Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass Whatsapp seine AGB in deutscher Sprache zur Verfügung stellen muss. Außerdem muss die Firma ihr Impressum berichtigen und einen schnellen und unmittelbaren Kommunikationsweg bereit stellen. Die Angabe von Twitter-Account und Facebook-Seite reichen nicht. Das Urteil kann Folgen für viele andere Internet-Diensteanbieter haben.
Whatsapp muss seine AGB auf deutsch bereit halten. Das urteilte das Kammergericht Berlin in einem Urteil, dass erst in der letzten Woche veröffentlicht wurde. Bisher hatte das soziale Netzwerk seine Geschäftsbedingungen nur auf englisch zur Verfügung gestellt. Ein anders lautendes Urteil des Berliner Landgerichts hob das Kammergericht damit auf. Die Richter beriefen sich in ihrer Argumentation vor allem auf:
§ 307 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Ein so komplexer und umfassender Text wie die Regelungen eines sozialen Netzwerks sei nicht klar und verständlich, wenn er in einer fremden Sprache formuliert sei. Zwar sei Englisch als Geschäftssprache mittlerweile gängig. Einen komplexen juristischen Text in all seinen Nuancen und Feinheiten in einer Fremdsprache verstehen zu können, sei jedoch für den beteiligten Verkehr nicht zumutbar. Verbraucher werden hierdurch unzumutbar benachteiligt.
Fehlende Kontaktmöglichkeit im Impressum
Des Weiteren monierte das Kammergericht, dass im Impressum von Whatsapp keine direkte Kommunikationsmöglichkeit mit dem Unternehmen angegeben war. Eine solche ist im Telemediengesetz zwingend vorgeschrieben:
§5 TMG
(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:
[…]
2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post,
Nach Rechtsprechung des EuGH muss eine Diensteanbieter auf diese „unmittelbare Kommunikation“ innerhalb von 60 Minuten reagieren können. Gewöhnlicherweise wird zur Erfüllung dieses Kriteriums im Impressum eine Telefonnummer/Hotline des Unternehmens angegeben. Whatsapp hatte lediglich auf die Firmen eigene Facebook-Seite und den Twitter Account verwiesen. Pikanterweise waren die Optionen der Facebook-Seite dabei so eingestellt, dass ihr keine privaten Nachrichten übermittelt werden konnten.
Ob eine Facebook-Seite generell den Anforderungen von §5 TMG genügen kann, hat das Kammergericht explizit offen gelassen:
Hierbei kann offenbleiben, ob dem schon entgegensteht, dass hier dritte Unternehmen eingeschaltet sind, was möglicherweise besagtes Erfordernis der Unmittelbarkeit außer Acht lässt.
Eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema steht also noch aus. Die Problematik ist klar: Nicht jeder User besitzt einen Facebook-Account und somit können auch nicht alle User die Firma bei Facebook erreichen.
Für den vorliegenden Fall spielte das alles keine Rolle: Der Facebook-Seite konnten User keine privaten Nachrichten schreiben. Dem Twitter-Account ebenfalls nicht, weil private Nachrichten bei Twitter nur an Follower geschickt werden können. Damit gab es überhaupt keine Möglichkeit zur „elektronischen Kontaktaufnahme“.
Die Folgen
Das Urteil kann Folgen für verschiedene andere soziale Netzwerke haben, die ihre AGB ebenfalls nicht auf deutsch zur Verfügung stellen. Die grundlegende Frage ist dabei immer, ob deutsche Gerichte überhaupt zuständig sind. AGB sind eine Frage des Wettbewerbsrechts. Hier sind deutsche Gerichte nur zuständig, wenn sich das geschäftliche Angebot des Anbieters an einen deutschen Markt richtet.
Konkret könnten zum Beispiel die Musik-Plattform Soundcloud in Schwierigkeiten geraten. Sie hält ihre AGB ebenfalls nur auf Englisch vor. Dieser Umstand hat Sprengkraft, weil die Soundcloud AGB den Download von Songs der Plattform verbieten. Abgesehen davon, dass diese Regelung ohnehin umstritten ist: Weil die „Terms of use“ nicht in deutscher Sprache vorgehalten werden, könnten die entsprechenden Passagen nun in Deutschland unwirksam sein. Damit dürften sich User mit den vielen gängigen Download-Diensten Musik von der Plattform herunter laden.
Strafandrohung gegen CEO
Whatsapp wurde also verpflichtet, seine AGB auf deutsch anzubieten und sein Impressum zu korrigieren. Brisantes Detail: Bei Nichterfüllung wurden dem CEO Jan Koum sogar 6 Monate Ordnungshaft angedroht. Mindestens im Vergleich der Gerichtsurteile, die ich bisher kenne, scheint mir das nicht unbedingt üblich.
Sowohl das Urteil als auch die Strafandrohung lassen sich für mich in eine Tendenz der europäischen Politik und Rechtsprechung einordnen: Aufhebung des Safe Harbour Urteils. Die Auseinandersetzungen über Hatespeech bei Facebook. Die jüngsten Ermittlungen gegen Google in Frankreich. Lange hatten die großen Internet-Konzerne weitgehend losgelöst von nationalem Recht agiert. Oftmals hatten sie argumentiert nur nach amerikanischem Recht belangbar zu sein. Nun scheinen sich Regierung, Parlamente und Gerichte dazu entschlossen zu haben Google, Facebook und Konsorten an dem nationalen Recht der Länder zu messen, von denen aus ihre Dienste verwendet werden. Ob das Erfolg hat, bleibt abzuwarten.