß §306a BGB sind unzulässige Geschäftshandlungen auch dann verboten, wenn sie nicht durch tatsächliches Handeln und nicht durch Verträge etc. passieren. Egal was in den AGB steht.

Bundesrat fasst Entschließung: AGB sollen leichter lesbar werden

Auf Initiative des Landes Hessen hat der Bundesrat in seiner Sitzung am Freitag (4. Oktober 2016) eine Entschließung zu AGB gefasst. Ziel ist es AGB für den Endnutzer leichter verständlich und innerhalb einer Branche besser vergleichbar zu machen. So soll zukünftig vorgeschrieben sein, dass alle AGB-Texte in einer lesbaren Schriftgröße abgefasst sind und besonders relevante Punkte hervorgehoben werden.

Entschließungen des Bundesrats sind rechtlich nicht verbindlich. Sie sind nur Empfehlungen an die Bundesregierung, zu diesem Sachverhalt gesetzgeberisch Tätig zu werden.

Äußerungsrecht

Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen Facebook

Die Staatsanwaltschaft München I hat ein Verfahren gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowie leitende Facebook-Angestellt in Europa wegen Beihilfe zur Volksverhetzung eröffnet. Anlass für das Verfahren ist eine Strafanzeige des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun. Der Vorwurf: Facebook tue nicht genug, um gegen Äußerungen wie Mordaufrufe, Gewaltandrohungen und Holocaustleugnung auf der Plattform vorzugehen. Solche Beiträge sind nach deutschem Strafrecht verboten und können mit Haftstrafen geahndet werden.

Durch das Provider-Privileg (§10 TMG) haftet Facebok als Plattform nur dann für rechtswidrige Inhalte seiner User, wenn Facebook selbst Kenntnis von diesen Inhalten hat. Der Staatsanwaltschaft liegt jedoch scheinbar eine Liste von zahlreichen Fällen vor, in denen Facebook nicht auf die Meldung von rechtswidrigen Inhalten reagierte oder diese sogar in einer Standardformulierung für unbedenklich erklärte.

Ein ähnliches Verfahren, das ebenfalls auf die Initiative Chan-jo Juns zurück ging, wurde im März diesen Jahres eingestellt.

Die grundsätzliche Rechtsfrage, wie und in welchem Umfang Plattformen für die Äußerungen ihrer Nutzer verantwortlich sind, wird in den nächsten Jahren noch viele Gerichte beschäftigen.

OLG Frankfurt: Blogger haftet nicht für fremde Äußerungen

Journalisten und Blogger kommen nicht umhin zuweilen die Äußerungen Dritter zu zitieren. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Was passiert, wenn diese zitierten Äußerungen rechtswidrigen Inhalt haben? Wenn ein Journalist Beleidigungen, Mordaufrufe oder Volksverhetzungen zitiert: Haftet er dann für diese Vergehen?

Die grundsätzliche Antwort auf diese Frage lautet: Ein Journalist haftet dann für rechtswidrige Zitate, wenn er sich nicht ausreichend von ihnen distanziert hat. Diese Distanzierung kann ausdrücklich gemacht werden „Ich distanziere mich ausdrücklich von diesem Zitat.“ Sie ist aber auch gegeben, wenn durch den Text und den Gesamtzusammenhang klar wird, dass der Journalist die Meinung des Zitierten nicht teilt.

Und wann genau macht der Gesamtzusammenhang eine Distanzierung deutlich? Das ist eine schwierige Frage, die nur im Einzelfall geklärt werden kann. Gerade deshalb kommt es in solchen Fällen immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

So nun auch vor dem OLG Frankfurt: Ein Blogger sollte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, weil er unwahre Tatsachenbehauptungen eines Dritten als Zitate verbreitet hatte. Zu Unrecht, entschied das Gericht. Der Blogger habe lediglich den Meinungsstand dokumentationsartig gegenübergestellt. Zudem habe der Blogger die Aussagen nicht in die eigene Argumentation eingebunden und alle fraglichen Passagen mit “ “ als Zitate gekennzeichnet. Dem Leser wurde hier hinreichend klar, dass es sich um Fremde Meinungen handelte. Sich nochmals explizit von den Inhalten zu distanzieren war hier deshalb nicht notwendig.

Facebook Hass-Kommentar führt zur Kündigung

Das Arbeitsgericht Herne hatte einen Fall zu entscheiden. Ein Mann hatte einen Beitrag des Senders n-tv über einen Brand in einem Asylbewerberheim bei Facebook folgendermaßen kommentiert:

hoffe das alle verbrennen,,, die nicht gemeldet sind.

 

„alle raus und geht es gut.“

Sein Arbeitgeber, der sich für Flüchtlinge engagiert, hatte den Mitarbeiter daraufhin fristlos entlassen. Dieser wehrte sich vor Gericht gegen die Kündigung. Ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht Herne bewertete die Äußerungen als Volksverhetzung und damit als strafrechtlich relevant. Weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle im Facebook-Profil angegeben hatte, würden seine Äußerungen negativ auf den Arbeitgeber zurück fallen. Damit hatte der Mann seine Nebenpflichten als Arbeitnehmer verletzt. Der Arbeitgeber durfte auch ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung aussprechen.

Artikel-Empfehlungen

In dieser Woche gab es zwei bemerkenswerte Artikel zu Online-Rechtsthemen, die ich empfehlen möchte. Dr. Thomas Schwenke hat in seinem Blog eine ausführliche Anleitung zu Mailchimp und Datenschutz inklusive Checkliste und Mustererklärung veröffentlicht. Ein höchst nützlicher Text. Ich weiß von befreundeten Bloggern, PR-Workern und Online Marketern, dass in diesem Bereich viel Angst und Unwissenheit herrscht. Viele nutzen Mailchimp erst gar nicht, aus Angst gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen.

Meine zweite Empfehlung ist ein Artikel auf Netzpolitik, der den Vortrag von JBB-Anwalt Dr. Arne Koreng auf der Konferez: „Das ist Netzpolitik“ zusammen fasst. Thema sind abermals die Filtersystem, die die EU-Kommission in ihrem neuen Gesetzesentwurf für alle großen Plattformen vorschreiben möchte. Inhalte, die urheberrechtlich geschütztes Material enthalten, sollen durch diese Filter bei Facebook, Twitter, Flickr etc. gar nicht mehr hoch geladen werden können. Durch die Filtesysteme würden große Teile der Rechtsdurchsetzung de facto nicht mehr durch das Justizsystem sondern durch private Firmen vorgenommen. Eine sehr, sehr bedenkliche Tendenz.. 

 
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Thomas Morus

Thomas Morus (1478-1535) war Autor, Staatsmann und Jurist. Und lehrte als Professor für Jura an der Law-School Lincoln's Inn. Als Autor und Poet schrieb er Prosa und philosophische Abhandlungen. Sein berühmtestes Werk ist die Utopia. In ihr entwirft er eine perfekte Gesellschaft, in der alle Menschen in Frieden leben und sich nach ihren Möglichkeiten entwickeln können. Hinter dem digitalen Thomas Morus steckt Thomas Reeh. Journalist, Online-Redakteur und Blogger.

 

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