Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 50

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite. Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden. Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor. Anhaltende Kritik an Linkhaftung. Initiative zur endgültigen Abschaffung der Störerhaftung. Stellenanzeigen nicht zwingend urheberrechtlich geschützt.

Arbeitsrecht

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite

Betriebsräte haben in Deutschland verhältnismäßig viel Einfluss. Zum Beispiel müssen sie zustimmen, wenn die Leistung oder das Verhalten von Mitarbeitern durch technische Maßnahmen überwacht wird.

§87 Betriebsverfassungsgesetz

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen

[…]

6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

Was aber, wenn die Überwachung nicht direkt durch technische Maßnahmen erfolgt, aber zB. Kunden Online-Feedback geben können? Auch hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, entschied jetzt das Bundes Arbeitsgericht. Im vorliegenden Fall hatte das Deutsche Rote Kreuz eine Facebook-Seite zu Marketing-Zwecken eingerichtet, auf dem sich jedoch Nutzer über einzelne Schwestern und Ärzte beschwerten.

Christian Solmecke von der Kanzlei WBS kritisierte das Urteil: Die Facebook-Seite sei zu Marketing-Zwecken und nicht zum Zwecke der Überwachung der Mitarbeiter angelegt worden. Deshalb sei sie nicht als technische Einrichtung zur Überwachung zu werten.

Urheberrecht

Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor

Im April diesen Jahres entschied der BGH bekanntermaßen, dass nach dem gängigen Urheberrecht die Kopiervergütung an urheberrechtlich geschützten Werken alleine dem Urheber zusteht und Verlage daran keinen Anteil haben:

Schon unmittelbar nach dem Urteil, wurden Stimmen laut eine neue Rechtsgrundlage für die Verlegerbeteiligung zu schaffen. Nun hat die Regierungskoalition ihre lang angekündigte Urheberrechtsreform im Bundestag verabschiedet. Neben Maßnahmen, die schon länger geplant waren, wurde darin die Verlegerbeteiligung auf neue rechtliche Grundlage gestellt. Es gibt gewisse Bedenken, dass das neue Gesetz gegen Europarecht verstoßen könnte. Ein etwaiges Verfahren vor dem EuGH bleibt abzuwarten.

An anderer Stelle stärkt das neue Urheberrecht die Urheber: Wenn Urheber Nutzungsrechte an ihren Werken an Verwerter einräumen, haben sie zukünftig erweiterte Auskunftsrechte. Nach 10 Jahren fallen die Rechte außerdem automatisch an sie zurück.

Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden

An Schulen und Universitäten werden täglich tausende wissenschaftliche Texte kopiert oder den Schüler/innen und Studenten/innen online zugänglich gemacht. Das ist absolut wesentlich, denn ohne die entsprechende Fachliteratur kann niemand in einer Bildungseinrichtung etwas lernen. Da wissenschaftliche Texte jedoch dem Urheberrecht unterstehen, stellt sich die Frage, wie die Autoren der Texte vergütet werden. Für Texte, die über Intranet-Plattformen wie Moodle zugänglich gemacht werden, regelt das §52a UrhG. Bildungseinrichtungen dürfen danach die Texte zur Verfügung stellen, müssen dafür aber eine Vergütung entrichten, die durch die VG Wort eingezogen wird.

Bislang war es so, dass die Universitäten Pauschalbeträge bezahlten. Die VG Wort versucht dagegen seit geraumer Zeit durchzusetzen, dass die Bildungseinrichtungen für jeden einzelnen Text bezahlen sollen. Die Hochschulen protestieren: Jeden einzelnen Text zu erfassen, der den Studenten/innen zugänglich gemacht wird, sei schlicht zu aufwendig. Einige Hochschulen hatten sogar angedroht, in diesem Falle gänzlich auf digitalisierte Literatur zu verzichten, und wieder Kopiervorlagen zur Verfügung zu stellen.

Zum Glück scheint diese Rückkehr in prae-digitale Zeiten nun zunächst abgewendet. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums von Nordrhein Westfalen einigte sich eine Arbeitsgruppe aus Kultusministern, Hochschulen und der VG Wort in letzter Minute darauf, die bisherige Praxis mindestens bis September 2017 fortzusetzen. Gut für die deutschen Hochschulen.

Filesharing Urteile

Um meinen Lesern ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sich die Rechtsprechung zu Filesharing entwickelt, berichte ich wöchentlich über interessante Urteile in diesem Bereich. Das AG Düsseldorf wies in einem aktuellen Urteil eine Filesharing-Klage ab. Der Angeklagte sollte ein Musikalbum per Filesharing öffentlich zugänglich gemacht haben. Er konnte jedoch nachweisen, dass er am fraglichen Wochenende Freunde zu einem Online-Spiel-Wochenende eingeladen und ihnen dabei Zugriff auf seinen Internet-Anschluss gewährt hatte. Das Gericht sah dadurch die so genannte Sekundäre Darlegungspflicht erfüllt, weil dadurch die reale Möglichkeit Bestand, dass ein anderer den Verstoß begangen haben könnte.

Anders entschied das LG Leipzig in einem aktuellen Fall. Hier hatte ein Familienvater dargelegt, dass seine Kinder im Haushalt Zugriff auf das Internet hätten. Damit kamen auch hier real andere Personen als der Angeklagte in Frage. Das LG Leipzig entschied jedoch, dass der Sekundären Darlegungspflicht hier nicht genüge getan wurde. Das Urteil des LG Leipzig widerspricht der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshof in dieser Frage und auch der Rechtsprechungs-Tendenz der vergangenen Wochen und Monate.

Wird die Störerhaftung endgültig abgeschafft?

Im Mai diesen Jahres gelang dem Bundestag ein PR-Coup. Er beschloss ein Gesetz um die Störerhaftung endlich abzuschaffen. Eine Maßnahme, die die Öffentlichkeit seit Jahren gefordert hatte. Leider erfüllte die Gesetzesänderung nicht was sie versprach. Denn sie schaffte nicht den Unterlassungsanspruch ab, der die rechtliche Grundlage für Filesharing-Abmahnungen ist.

Nun wird das Land Schleswig Holstein eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbringen, die genau diese Lücke schließen soll. Die Initiative war ursprünglich von der Fraktion der Piratenpartei im Landtag von Schleswig Holstein eingebracht und mit der Unterstützung mehrerer Fraktionen beschlossen worden.

Da ich in der Vergangenheit auf derartige Initiativen wohl zu optimistisch reagiert habe, werde ich erst einmal abwarten, was passiert.

Stellenanzeige nicht urheberrechtlich geschützt

Bekanntlich muss ein Text – genau wie jedes andere Werk im Urheberrecht – eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Über die Frage, wann genau ein Text kreativ und individuell genug ist, um die Kriterien der kleinen Münze zu erfüllen, darüber wurden schon viele Prozesse geführt.

In einem Fall, den da KG Berlin zu entscheiden hatte, war eine Stellenanzeige fast 1 zu 1 kopiert und online gestellt worden. Ein Urheberrechtsverstoß? Nein, entschied das Gericht. Die Stellenanzeige hatte lediglich aus Tätigkeiten und Voraussetzungen des Jobs bestanden, die mit Spiegelstrichen aufgelistet wurden. Diese technischen Beschreibungen waren durch die tatsächliche Tätigkeit im Job vorgegeben. Die Auswahl war deshalb nicht kreativ. Und auch sprachlich war die Anzeige nicht individuelle gestaltet. Der persönlich formulierte Einleitungssatz reichte nicht aus, um die Anzeige hinreichend zu individualisieren. Insgesamt hebe sich der geistig-schöpferische Gesamteindruck nicht von der Masse der Stellenanzeigen ab. Deshalb war in diesem Fall die Anzeige nicht urheberrechtlich geschützt.

Linkhaftung

Bereits in der letzten Woche hatte ich über das Urteil des LG Hamburg zur Linkhaftung berichtet. Das Urteil hat jedoch so schwerwiegende Folgen, dass sich auch in dieser Woche wieder zahlreiche Rechts-Blogger damit auseinander setzten. Die heise-show ist in ihrem Podcast nochmals ausführlich der Frage nachgegangen: „Was darf man noch verlinken?“Die IT-Rechts-Kanzlei hat noch einmal detailliert die Rechtslage und Rechtsprechung rekapituliert und aufgezeigt, was Online-Händler nun beachten müssen. Carsten Ulbricht hat die Urteilsbegründung noch einmal genau analysiert und mahnt in seinem Blog-Artikel zur Ruhe. Der Angeklagte habe sich schlecht verteidigt, weshalb das Urteil wenig respräsentativ sei. Ob ein Linksetzer auch dann haftet, wenn er die verlinkte Urheberrechtsverletzung tatsächlich nicht erkennen konnte, habe das LG Hamburg gar nicht entschieden. Der Angeklagte habe im Gegenteil in folgendem Zitat eingeräumt, eine Prüfung nicht für notwendig gehalten zu haben:

„Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.”

Ulbrichts Analyse hat sicherlich einiges für sich. Die zentralen Bedenken der meisten Kritiker sind dadurch aber nicht zerstreut. Denn es bleibt ja dabei: Die Richter sind davon ausgegangen, dass eine Prüfungspflicht (wie auch immer diese aussehen mag) besteht und hier verletzt worden ist. Was für Nachforschungen soll ein Linksetzender aber bitte durchführen, um eine solche Prüfungspflicht zu erfüllen? Ein zentrales Urheberrechtsregister existiert nicht. Eine Prüfung, ob die Bilder anderswo im Netz vorliegen, bringt keine endgültige Sicherheit und ist je nach Anzahl der Unterseiten und Bilder auf der verlinkten Seite auch praktisch nicht durchführbar. Die einzige Art von Nachforschung, die marginal größeren Erkenntnisgewinn bringen könnte, als eine bloße Prüfung nach Augenschein, wäre vom Webmaster der verlinkten Seite eine verbindliche Auskunft anzufordern. Eine solche Prüfung ist jedoch in der täglichen Redaktionspraxis praktisch unmöglich. Heise konnte bereits zeigen, dass nicht einmal das LG Hamburg selbst dazu in der Lage war, rechtzeitig eine solche Auskunft zu erteilen.

Das Urteil ist und bleibt eine Herausforderung für die Online-Community.

Presserecht

Facebook Kriterien gegen Hatespeech

Der Süddeutsche Zeitung liegen offenbar interne Dokumente vor, aus denen hervor geht, nach welchen Kriterien Hatespeech-Kommentare bei Facebook gelöscht werden. Danach werden Kommentare gelöscht, wenn sie gegen Mitglieder so genannter geschützter Kategorien gerichtet sind. Durch die Richtlinien werden damit in erheblichem Ausmaß Äußerungen gelöscht, die zwar moralisch verwerflich sein mögen, rein rechtlich aber nicht zu beanstanden sind.

Wie ich bereits mehrfach geäußert habe, bewerte ich die zunehmende Privatisierung der Rechtsdurchsetzung als ausgesprochen problematisch. Welche Äußerungen tatsächlich getätigt werden können und welche nicht, wird zunehmend nicht mehr durch Gesetzgebung und Rechtsprechung bestimmt, sondern durch schwammige Begriffe in den AGBs großer Plattformanbieter.

Empfehlung der Woche

Stephan Dirks hat einen herrlich ironischen Blog-Beitrag zur Fake News-Debatte verfasst. Ungewollt philosophisch geht er dabei darauf ein, was Wahrheit in juristischen Zusammenhängen bedeutet oder mit seinen eigenen Begriffen: Wie Prozessordnungen Wahrheit erzeugen. Absolut lesenswert.

Da ich in den letzten beiden Wochen des Jahres irgendwo zwischen Bonn, Paris, Heidelberg und Berlin herum irren werde, bin ich mir nicht sicher, ob es in diesem Jahr noch weitere Wochenrückblicke geben wird. Falls nicht wünsche ich allen geneigten Lesern frohe Weihnachten und einen guten Start ins Jahr 2017.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 49

LG Hamburg schränkt Linkfreiheit massivein. Auch private Blogs können als journalistisch-redaktionelle Medien gelten.  OS-Plattform-Link muss klickbar sein. Facebook löscht Impressums-Link. Heftige Kritik an Digitalcharta. Gesundheits-Apps verstoßen gegen Datenschutz. Neue Filesharing-Fälle.

Urheberrecht

LG Hamburg verschärft Linkhaftung massiv

Es war die Nachricht der Woche: Das LG Hamburg hat in einem Verfahren einen Website-Betreiber verurteilt: Er hatte einen Link auf eine andere Seite gesetzt, auf der ein Bild urheberrechtswidrig hoch geladen war. Nach einem Urteil des EuGH vom 8. September diesen Jahres war davon auszugehen, dass selbst bloße Verlinkungen auf Urheberrechtsverletzungen selbst Urheberrechtsverstöße sein können. Nun liegt jedoch zum ersten Mal das Urteil eines deutschen Gerichts zu der Frage vor.

Der Prozess war scheinbar ein Musterverfahren, den die Kanzlei Spirit Law LLB mit der gezielten Absicht geführt hatte, Rechtsklarheit in dieser Frage zu schaffen. (Blogbeitrag der Kanzlei)

Der EuGH hatte fest gestellt, dass lediglich kommerzielle Anbieter zur Überprüfung aller Inhalte verpflichtet sind, die sie verlinken. Was genau unter einem kommerziellen Anbieter zu verstehen ist, hatte der EuGH offen gelassen. Das LG Hamburg führte dazu nun aus:

Zwar definiert der EuGH nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich die Frage stellen kann, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Die Kammer versteht die EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht in einem engeren Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient.

Ein kommerzieller Anbieter betreibt also einen Internetauftritt, der zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient. Wie ich in meinem Beitrag zum Urteil des EuGH bereits befürchtet hatte, sind damit sämtliche kleinen semiprofessionellen Blogger eingeschlossen, die minimale Geldbeträge mit ihrem Blog hinzuverdienen oder damit Werbung für ihre hauptberufliche Tätigkeit machen.

Wie ich ebenfalls bereits in meinem damaligen Artikel dargelegt habe, ist dieses Urteil weltfremd. Es gibt tatsächlich keinerlei Möglichkeit für einen Linksetzer zu recherchieren, ob die Inhalte auf einer anderen Seite urheberrechtswidrig veröffentlicht wurden. Insbesondere gilt dies für Online-Redaktionen, in denen tagesaktuell berichtet werden muss. In einem tragik-komischen E-Mail-Wechsel mit dem LG-Hamburg hat heise das bereits demonstriert.

Wie zahlreiche Kommentatoren festgestellt haben, bedeutet das Urteil des LG-Hamburg eine massivste Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit. Ein schwarzer Tag für das Internet. Hier nur eine kurze Auswahl an kritischen Blogartikeln:

Beitragshinweis: Adieu freies Internet – FAQ zur verschärften Haftung für Links, Sharing, Vorschaubilder und Embedding

LG Hamburg verbietet Links auf urheberrechtsverletzende Inhalte

Das ist absurd! Landgericht Hamburg verschärft Verlinkung

[Dirks‘ Netzwelt] Haftung für Links

https://netzpolitik.org/2016/befuerchtungen-bestaetigt-erste-entscheidung-in-deutschland-nach-eugh-urteil-verschaerft-linkhaftung/

 

Filesharing: Ehepaar haftet nicht für Porno-Verbreitung

In den letzten Wochen und Monaten kristallisiert sich immer deutlicher eine klare Rechtsprechungslinie zu Filesharing-Fällen heraus. Wenn nicht klar ist, welches Familienmitglied den Urheberrechtsverstoß begangen hat, so werden die Klagen in der Regel abgewiesen. Denn eine Belehrungspflicht gibt es nicht, und die Störerhaftung kommt nur in Betracht, wenn eine Aufsichtspflicht verletzt wurde. Um diese sehr erfolgreiche Verteidigung zu umgehen, ließ der Abmahn-Anwalt Sarwari sich nun etwas neues einfallen: Als er fest stellte, dass von einem Internet-Anschluss aus ein Porno-Film per Filesharing öffentlich zugänglich gemacht wurde, mahnte er kurzerhand gleich beide Ehepartner ab. Man dürfe vermuten, dass sie den Film gemeinsam konsumiert hätten. Insofern hafteten beide gemeinsam für den Urheberrechtsverstoß. Netter Nebeneffekt für den Anwalt: Er brauchte so nicht nachzuweisen, wer von beiden den Verstoß begangen hatte.

Unfug! So entschied das Amtsgericht Düsseldorf. Die allgemeinen Lebenserfahrung besage, dass mehrere erwachsene Personen einen Internetanschluss auch unabhängig voneinander nutzten. Insofern dürfe nicht vermutet werden, dass beide den Film gemeinschaftlich konsumiert hätten. Ein sehr lebensnahes Urteil. Gut dass die Richter in diesem Fall auf allgemeine Lebenserfahrung zurück greifen konnten.

GEMA-Rechner

Die C3S (Cultural Commons Collecting Society) hat als neues Online-Tool einen GEMA Rechner veröffentlicht. Mit dem Dienst können Barbesitzer, Clubbetreiber oder sonstige Nutzer von GEMA-Musik ihre Tarife berechnen. Das Tool steht unter offener Lizenz und kann beliebig weiter verwendet werden.

Die C3S baut gegenwärtig eine eigene Verwertungsgesellschaft auf. Sollte es ihm gelingen eine kritische Anzahl an Künstlern zu vertreten, könnte das das Ende der so genannten GEMA-Vermutung sein.

Presserecht

Private Blogs könne journalistisch-redaktionell sein

Die Schlammschlacht unter den Mitgliedern der ehemaligen Piratenfraktion im Berliner Landtag hat nun immerhin zu mehr Rechtsklarheit in einem Bereich gesorgt. Der ehemalige Abgeordnete Christopher Lauer sah sich in einem Blog-Beitrag seines ehemaligen Partei-Kollegen Simon Lange nicht korrekt dargestellt und setzte gerichtlich seinen Anspruch auf Richtigstellung gemäß §56 RStV durch. Lange hat die Gegendarstellung mittlerweile veröffentlicht. Die juristisch interessante Frage: §56 RStV sieht einen Anspruch auf Richtigstellung nur gegen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote vor.

§ 56 Gegendarstellung
(1) Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere
vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben wer-
den, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem
Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot
ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen.

Der Blog von Simon Lange war jedoch ein privat gehaltener Blog, auf dem nur sehr unregelmäßig Beiträge erschienen. Dass der Blog das darstellt, was der Gesetzgeber mit journalistisch-redaktionell gestaltetem Angebot meint, darf bestritten werden. Wenn die Einschätzung des KG Berlin jedoch zutreffend ist, hätte dies Auswirkungen für alle privaten Blogger. Denn neben dem Gegendarstellungsanspruch unterliegen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote auch der verschärften Impresumspflicht nach § 55 Abs. 2 RStV.

BGH zum Umfang zulässiger Kritik an journalistischer Arbeit

BGH Urteil zur Kritik an Journalismus

Bekanntlich ist die Meinungsfreiheit in §5 des Grundgesetzes geschützt. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich gewisse rechtliche Einschränkungen darüber, was in der Öffentlichkeit geäußert werden darf und was nicht. Nach allgemeinem Konsens unter Rechtswissenschaftlern ist dabei die Äußerung falscher Tatsachen rechtswidrig, während bloße Werturteile geäußert werden dürfen. Wo nun genau die Tatsachenbehauptung aufhört und das Werturteil beginnt, war jedoch schon häufig Gegenstand von Gerichtsprozessen.

In einem Urteil von Ende September hat der BGH nun mehrere Grundsätze seiner Rechtsprechung zu dem Thema wiederholt präzisiert und geklärt. Nach der Urteilsbegründung seien Schlussfolgerungen aus unstrittigen Tatsachen selbst nicht als Tatsachenbehauptungen sondern als Werturteile zu bewerten. Als Rhetorische Fragen seien solche Fragen zu bezeichnen, die nur eine Antwort zulassen. Somit seien Rhetorische Fragen nicht im eigentlichen Sinne Fragen sondern vielmehr Aussagen, die entweder Tatsachenbehauptungen oder Werturteile sein können. Schließlich stellte das Gericht erneut klar, dass Journalisten ein höheres Maß an öffentlicher Kritik hinnehmen müssen, als gewöhnliche Bürger. Es sei für die Funktion von Journalisten unabdingbar, dass etwaige Missstände Gegenstand von Berichterstattung und öffentlicher Diskussion sein können.

Zum Volltext des Urteils

Kein Auskunftsanspruch über Gehalt im Abgeordnetenbüro

Die regelmäßigen Zeitungsleser unter meinen Lesern werden sich noch an den Verwandten-Skandal in der CSU 2013 erinnern. Damals war bekannt geworden, dass zahlreiche CSU-Politiker ihre Verwandten und Ehepartner als Sekretär/innen oder Mitarbeiter/innen beschäftigt hatten. Die Politiker-Familien hatten so ein zusätzliches Einkommen aus Staatskosten und die Politiker den „Vorteil“ ihre Ehepartner immer um sich zu haben.

Ein Teil des langen juristischen Nachspiels ist nun zu Ende gegangen: 2000-2013 hatte ein Journalist wiederholt Anfragen beim Bayrischen Landtag gestellt. Er wollte wissen, wie hoch die Vergütung einer Ehefrau war, die als Sekretärin im Abgeordnetenbüro ihres Mannes gearbeitet hatte. Als die Anfragen nicht beantwortet wurden, klagte der Journalist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) wies die Klage nun ab.

Das Recht auf Informationelle Selbstbestattung der Ehefrau überwiege in diesem Fall das Informationsinteresse der Presse. Zudem sehe das Bayrische Abgeordnetengesetz keine Pflicht zur Veröffentlichung der Kosten vor. Das Gericht konnte bei eingängiger Prüfung auch nicht fest stellen, dass der Abgeordnete durch die Beschäftigung seiner Frau Gesetze verletzt habe. Somit bestehe auch kein öffentliches Interesse.

Datenschutz

Gesundheits-Apps und Wearables verletzten Datenschutz

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat gemeinsam mit einigen Datenschutzbeauftragten der Länder eine stichprobenartige Prüfung von 16 Gesundheits-Apps und wearables durchgeführt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Offenbar verstoßen zahlreiche Anbieter gegen den Datenschutz.

Nutzer werden nur unzureichende über die Erhebung und Verwendung ihrer Daten informiert. Daten werden ohne die gesetzlich vorgeschriebene Einwilligung der Nutzer an Dritte weiter gegeben. Die zwingend vorgeschriebenen Möglichkeiten zu Widerspruch oder Löschanfragen fehlten häufig komplett.

Anbieter von Diensten, die mit Personenbezogenen Daten arbeiten, sollten sich dringend über die gesetzlichen Rahmenbedingungen informieren oder einen auf Datenschutz spezialisierten Anwalt zu Rate ziehen.

Allgemeines Medienrecht

Facebook löscht Impressumslink

Bereits in der letzten berichteten zahlreiche Facebook-User und Social Media-Manager, dass der Impressumslink auf ihren Facebook-Pages verschwunden war. Das ist sehr problematisch, denn kommerzielle genutzte Facebook-Profile sind Telemedien im Sinne des Telemediengesetzes und müssen daher nach §5 TMG ein Impressum vorhalten.

Was sollten Facebook-Nutzer nun tun? Rechtsanwalt, Rechtsblogger und Podcaster Dr. Thomas Schwenke empfiehlt statt des üblichen Links auf die eigene Webpräsenz einfach einen direkten Link auf das Impressum in die Infobox zu packen. Ansonsten gilt es abzuwarten, bis Facebook das Problem gelöst hat…

E-Commerce

OLG München: Link zur OS-Plattform muss klickbar sein

Seit Januar diesen Jahres müssen alle Online Händler in ihrem Impressum einen Link auf die Streitschlichtungsplattform der europäischen Union vorhalten: https://webgate.ec.europa.eu

Fehlt dieser Link, so liegt ein Wettbewerbsrechtsverstoß vor, den Konkurrenten abmahnen können (und erfahrungsgemäß auch werden). Ein neues Urteil des OLG München hat die Vorgabe nun zusätzlich spezifiziert: Der Link auf die Streitschlichtungsplattform muss klickbar sein. Der reine Textlink im Impressum ist nicht ausreichend. Online-Händler sollten die Vorschriften zur Os-Plattform penibel befolgen. Fehlende Angaben zählen mittlerweile zu den häufigsten Abmahngründen.

Sonstiges

Digtalcharta sorgt für Kritik

Am 5. Dezember wurde die so genannte Digitalcharta, eine Erklärung der digitalen Bürgerrechte veröffentlicht. Prominente aus Politik und Medien hatten das Dokument in den letzten 14 Monaten erarbeitet. Darunter Zeit-Herausgeber Giovanni di Lorenzo, Blogger und Digital-Erklärer Sascha Lobo, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Grünen-Politiker Jan Phillip Albrecht.

Vom Grundgedanken her eine interessante Idee hat die Charta in juristischen Fachkreisen massive Kritik hervor gerufen. Die einzelnen Inhalte der Charta sind unausgegoren. Juristische Begriffe werden nicht korrekt verwendet, oder miteinander vermischt.

In seinem Kommentar auf Telemedicus weist Simon Assion zurecht darauf hin, das Grundrechte in der bisherigen Rechtslehre ausschließlich gegen den Staat und nicht direkt gegen andere Bürger geltend gemacht werden können. Zudem bemängelt er, dass in §23 der Charta der EuGH zur höchsten Instanz der Grundrechte erklärt wird. Nach der europäischen Verfassung ist dies jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Wolfgang Michal bemängelte in seinem Kommentar auf irights, dass die Charta einen zu engen nationalen Bezug habe. Sie verstehe Grundrechte außerdem als Abwehrrechte gegen die Internet-Konzerne des Silicon Valleys und stilisiere den Staat als Schutzmacht der Menschen- und Bürgerrechte hoch. Dabei müsse der Bürger/User im Internet ebenso vor staatlicher Willkür geschützt werden.

In einer sehr harschen Kritik erklärten  Dr. Arnd-Christian Kulow und Thomas Stadler in Stadlers Blog die gesamte Charta gar für unbrauchbar, und nicht einmal dazu geeignet einen Diskurs anzuregen.

Markus Kompa befürchtet insbesondere, dass die Artikel zu Hatespeech eine Einschränkung von Äußerungs- und Meinungsfreiheit bewirken könnten. Er reagierte daher auf die Veröffentlichung der Charta, indem er sich stattdessen Serdar Somuncu anschaute.

Sämtliche juristische Detail-Kritik kann ich hier nicht wiederholen. Die diversen Fehler und Missverständnisse in der Charta lassen jedoch darauf schließen, dass zur Anfertigung des Textes keinerlei juristischer Sachverstand hinzugezogen wurde. Es würde sich empfehlen bei zukünftigen Erklärungen dieser Art entsprechende Fachkompetenz miteinzubeziehen.

Tipps der Woche

Einmal mehr gibt es eine ganze Reihe empfehlenswerter Inhalte.

Die IT-Rechts-Kanzlei hat einen ausführlichen Leitfaden für Online-Händler erstellt. Hierin ist detailliert beschrieben welche Informationen dem Kunden bei einer Online-Bestellung wann zugänglich gemacht werden müssen und was auf gar keinen Fall getan werden darf.

In einem ebenfalls interessanten Artikel hat Stephan Dirks heraus gearbeitet, wer eigentlich bei Urheberrechtsverletzungen auf einer Schulwebsite haftet.

Den aktuellen Stand der Datenschutzregeln für Facebook, Twitter, Google und Co. hat Thomas Schwenke in einem Whitepaper auf 30 Seiten verständlich und mit vielen Beispielen zusammen gefasst. Das Whitepaper kann kostenlos bei allfacebook herunter geladen werden.

Im Jura-Podcast Rechtsbelehrung hat Markus Richter mit seinen Gästen  Beata Hubrig und Niklas Plutte noch einmal den umstrittenen Abmahn-Beantworter des CCC unter die Lupe genommen.

Im August hatte der Chaos Computer Club das Tool zur Verfügung gestellt. Die Opfer unberechtigter Filesharing-Abmahnungen sollten damit automatisiert ein Antwortschreiben generieren können. Während die Online-Presse die Initiative des CCC  überwiegend positiv bewertete, kritisierten Rechtsblogger wie Markus Kompa und Stephan Dirks das Tool. Es sei „gut gemeint aber nicht gut gemacht“ und führe zu zusätzlichen finanziellen Risiken beim Abgemahnten. Auf Grund der starken Meinungsverschiedenheiten hat die Rechtsbelehrung dem Thema nun noch einmal 2 Stunden gewidmet.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 47

Zensur gegen Bruno Kramm eingestellt.BGH-Urteil zu Filesharing und W-Lan-Sicherheit. Holocaust-Leugnerin verurteilt. Black Friday-Abmahnungen. Facebook Anti-Hatespeech Maßnahmen. 

Äußerungsrecht

Polizeipräsident beendet Zensur wegen Böhmermann Gedicht

Der Berliner Polizeipräsident hat Anscheinend das Verfahren gegen den ehemaligen Piratenpartei Vorsitzenden Bruno Kramm eingestellt. Das berichtete Bruno Kramms Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Für diese Maßnahme wurde es höchste Zeit, denn spätestens seit der Einstellung des Verfahrens gegen Jan Böhmermann Mitte Oktober entbehrte das Vorgehen der Berliner Polizei jeglicher Rechtsgrundlage (wie ich in den Wochenrückblicken zur KW 40 und KW 41 bereits bemerkt habe)

Bruno Kramm hatte am 22. April 2016 vor dem türkischen Konsulat Teile des umstrittenen Schmähgedichts von Jan Böhmermann zitiert, diese jedoch analysiert und kritische Stellen im Gedicht als „schmierig“ und „rassistisch“ bezeichnet. Die anwesenden Polizeikräfte verhafteten Bruno Kramm daraufhin mit dem Argument die Wiedergabe des Gedichts sei eine Straftat. Eine Rechtsargumentation, die bei mir blankes Entsetzen ausgelöst hat, wie man mir glaube ich im Video anmerkt:

Vielleicht steckte mir in meiner Beurteilung noch in den Knochen, dass ich selbst auf Grund des Böhmermann Gedichts rechtliches Ungemach hatte. Mein Analyse-Video über das Schmähgedicht wurde damals kurzfristig von Youtube entfernt. Grund war ein unberechtigter Copyright-Claim des ZDF, den ich glücklicherweise ausräumen konnte.

Das Vorgehen gegen Kramm war jedoch noch erheblich unberchtigter: Denn Kramm hatte die Äußerungen Böhmermanns lediglich zitiert, um sie zu analysieren, und sich von fraglichen Äußerungen sogar ausdrücklich distanziert. Er hat sich Böhmermanns Aussagen also keinesfalls zu eigen gemacht. Noch erschreckender als die äußerungsrechtliche Fehleinschätzung der Polizei empfand ich jedoch die Entscheidung des VG Berlin. Denn das Gericht rechtfertigte nicht nur das Vorgehen der Polizei, sondern verlangte von Bruno Kramm zukünftig vor solchen Äußerungen ein Redemanuskript zur Prüfung bei der Polizei einzureichen. Ein eindeutiger Verstoß gegen das verfassungsmäßig garantierte Verbot von Zensur.

Grundgesetz §5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Nicht umsonst hatte ich das Urteil damals unter dem etwas polemischen Titel „VG Berlin führt Vorzensur in Deutschland ein“ kommentiert. Glücklicherweise hat der Rechtsstreit nun ein glimpfliches Ende genommen. Nach Angaben von Rechtsanwalt Markus Kompa klagt die Piratenpartei weiterhin gegen die Berliner Polizei und fordert nun die Kosten des vorherigen Verfahrens ein. Nach ihrer Meinung hätten die Behörden erkennen müssen, dass die Vorwürfe gegen Kramm unberechtigt sind. Eine Rechtsposition, die meiner Ansicht nach schwer von der Hand zu weisen ist.

Holocaust Leugnerin erneut verurteilt

Das Zensurverbot in §5 GG verbietet es dem Staat Äußerungen seiner Bürger zu verhindern. Es verbietet jedoch nicht rechtswidrige Äußerungen im Nachhinein zu sanktionieren. Das musste nun auch die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck erneut erfahren. Haverbeck hatte in 8 Artikeln für die rechtsextreme Zeitschrift Stimme des Reiches behauptet der Völkermord an den Juden habe nicht stattgefunden. Die Gaskammern in Auschwitz seien zu Propagandazwecken von Westalliierten erbaut worden.

Das Amtsgericht Verden verurteilte die 88-jährige zum 8. Mal wegen Volksverhetzung. Haverbeck wurde damit nun insgesamt zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Keines der Urteil ist bisher rechtskräftig. In der Urteilsbegründung erklärten die Richter Haverbecks rechtsextremen Ansichten eine klare Absage. Holocaust-Leugnung sei keine schutzwürdige Meinungsäußerung und durch den Schutzbereich von §5 GG nicht abgedeckt.

§ 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.     gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2.     die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,  wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Naturgemäß anders sah das Wolfram Nahrath der Anwalt der Verteidigung, der selbst dem rechtsextremen Spektrum angehört. Der Volksverhetzungsparagraph sei nicht anwendbar, weil er verfassungswidrig sei. Eine Ansicht, die nach der Rechtslage, der gängigen juristischen Fachliteratur und der ständigen Rechtsprechung sehr schwer zu begründen erscheint.

Hatespeech bei Facebook

Thomas Stadler hat in einem Lesenswerten Blogartikel die Löschpraxis von Hasskommentaren aus rechtlicher Sicht analysiert. Anlass war ein Artikel auf mobilegeeks, die durch interne Quellen nähere Details zum Löschverfahren bei Facebook öffentlich machen konnten: Wird in Deutschland ein Facebook-Kommentar als Hatespech gekennzeichnet, so wird die manuelle Überprüfung im Auftrag von Facebook von der Arvato AG, einer Bertelsmann-Tochter vorgenommen. Die 600 Mitarbeiter der Arvator AG überprüfen die Kommentare dann anhand eines Kriterien-Katalogs von Facebook. Stadler kritisiert zurecht, dass hier ein Parallelrecht etabliert wird. Die Rechtsdurchsetzung wird nicht mehr von staatlichen Stellen nach rechtlichen Kriterien tatsächlich vorgenommen. Den Entscheidungen fehlt jegliche Legitimität auf Basis der demokratisch legitimierten Rechtsordnung. Zumal die Facebook-Richtlinien mit juristisch nicht definierten Begriffen wie Hatespeech arbeiten. Nicht alles, was Facebook-Nutzer als Hatespeech wahrnehmen, ist jedoch auch rechtswidrig. Diese  Tendenz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit ohne formalrechtliche Grundlage ist bedenklich.

Urheberrecht

Filesharing: Voreingestellte Passwörter können ausreichen

Wird von einem Internetanschluss aus ein Filesharing-Vergehen begangen, so erklären die Anschlussinhaber häufig, ihr W-Lan-Router sei gehackt worden, und ein unberechtigter Dritter habe die Urheberrechtsverletzung begangen. Häufiges Gegenargument: Das betreffende W-Lan war nicht hinreichend abgesichert, der Anschlussinhaber habe seine Sicherungspflicht nicht erfüllt und sei demnach trotzdem für den Rechtsverstoß haftbar.

In dieser Situation streiten Juristen und Gerichte häufig darum, wann genau ein W-Lan-Netzwerk hinreichend abgesichert ist. Im Grundsatzurteil Sommer unseres Lebens, hatte der BGH entschieden, dass ein einfaches Passwort des Routers von Werk aus nicht ausreicht. Nun veröffentlichte der BGH eine Pressemeldung zu einem neuen Urteil.

Nach der Pressemeldung hat der BGH entschieden, dass Werkspasswörter doch eine hinreichende Sicherheitsmaßnahme sein können. Und zwar dann, wenn der Hersteller nicht für alle Router einer Serie das gleiche Passwort vergibt, sondern für jedes Gerät ein individuelles.

Stephan Dirks hat in seinem Blog zurecht darauf hingewiesen, dass die genaue Urteilsbegründung noch nicht im Volltext vorliegt, und Pressemeldungen grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen sind. Thomas Stadler gab ebenfalls mit Recht zu bedenken, dass dieser Sachverhalt in einem Rechtsstreit überhaupt nur dann Relevanz hat, wenn ein Hackerangriff überhaupt ernsthaft und konkret in Betracht kommt. In der Tendenz ist das Urteil begrüßenswert. Nichtsdestotrotz ist jedem Internet-Nutzer zu raten, sein W-Lan-Passwort zu individualisieren.

Filesharing Urteile

Ich berichte in den letzten Wochen häufig über einzelne Filesharing Fälle. Das ist deswegen von Relevanz, weil sich nach einem Grundsatzurteil des BGH vor einigen Wochen, eine Änderung in der Rechtsprechungslinie heraus kristallisiert, die ich zu dokumentieren versuche. Nun hat auch das AG Hannover sich der Tendenz der letzten Wochen angeschlossen: In einem Urteil entschied es, dass bei Familienanschlüssen keine hinreichende Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht, wenn mehrere Personen Zugriff auf den Router hatten.

Bundesverfassungsgericht sieht Rechte von Suchmaschinen

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sieht vor, dass Suchmaschinen wie Google für die Nutzung kleiner Snippets in ihren Suchergebnissen Gebühren an Presse- und Medienverlage zahlen müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu diesem Sachverhalt nun geäußert, und dabei in einer Urteilsbegründung fest gestellt, dass Suchmaschinen eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllen, und damit auch bestimmte Interessen und Rechte verbunden sind. Konkret müssen Suchmaschinen dazu in der Lage sein Textausschnitte zu verwenden, um Usern das Auffinden von Informationen möglich zu machen. Gerichte müssten dieses Interesse berücksichtigen, wenn sie Urteile fällen. Insbesondere bei der Beurteilung von Begriffen wie Presseerzeugnisses und kleinster Textausschnitt sollen Gerichte die Interessenlage im Hinterkopf behalten.

E-Commerce

Black Friday Abmahnungen

Am Freitag war der berüchtigte Black Friday, der letzte Freitag im November und der Tag nach dem amerikanischen Thanksgiving. An diesem Tag locken in den USA Vertreter des Einzelhandels traditionell mit Sonderangeboten, und eilen von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord. Auch in Deutschland ist die Werbung mit Black Friday-Angeboten mittlerweile angekommen. Doch von der rechtlichen Seite droht Ungemach. Ein Unternehmen aus Hong Kong hat sich den Begriff Black Friday 2013 als Marke eintragen lassen, und verschickt nun Abmahnungen an Händler, die mit dem Begriff werben.

Rechtsanwalt Thomas Stadler vermutete in seinem Blog mit Blick auf das Warensortiment der Firma, dass die Markeneintragung von vornherein mit Blick auf das Abmahn-Geschäft vorgenommen wurde. Sollten Gerichte dem zustimmen, sind die Abmahnungen der Super Union Holdings Ltd haltlos. Denn wenn Abmahn-Gewinne in keinem Verhältnis mehr zur eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens stehen, entscheiden Gerichte regelmäßig gegen den Abmahnenden.

Korrekte Versandkosten bei Ebay

Wer Waren bei der Online-Plattform Ebay gewerblich verkauft, muss zahlreiche rechtliche Details beachten, um keine unerwünschte Abmahnung im Briefkasten vorzufinden. In einem sehr guten Artikel hat die IT-Rechts-Kanzlei nun auf eines der Risiken hingewiesen: Wer den Versand in ein bestimmtes Gebiet anbiete, der müsse auch die Höhe der konkreten Versandkosten angeben. Die Länder, für die Händler einen Versand anbieten, können sie im Backend von Ebay einstellen.

Alternative Streitbeilegung: Neue Regelungen 2017

Einführungsartikel, Urteile, Pressemeldungen, panische Diskussionen in Foren und Facebook-Gruppen und Änderung über Änderung. Kaum ein Thema hat Online-Händler und Portalbetreiber je so in Aufruhr versetzt, wie die Einführung der alternativen Streitbeilegung dieses Jahr. Die Regelung sorgt nach wie vor für viel Panik und Unverständnis bei Händlern und Internetnutzern. 2017 wird sich nun noch einmal einiges ändern. Was genau hat die IT-Rechts-Kanzlei in einem Überblick zusammen gestellt.

Leseempfehlung der Woche

Wie man hier und da in dem einen, oder anderen Artikel oder Vortrag von mir bemerken kann, störe ich mich sehr an der Rechtsauffassung und der (Un-)Rechtsdurchsetzungspolitik des Reiss Engelhorn Museums Mannheim. Erst überschüttete das Museum kleine Webseiten und Blogs mit Abmahnungen. Dann verklagte das Haus Wikipedia gleich mehrfach. Die (aus meiner Sicht lächerliche) Rechtsposition: Reproduktionsfotografien von Gemälden sollen selbst als Lichtbilder Schutz durch das Urheberrechtsgesetz genießen.

Irights hat sich jetzt abseits von der konkreten juristischen Frage mit der zugrunde liegenden gesellschaftspolitischen Debatte beschäftigt. Lesenswert.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 46

2 Millionen Raubkopien bei Razzien sicher gestellt. Bruno Kramm mit Klage gegen GEMA erfolgreich. EuGH schränkt Digitalisierung vergriffener Werke ein. Facebook darf Metadaten von Bildern nicht entfernen. Neue Abmahnungen wegen Creative Commons Bildern.

Urheberrecht

2 Millionen Raubkopien sichergestellt

Dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist in dieser Woche ein spektakulärer Schlag gegen gewerbsmäßige Raubkopierer gelungen. Bei Razzien im Raum Göppingen und Schwäbisch Hall sowie in Polen konnten circa 2 Millionen rechtswidrig kopierte Ton- und Filmträger sicher gestellt werden. Ein 60-jähriger Mann, soll der Hauptdrahtzieher der Unternehmung sein. Die kopierten CDs und DVDs waren über Internet, Mailorder und kleine Plattenläden wohl europaweit vertrieben worden.

Wer diese Meldung in der letzten Woche nun gehört hat, stellt sich vielleicht folgende Fragen:

1. Frage: Wer zum Henker hört im Jahre 2016 eigentlich noch CDs? Antwort: Eine ganze Menge Menschen. Der Marktanteil der physischen Tonträger am Musik-Markt beträgt immer noch 60%.

2. Frage: Was für Sanktionen drohen den mutmaßlichen Tätern? Urheberrechtlich geschützte Werke, wie Musik oder Filme ohne Erlaubnis des Rechteinhabers zu verwerten ist gemäß § 106 UrhG strafbar und kann mit bis zu 3 Jahren Haft geahndet werden. Passiert die Verwertung gewerblich (was in diesem Fall unzweifelhaft der Fall zu sein scheint) kommt nach §108a sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu 5 Jahren in Betracht. Hinzu kommen zivilrechtliche Ansprüche. Denn die Künstler, Plattenfirmen und Filmstudios können für den rechtswidrigen Vertrieb ihrer Kunstwerke Schadenersatz verlangen. Der wird in diesem Fall nach §97 UrhG an den Einkünften der Raubkopierer zu messen sein:

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden.[…]

3. Frage: Ich habe eine solche CD widerrechtlich gekauft. Habe ich rechtswidrig gehandelt? Wahrscheinlich nicht. Wenn zum Zeitpunkt des Kaufs nicht erkennbar war, dass es sich um eine Raubkopie handelt, ist der bloße Erwerb von Raubkopien nicht rechtswidrig. Vielmehr könnten Käufer der urheberrechtswidrig hergestellten CDs ihrerseits von den mutmaßlichen Hehlern Nacherfüllung ihres Kaufvertrags fordern. Denn die Käufer wollten ja eine Original-CD erwerben. Dass sie nun nur eine Raubkopie bekommen haben, stellt einen Mangel dar. Nach § 439 BGB ist der Verkäufer in diesem Fall verpflichtet den Mangel zu beseitigen, sprich entweder eine Original-CD für den Käufer zu besorgen oder den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Problematisch kann es für Käufer werden, wenn sie die CDs im Internet weiter verkaufen oder selbst Kopien der Datenträger anfertigen. Denn ersteres wäre eine rechtswidrige Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werks und letzteres eine Kopie einer offensichtlich rechtswidrigen Vorlage. Beides sind abmahnbare Urheberrechtsvergehen.

Auch GEMA darf keine Verlegeranteile auszahlen

Bruno Kramm, der Vorsitzender der Berliner Piratenpartei ist regelmäßigen Lesern dieses Blogs kein Unbekannter. Im April diesen Jahres hatte ich über einen Auftritt Kramms vor der türkischen Botschaft berichtet. Weil er dabei Auszüge aus dem umstrittenen Schmähgedicht von Jan Böhmermann zitierte, wurde er in seiner Rede unterbrochen und von der Polizei in Gewahrsam genommen. Ein für mich bis heute eindeutig rechtswidriges Vorgehen der Polizei:

Nun machte Kramm in seinem eigentlichen Hauptberuf, nämlich als Musiker von sich Reden. Ebenfalls im April hatte der BGH nämlich gegen die Verwertungsgesellschaft VGWort entschieden, dass die Einkünfte aus der Kopiervergütung ausschließlich an die Autoren auszubezahlen seien. Nach der vorherigen Praxis der VGWort waren diese Gelder, die die Verwertungsgesellschaft einzieht, zu gleichen Teilen an Autoren und Verlage verteilt worden:

Ähnlich wie die VGWort regelte die GEMA die Vergabe von Geldern. Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft der Komponisten und Liedtexter. Sie zieht Gebühren zB. von Radiosendern, Club-Betreibern etc. für das Senden und Abspielen von Musik ein, und bezahlt diese dann an die Rechteinhaber aus. Wie die VGWort bezahlte sie jedoch auch einen großen Anteil der Gelder an die entsprechenden Plattenfirmen.

Was bei Autoren und Verlagen rechtswidrig ist, kann bei Musikern und Plattenfirmen nicht rechtens sein, dachte sich Kramm und klagte vor dem Berliner Kammergericht. Das Gericht gab ihm Recht. Sowohl die Einkünfte aus den mechanischen Rechten an Musikwerken als auch an den Aufführungs- und Senderrechten stehen ausschließlich den Urhebern dieser Werke zu.

Das Urteil wird nicht nur Auswirkungen für die konkrete Verteilung der Gelder haben, sondern auch Fragen über die Zusammensetzung der GEMA-Gremien aufwerfen. Momentan haben die Verleger einen großen Einfluss innerhalb der Institution.

Kommentare:

Markus Kompa (Bruno Kramms Anwalt)

FAZ

GEMA-Urteil: Die Künstler haben die Macht

EuGH erschwert Digitalisierung vergriffener Werke

Was geschieht mit Werken, die nicht mehr im offiziellen Handel erhältlich sind? Das ist eine Frage, der sich die Kulturpolitik immer wieder stellen muss. Insbesondere seit durch die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung Werke mit wenig Ressourcenaufwand dauerhaft einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden könnten. Doch was technisch machbar ist, ist noch lange nicht rechtlich erlaubt. Im Falle von Kunstwerken müssen die Urheberrechte der Künstler berücksichtigt werden, weswegen deren Erlaubnis für die Digitalisierung eingeholt werden muss. Keine leichte Aufgabe, denn bei der großen Menge an vergriffenen (und teilweise auch verwaisten) Werken, ist es schwierig bis unmöglich jeden einzelnen Autor oder Künstler um seine Erlaubnis zu fragen.

In Staaten wie Norwegen greift man deswegen auf Extended Collective Licensing zurück. Das bedeutet: Verwertungsgesellschaften dürfen im Namen aller Rechteinhaber eines Bereichs Verträge abschließen und Rechte einräumen, auch im Namen von Rechteinhabern, die gar nicht in der Verwertungsgesellschaft organisiert sind. Das ist unter anderem Rechtsgrundlage für das Mammutprojekt alle norwegischen Bücher zu digitalisieren.

Auch in Frankreich versuchte die Verwertungsgesellschaft Sofia besseren Zugriff zu vergriffenen Werken zu schaffen. Beauftragt durch eine offizielles Dekret digitalisierte die Verwertungsgesellschaft solche Werke und zahlte im Gegenzug den Urhebern eine Pauschale aus. Wollte ein Autor nicht, dass seine Werke weiterhin veröffentlicht werden, so konnte er innerhalb von 6 Monaten gegen die Veröffentlichung Einspruch einlegen.

Diese Regelung ist rechtswidrig, wie nun der EuGH entschied. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Autor der Verwertung seiner Werke zustimme, nur weil er dieser nicht widersprochen habe. Es gebe zwar ein Interesse der Öffentlichkeit Zugriff zu vergriffenen Werken zu bekommen. Die bisherigen Gesetze sehen eine Ausnahme vom Urheberrecht für solche Fälle jedoch schlicht nicht vor.

Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf entsprechende Projekte in Deutschland. Das Europäische Parlament sollte dringend neue gesetzliche Regelungen zur Frage verabschieden. Denn die Rechts-Realiät, die der EuGH hier festgestellt hat, hat eigentlich fast nur Verlierer.

Abmahnungen wegen Creative Commons Lizenzen

Wer einen meiner Blogs, meinen Youtube-Kanal oder meine Tätigkeit bei gutefrage.net verfolgt, dem wird aufgefallen sein, dass ich ein riesiger Fan von Creative Commons Lizenzen bin. Die freien Lizenzen, die der amerikanische Professor Lawrence Lessig geschaffen hat, erlauben es Kreativen ihre Werke kostenlos und Rechtssicher der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Ein Angebot, das viele Künstler gerne annehmen. Weltweit gibt es bereits mehr als 1 Milliarde Creative Commons Werke.

Die Lizenz hat jedoch auch ihre Risiken: Wer Creative Commons Werke verwendet, muss die Bedingungen der jeweiligen Creative Commons Lizenz erfüllen. Diese sind nicht immer leicht zu verstehen. Und so kommt es zu vielen Fehlern bei der Nutzung von Creative Commons Werken.

Leider gibt es mittlerweile viele Urheber (vor allem Fotografen), die sich mittels Creative Commons-Bildern bereichern wollen. Sie stellen Fotos unter Creative Commons Lizenz ins Internet, warten bis einzelne User die Bilder nutzen, ohne die Creative Commons Lizenz korrekt zu erfüllen, und mahnen dann ab.

Der hinlänglich bekannte Abmahn-Fotograf Thomas Wolf scheint nach einem aktuellen Bericht der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke nun sogar so dreist zu sein, dass er nicht einmal mehr eine Kanzlei mit Abmahnungen beauftragt, sondern selbst Rechnungen für die Nutzung per E-Mail verschickt. Die E-Mails scheinen standartisierte Texte zu enthalten, weshalb Betroffene erst einmal prüfen sollten, ob sie die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung überhaupt begangen haben.

Wer Creative Commons lizenzierte Inhalte nutzt, sollte immer genau auf die Einhaltung der Lizenzbedingungen achten.

Anleitung:

Recht bei Youtube: Creative Commons Lizenzen

Facebook muss Metadaten an Bildern beibehalten

Digitale Bilder enthalten so genannte Metadaten. Das sind Informationen zum Aufnahmeort, zur Geräteeinstellung des Fotoapparates oder zu rechtlichen Fragen. Sie werden entweder schon bei der Aufnahme automatisch durch das Aufnahmegerät in die Datei geschrieben, oder im Nachhinein durch entsprechende Tools ergänzt.

Wenn Plattformen oder Soziale Netzwerke Bilder anboten, so wurden diese Metadaten zumeist dabei entfernt. Das rief großen Unmut zum Beispiel bei Berufsfotografen hervor. Denn mittels der Metadaten konnten sie zum Beispiel die Urheberschaft an ihren Fotos nachweisen.

In einem Urteil des LG Hamburg vom 9. Februar, das nun rechtskräftig wurde, gaben die hanseatischen Richter den Fotografen in einer Klage gegen Facebook Recht. Unter anderem hatte sich der Fotografenverband Freelens auf §95 c UrhG berufen, nach dem zur Rechtewahrnehmung erforderlichen Informationen nicht vom Werk entfernt werden dürfen. Wie Facebook nun auf das Urteil reagieren wird, ist noch unklar.

Wettbewerbsrecht

Ist vergleichende Werbung verboten?

Die eigenen Waren und Dienstleistungen, so eine verbreitete Meinung, darf in der Werbung nicht mit den Angeboten von Konkurrenten verglichen werden. So einfach ist es jedoch nicht, wie nun das OLG Frankfurt erneut bestätigte. Im vorliegenden Fall hatte ein Kosmetik-Hersteller geklagt, weil ein Konkurrent mit folgendem Slogan geworben hatte:

„X-Skin Care-System“ – die neue Aloe Vera Systempflege bietet eine funktionelle gleichwertige und preiswerte Alternative zu der Pflegeserie „Aloe Vera System I von Y“

Unzulässig? Grundsätzlich nicht , entschied das OLG Frankfurt. Denn vergleichende Werbung ist dann erlaubt, wenn die Produkte tatsächlich vergleichbar sind und die Werbeaussagen belegt werden können. Im vorliegenden Fall war die Werbung jedoch trotzdem rechtswidrig, weil die grafische Anordnung der Produkte irreführend gewesen sei.

Vergleichende Werbung ist also nicht grundsätzlich verboten. Wer eine vergleichende Werbemaßnahme plant, sollte jedoch einen auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Fachanwalt zu rate ziehen.

Datenschutz

Knöllchen Horst und die Dashcam

Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte einen kuriosen Fall zu entscheiden. Im Mittelpunkt: Ein geschätzter Mitbürger, dem die Medien den Künstlernamen Knöllchen Horst verliehen haben. Knöllchen Horst hatte an seinem Auto eine Kamera befestigt, mit der er regelmäßig den Straßenverkehr überwachte. Falschparker und andere Verkehrssünder, die er dabei entdeckte, meldete er an die zuständigen Behörden und lieferte durch das Videomaterial gleich die Beweismittel mit.

An Knöllchen Horsts Überwachung störten sich nun nicht nur seine Mitbürger sondern auch der niedersächsische Datenschutzbeauftragte. Er verfügte, dass Knöllchen Horst seine Überwachungstätigkeit einzustellen habe. Dagegen wehrte sich der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht Göttingen. Vergeblich.

Indem er seine Mitbürger und Verkehrsteilnehmer mit der Dashcam aufnahm, sammelte Knöllchen Horst nämlich laut Urteilsbegründung des Göttinger Gerichts Personenbezogene Daten. Nach dem §1 des Bundesdatenschutzgesetzes ist dies lediglich für persönliche oder familiäre Zwecke zulässig. Die Beobachtung von Verkehrsteilnehmern sah das Gericht hiervon nicht gedeckt. Insofern durfte Knöllchen Horst die Aufnahmen nicht machen. Es sei denn er hätte von jedem einzelnen Falschparker eine Erlaubnis für die Erhebung seiner Daten eingeholt und ihn dabei belehrt  zu welchem Zweck die Daten erhoben werden.

Ob die Übergabe der Filmaufnahmen an die Polizei in diesem Falle als Auftragsdatenverarbeitung zu bewerten wäre, müsste ein Gericht gesondert entscheiden…

Sonstiges

Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz bleibt zulässig

In der Schweiz hatten Bürgerrechtler gegen die Vorratsdatenspeichrung geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte die klage nun ab. Die Grundrechte der Bevölkerung seien nicht in unzulässigem Maße eingeschränkt. Die Erfassung der Kommunikationsdaten diene der Strafverfolgung und liege deshalb im öffentlichen Interesse.

Lese/Hör-Empfehlungen

Aus der Rechts-Blogosphäre habe ich in dieser Woche gleich drei Empfehlungen. 2 Podcasts und einen Blog-Artikel.

Zunächst hat die Heise-Show sich in einem 40-minütigen Podcast damit beschäftigt, welche rechtlichen Regelungen für private Drohnen sinnvoll und notwendig sind.

Vor einigen Wochen hatte ich bereits angekündigt, dass die beiden größten deutschen Jura-Podcasts Rechtsbelehrung und Jurafunk eine gemeinsame Folge planen. Seit Donnerstag ist diese nun online. Das Thema ist passenderweise Recht für Podcaster.

Anlässlich der Podcast-Folge habe ich mir noch einmal den Blog von Jurafunk-Betreiber Stephan Dirks angeschaut und dort eine sehr ausführliche und verständliche Überblicksdarstellung über die Rechtsprechung des BGH zum Thema Filesharing gefunden. Wie mehrere Urteile in den letzten Wochen zeigen, scheint die Rechtsprechung wenigstens in Puncto „Haftung für Angehörige“ im Umdenken begriffen zu sein.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 45

EuGH stärkt E-Book-Verleih. Autoren sollen freiwillig auf Kopiervergütung verzichten. Facebook und Whatsapp stoppen Datenabgleich. Pacman-T-Shirts verletzen Markenrechte. EU-Wettbewerbshüter gehen gegen Google vor.

ein Kalender

ttreis / Pixabay

Neben dem Trump-Sieg und einer ziemlich üblen Erkältung eines gewissen Rechtsbloggers *schnief* sind diese Woche auch im Online-Recht ein paar wichtige Dinge passiert.

Urheberrecht

Julia Neigel verliert Klage um Urheberrecht

Erstellen mehrere Musiker gemeinsam ein Lied oder ein ganzes Album, so haben sie an diesem Werk ein gemeinschaftliches Urheberrecht. (UrhG §8) Die Vergütung, die aus diesem Urheberrecht erwächst muss zwischen den Musikern geteilt werden. Nicht selten kommt es im Musik-Geschäft deswegen zu Rechtskonflikten: Eine Band geht im Streit auseinander und nun zofft man sich um die Vergütung aus den gemeinsamen Songs.

Genau dies passierte auch Julia Neigel. In den Jahren 1988 bis 1998 veröffentlichte sie mit ihrer Band 8 Studio-Alben. Doch dann löste sich die Band auf und Neigel streitet seither vor Gericht darum, als einzige Urheberin der Musikstücke anerkannt zu werden. Die Anteile der anderen Band-Mitglieder am kreativen Kompositionsprozess seien gering bis nichtig gewesen.

Zu Unrecht, entschied nun das OLG Karlsruhe und bestätigte damit eine Entscheidung des LG Mannheim von 2012. In damaligen Abreden hatte Neigel sich mit ihren Bandmitgliedern geeinigt, wer welchen Anteil an der Komposition hatte. Diese Abreden hatten die Funktion eines Vergleiches, weil sie eben gerade dazu dienten Rechtsunsicherheiten zu verhindern, so das OLG.

Musiker aber auch Autoren, Blogger, Webdesigner, Grafiker oder Youtuber können aus diesem Urteil wichtige Lehren ziehen: Denn in digitalen Zeiten entsteht fast jedes Werk kooperativ durch die Arbeit mehrerer Kreativer. Kreativ-Arbeitende sollten  frühzeitig rechtlich klären, wer welche Rechte an einem Werk hat. Wie das Urteil aber ebenfalls zeigt: Urheber sollten bei Abschluss einer Vereinbarung genau prüfen, auf welche Rechte sie sich mit wem einigen. Sonst droht nach Jahrzehnten eine böse Überraschung.

Filesharing: Rechtsprechung verfestigt sich

Vor einigen Wochen hatte der BGH ein grundsätzliches Urteil zu Filesharing-Abmahnungen gefällt: Anschlussinhaber sind demnach lediglich verpflichtet andere Nutzer zu benennen, die den Urheberrechtsverstoß von ihrem Anschluss aus begangen haben könnten. Umfangreichere Nachforschungen darüber, wer den Verstoß tatsächlich begangen hat, sind nicht notwendig.

In den letzten Wochen hatte die Rechtsprechung noch unterschiedliche Tendenzen gezeigt. Während einige Gerichte gleich oder ähnlich argumentierten wie der BGH, blieben andere bei ihrer vorherigen Haltung. Mit dem LG Braunschweig hat nun ein Gericht erstmalig in seiner Urteilsbegründung explizit auf das BGH-Urteil Bezug genommen, und es zur Begründung der eigenen Rechtsprechung herangezogen. Dies ist umso ungewöhnlicher, da das BGH-Urteil noch gar nicht im Volltext veröffentlicht wurde. Das spricht dafür, dass sich die Entscheidung des BGH bald als ständige Rechtsprechung in weiteren deutschen Gerichten durchsetzen wird.

EuGH stärkt E-Book-Verleih in Bibliotheken

Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat Bibliotheken gestärkt, die E-Books verleihen. Grundsätzlich hat nach deutschem und europäischem Urheberrecht der Urheber eines Buchs das alleinige Recht zu bestimmen, ob ein Buch verliehen werden darf oder nicht. Nationalstaaten dürfen jedoch verfügen, dass Bibliotheken Bücher auch ohne ausdrückliche Erlaubnis des Autoren verleihen dürfen, wenn der Autor hierfür eine Vergütung erhält. Das alles gilt für gedruckte Bücher. Ob sich die Regelung auch auf E-Books erstreckte, war bisher unklar. Nach der Entscheidung des EuGH ist klar: Ja! Die Regelung erstreckt sich auch auf digitale Güter. Zumindest dann, wenn nur ein einziger Nutzer ein E-Book gleichzeitig ausleihen kann.

Kopiervergütung: Autoren sollen auf Rechte verzichten

Über das grundlegende BGH-Urteil über die VG-Wort und die Kopiervergütung hatte ich im April ausführlich berichtet:

Das Urteil hatte ich (wie im Video zu sehen) damals grundsätzlich begrüßt, jedoch prognostiziert, dass sich an der tatsächlichen Situation wenig ändern werde. Verlage würden sich in Zukunft die Rechte an der Kopiervergütung einfach von den Autoren vertraglich einräumen lassen.

Wie in dieser Woche bekannt wurde, ist genau das auch tatsächlich die Strategie der Verlage. In einem schreiben des Börsenverein des deutschen Buchhandels an seine Mitglieds-Verlage wird genau diese Strategie empfohlen. Erstaunlicherweise geht es dabei jedoch nicht, wie ich vermutet hatte, nur um zukünftige Autoren, sondern auch um die Forderungen bereits bestehender Verlags-Autoren. Auch diese Gelder wollen die Verlage einbehalten, wofür es jedoch seit des BGH-Urteils keinerlei Rechtsgrundlage mehr gibt. Die Verlage sollen nach dem Schreiben den Autoren gegenüber darauf verweisen, dass zukünftige Vorschüsse und Honorare gefährdet seien. Auch die Künstlersozialkasse werde unter Umständen kollabieren. Eine gewagte These. (Nicht dass die KSK zusammen brechen wird, sondern dass die fehlende Kopiervergütung dafür verantwortlich ist.) Die Verlage sind immerhin unabhängig von der Kopiervergütung dazu verpflichtet Beiträge an die KSK zu bezahlen.

Die Argumentation des Börsenvereins beschränkt sich bei näherer Betrachtung also auf: „Bitte verzichtet jetzt auf euer Geld, damit ihr das Geld vielleicht später bekommt.“ Ob diese Argumentation viele Autoren überzeugt ist fraglich.

Anders sieht es bei kleinen Verlagen aus. Diese könnten durch die fehlende Kopiervergütung tatsächlich in finanzielle Schieflage geraten und in ihre Existenz bedroht sein. Bei solchen Verlagen kann die Solidarität durch ihre Autoren durchaus angebracht sein.

Datenschutz

Whatsapp und Facebook stoppen Datenabgleich

Bereits Ende September hatte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Whatsapp und Facebook per Anordnung verboten ihre Datenbestände miteinander abzugleichen. Es fehle sowohl an einer wirksamen Einwilligung der Whatsapp-Nutzer als auch an einer gesetzlichen Grundlage für den Datenaustausch. In Deutschland gilt das Prinzip der Datensparsamkeit. Das bedeutet es dürfen stets nur so viele Daten gespeichert werden, wie für die Nutzung des betreffenden Dienstes notwendig ist. Inwiefern es für Whatsapp-Nutzer nötig ist, dass Facebook auf ihre Daten zugreifen kann, hat der Konzern bisher nicht schlüssig dargelegt.

Obwohl Facebook und Whatsapp sich gerichtlich gegen die Anordnung wehren, haben sie den Datenabgleich nun wohl eingestellt, bis absehbar ist, wie der Rechtssstreit sich entwickelt.

EU-Datenschutzgrundverordnung – Deutsche Unternehmen fühlen sich nicht vorbereitet

Dell hat in einer Studie 821 IT-Verantwortliche befragt, wie gut sie sich auf die Einführung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung vorbereitet sehen. Alle Befragten waren in ihren Unternehmen für den Umgang mit Kundendaten zuständig. Die Ergebnisse geben Grund zur Sorge: 80% kannten keine bis wenige Details der neuen Verordnung. 70% gingen davon aus, dass ihr Unternehmen die Vorgaben gegenwärtig noch nicht erfülle. Nur 46% der Befragten sahen sich auf die baldigen Änderungen gut vorbereitet. Und 97% hatten noch keinen konkreten Zeitplan geplant, in dem die Änderungen umgesetzt werden sollen. Unternehmen müssen die Verordnung bis 25. Mai 2018 umsetzen. In puncto Datenschutz haben deutsche Unternehmen wohl noch Nachholbedarf.

Alternativen zu Skype

Wer Kundengespräche über Skype führt, geht bestimmte rechtliche Risiken ein. Denn seit Snowdens NSA-Enthüllungen ist klar, dass der VoIP-Anbieter alles andere als abhörsicher ist. Zudem häufen sich seit der Übernahme von Skype durch Microsoft Medienberichte, nach denen Skype-Nachrichten nach auffälligen Inhalten durchsucht werden. Sollten private Kundendaten durch Sicherheitslücken an unberechtigte Dritte geraten, besteht deshalb die Gefahr in die Haftung zu geraten. Insbesondere gilt dies für Berufsgruppen, die auf Grund von §203 StGB zu besonders vertraulichem Umgang mit Kundeninformationen verpflichtet sind. Wer rechtlich auf Nummer sicher gehen will, sollte deshalb für vertrauliche Kundengespräche auf Alternative Kommunikationswege zurück greifen.

Markenrecht

Pacman-T-Shirts verletzen Markenrechte

Mit weitreichenden Massenabmahnungen geht der PAC-Man Entwickler Bandai Namco gegenwärtig gegen den Vertrieb von T-Shirts und anderen Merchandising-Artikeln bei Ebay vor. Die Firma verlangt Schadenersatz sowie Anwaltskosten in Höhe von 3.000 Euro und verlangt, dass alle Restbestände vernichtet werden.

Wie bei Abmahnungen üblich dürften die Forderungen sich nicht in jedem Fall in der genannten Höhe durchsetzen lassen. Die Forderung etwas höher als berechtigt anzusetzen, um Spielraum für Verhandlungen zu haben, ist eine gängige Praxis von Abmahnanwälten.

Die grundsätzliche rechtliche Argumentation von Bandai Namco wird jedoch vor jedem Gericht standhalten. Die Marke PAC MAN ist derartig bekannt, dass sie alleine durch Verkehrsgeltung schon markenrechtlichen Schutz genießen würde. Selbst wenn nicht jeder Nutzer durch eine Abfrage beim deutschen Patent und Markenamt innerhalb weniger Minuten feststellen könnte, dass PAC MAN seit Jahrzehnten als Marke eingetragen ist.

Intellectual Properties wie Marken- oder Urheberrechte werden in Zeiten des Internets im tatsächlichen täglichen Surfverhalten kaum mehr beachtet. In der Regel werden solche Rechtsverletzungen von den Rechteinhabern geduldet, weil sie keinen finanziellen Schaden verursachen und nur Kunden und Fans verprellen würden. Sobald Marken- oder Urheberrechte jedoch im gewerblichen Ausmaß verletzt werden, dürfen Nutzer nicht mehr auf die Nachsicht der Rechteinhaber hoffen.

Sind Vornamen als Marken geschützt?

In einem sehr guten Artikel hat diese Woche die IT-Rechts-Kanzlei das Problem von Vornamen als Marken behandelt. In einem prominenten Fall war der Versand- und Online-Händler Otto gegen einen Bekleidungshersteller vorgegangen, der eine Baseball-Kappe mit Namen Otto vertrieben hatte. Vor dem BGH bekam Otto (das Unternehmen, nicht die Kappe) Recht. Otto wurde hier als Markenname verwendet, weil er auch auf dem Etikett prominent angebracht wurde. Die Einzelheiten sind im Artikel erörtert.

Äußerungsrecht

Hass gegen Bundestagsabgeordnete

Verfahren wegen äußerungsrechtlichen Vergehen gegen Politiker häufen sich in den letzten Wochen und Monaten. Dieses Mal waren mehrere türkischstämmige Bundestagsabgeordnete bei Facebook schwer beleidigt worden. Anlass war die Armenien-Resolution des Bundestags vor einigen Monaten. Das Parlament hatte die türkischen Kriegsverbrechen an der armenischen Bevölkerung im ersten Weltkrieg offiziell als Völkermord bezeichnet. Im Anschluss daran wurden türkischstämmige Abgeordnete Opfer von zahlreichen Beleidigungen und sogar Morddrohungen in Sozialen Netzwerken. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte nun zwei Männer zur Zahlung von 600 bzw. 700 Euro. Der eine hatte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen als „Hure“, der andere den Grünen-Parteivorsitzenden Cem Özdemir als „Hurensohn“ bezeichnet.

Offenbar herrscht immer noch kein Verständnis dafür vor, dass auch Äußerungen in Sozialen Netzwerken deutschen Gesetzen unterliegen. Aus diesem Grund ist mit zahlreichen weiteren Verfahren wegen Beleidigung, Verleumdung oder Morddrohungen in Sozialen Netzen zu rechnen.

Sonstiges

Gesellschaft für Freiheitsrechte gegründet

In Berlin hat sich die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ gegründet. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die tagtägliche Gesetzgebung der Parlamente auf Verfassungswidrigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen oder zu unterstützen. Gründungs-Vorsitzender ist Ulf Buermeyer, Netzpolitiker und Richter am Landgericht Berlin.

Der Verein hat den Anspruch parteipolitisch neutral zu bleiben. Personen aus dem Umkreis von SPD, Grünen, Linken und FDP unterstützen den Verein bisher. CDU und AfD scheinen nicht vertreten.

Vereine wie der GFF sind extrem wichtig, weil auch offensichtlich verfassungswidrige Gesetze zunächst Bestand haben, sofern Niemand sie von den entsprechenden Gerichten überprüfen lässt.

Google versteht die Welt nicht mehr

Bereits im April hatte die EU-Wettbewerbskommision ein Verfahren gegen Android eröffnet. Der Vorwurf: Android nutze seine Marktmacht, um eigene Apps wettbewerbswidrig zu fördern. Wer ein Android-Handy kauft, der hat in der Regel bereits eine Reihe von Google-Apps vorinstalliert.

Google weist in einem Blogpost nun alle Vorwürfe als haltlos zurück. Hauptargument: Andere Hersteller wie Microsoft und Apple würden bei ihren Systemen nicht anders verfahren.

Aus meiner Sicht ist die einzige Frage, weshalb die EU-Kommission gegen den Suchmaschinen-Monopolisten aus Mountain-View nicht viel früher und viel intensiver vorgegangen ist. In Europa hat die Google-Websuche immerhin einen Markanteil von über 90%. Android als Smartphone-Betriebssystem hat ebenfalls um die 90% Marktanteil. Und der Chrome-Browser hat mit 2 Milliarden Installationen weltweit einen Anteil von 55%. Wer eine absolut Markt-beherrschende Stellung in so vielen miteinander verknüpften Märkten hat, sollte eigentlich größere kartellrechtliche Verfahren zu befürchten haben, als Google dies in den vergangenen Jahren hatte.

Kuriositäten

Gilt Panoramafreiheit auch für Schiffe?

Für die meisten Internet-Nutzer ist es eine große Überraschung: Doch Werke dürfen nicht ohne Weiteres abfotografiert und veröffentlicht werden. Schon wer mit seinem Partner in ein Restaurant geht und dort die künstlerisch gestaltete Innenausstattung, das Design der Speisekarte oder selbst den Schmuck der Partnerin fotografiert und auf Facebook oder Instagram veröffentlicht, begeht eventuell eine Urheberrechtsverletzung.

Glücklicherweise hat das Urheberrecht bestimmte Schranken. So dürfen zum Beispiel dauerhaft in der Öffentlichkeit angebrachte Kunstwerke nach §59 UrhG abgelichtet und veröffentlicht werden. Dieses Gesetz ist dringend notwendig. Gebäude zum Beispiel können durchaus als Werke im urheberrechtlichen Sinne gelten. Und die Detail-Unterscheidung kann in der Regel nur ein Anwalt verlässlich treffen. Insofern dürfte keine Fotografie, auf der ein Gebäude zu sehen ist, mehr veröffentlicht werden, ohne dass ein Anwalt sie rechtlich prüft, oder der betreffende Architekt kontaktiert würde. Das wäre das Ende jeglicher journalistischer Bildberichterstattung.

Artikel 59 UrhG erlaubt es nun Werke abzubilden,

die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden,

Doch was ist, wenn das betreffende Kunstwerk nicht an einer Straße, einem Weg oder einem Platz angebracht wurde, sondern an einem Schiff?

Mit dieser Frage musste das OLG Köln sich nun beschäftigen. Konkret ging s um den Kussmund des bekannten Kreuzfahrtschiffs AIDAbella. Die Grafik war an der Schiffsseite deutlich zu sehen. Ein Fotograf hatte sie fotografiert und veröffentlicht. Nun klagte der Kreuzfahrt-Veranstalter.

Die entscheidende Frage, die das OLG Köln zu klären hatte: Ist eine Schiffsaußenwand als „Weg, Straße oder Platz“ gemäß §59 UrhG zu betrachten. Und ist eine Grafik an der Außenseite eines Schiffs „bleibend“, obwohl das Schiff selbst sich bewegt.

Ja, ist es, entschied das OLG Köln. Denn bleibend bedeute nicht notwendig ortsfest. Werde ein Kunstwerk zu Werbezwecken auf einem Fahrzeug angebracht, so müsse der Künstler damit rechnen, dass es im öffentlichen Raum wahrgenommen und auch abgelichtet wird. Alles andere würde die Freiheit öffentlich zu fotografieren weitgehend einschränken.

 

 

Wochenrückblick: Internet- und Medienrecht KW 44

GEMA und Youtube einigen sich auf Vergütung. LG Köln sieht Urheberrechtsverletzung wegen Witz. Fristlose Kündigung wegen Facebook-Hasskommentar war zulässig. Filesharing-Lizenzschäden verjähren erst nach 10 Jahren.  Blogger haftet nicht für zitierte Äußerungen. Bundesrat will leichter lesbare AGB. Filtersysteme privatisieren die Rechtsdurchsetzung.

Urheberrecht

Youtube einigt sich mit GEMA

Der Paukenschlag in dieser Woche kam am Feiertag. Nach 7 Jahren Rechtsstreit einigten sich Youtube und GEMA auf gemeinsame Vergütungsregeln. Worum es im Rechtsstreit genau ging, und was Youtuber bei der Musik-Nutzung jetzt beachten sollten, habe ich hier zusammen gefasst. Der zugrunde liegende Rechtsstreit ist durch die Einigung übrigens mitnichten geklärt. Die offene Frage bleibt: Wer veröffentlicht eigentlich die Videos bei Youtube. Sind es die einzelnen Youtuber oder Youtube selbst? Die Frage muss nun ungeklärt bleiben, wie auch irights feststellt. Mittlerweile gibt es Vermutungen in Medienberichten, warum Youtube auf den Deal eingegangen ist, obwohl sich in der Rechtsprechung zuletzt Erfolge für Youtube abzeichneten. Youtube möchte wohl seinen neuen Dienst Youtube Red schnellstmöglich in Deutschland an den Markt bringen und ist dafür auf Kooperation mit der GEMA angewiesen.

Eine ausführliche Bewertung der Einigung liefert Julia Reda im Interview mit Deutschland-Funk.

Lizenzschäden bei Filesharing verjähren nach 10 Jahren

Wer wegen einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing abgemahnt wird, muss dem Urheber oder Rechteinhaber den Lizenzschaden bezahlen. (§97a UrhG) Wenn der Abgemahnte die Musik oder die Filme legal erworben hätte, hätte er diese ja bezahlen müssen. Dieses Geld, dass er sich durch das Filesharing erspart hat, steht nun dem Rechteinhaber zu. Unklar war bisher, wie lange es dauert, bis solche Lizenzansprüche verjähren. Bisher waren Rechtsanwälte von 3 Jahren ausgegangen. Nach einem Urteil des BGH vom 12 Mai diesen Jahres, ist diese Frist nun auf 10 Jahre verlängert worden. Für die Rechtsanwaltskosten, also die Kosten für die Erstellung der Abmahnung, die der Abgemahnte ebenfalls zu tragen hat, bleibt die Verjährungsfrist jedoch bei 3 Jahren.

LG Köln verbietet einen Witz

Das Kölner Landgericht hat am vierten Oktober eine einstweilige Verfügung erlassen und dem Kabarettisten Florian Schröder untersagt einen Witz öffentlich wiederzugeben. Der Grund: Der Komödiant habe den Witz aus einer Karikatur der beiden Zeichner Elias Hauck und Dominik Bauer entnommen. Diese machen nun Urheberrechte an dem Witz geltend.

Die Entscheidung ist mehr als merkwürdig. Wie sowohl Markus Kompa als auch Thomas Stadler in ihren Beiträgen fest stellten, ist die Pointe eines Witzes als „Idee“ eigentlich nicht urheberrechtlich schutzfähig. Lediglich das „Sprachwerk“ also der komplett ausformulierte Witz kann urheberrechtlich geschützt sein. Erzählt man einen Witz mit anderen Formulierungen nach, so verletzt man keine Urheberrechte.

Hoffentlich wird es zu einem Berufungsverfahren kommen, damit der Sachverhalt vor einem höheren Gericht geklärt werden kann. Wo kommen wir denn hin, wenn niemand mehr Witze weiter erzählen darf.

Datenschutz

Google ändert Datenschutzbestimmung

Durch eine Änderung in den Datenschutzbestimmung ist Google befugt, die Tracking Daten aus dem DoubleClick Netzwerk mit den User-Daten der persönlichen Google-Accounts zu synchronisieren. Die Google-Tochter DoubleClick setzt überall im Netz Cookies in Browser, um deren Surf-Verhalten auszulesen und zielgerichtete Werbung auszuspielen. Durch die Verknüpfung können die Personen-bezogene Daten nun mit dem Browser-Surfverhalten verknüpft werden. Das erlaubt Google auch die Browser-Historien auf unterschiedlichen Geräten einem einzelnen Profil zuzuordnen.

Google-Nutzer wurden bei ihrem ersten Login nach der Änderung über die neue Datenschutzbedingungen informiert und mussten diesen zustimmen. Die Rechtmäßigkeit der neuen Datenschutzbestimmung ist aber dennoch umstritten.

E-Commerce

LG Bochum: neue Regelung Preisaktionen

Bereits im September kam es zu einem Urteil des Landgerichts Bochum: Es ging darin um beliebte Preisaktionen wie:

Unser tolles Produkt XXX jetzt für nur 18,99 €

(vorher 19,00 €)

Die Richter hatten zu entscheiden, wie lange nach der Preissenkung (Im Beispiel von 19,00€ auf 18,99€) ein Unternehmen mit einer solchen Aktion werben darf

Antwort: 3 Monate lang. Wer nach dieser Frist noch mit „vorher XXX“ wirbt, begeht eine Verletzung gegen das Wettbewerbsrecht.

OLG Hamburg: Umgehungsverbot gilt auch für Software

Ein weit verbreiteter Irrglaube über Gesetze und juristische Regelungen besagt, dass stets nur die wörtliche Formulierung Rechtskraft hat. Dass das nicht der Fall ist, bewies jetzt einmal mehr das Oberlandgericht Hamburg. Ein Mobilfunkanbieter hatte eine rechtswidrige Klausel in seinen AGBs, und verlangte Pauschalgebühren für die Bearbeitung von Rücklastschriften. Ein Gericht erklärte die Klausel für unwirksam und die Kunden mussten die Gebühren nicht bezahlen.

Wie reagierte das Unternehmen? Es programmierte die Hauseigene Rechnungssoftware ein, sodass die Pauschalgebühren auf Kunden-Rechnungen einfach auftauchten. So wollte das Unternehmen die gerichtliche Entscheidung umgehen. Wenig überraschend setzte das OLG Hamburg dieser Praxis nun ein Ende. Gemäß §306a BGB sind unzulässige Geschäftshandlungen auch dann verboten, wenn sie nicht durch tatsächliches Handeln und nicht durch Verträge etc. passieren. Egal was in den AGB steht.

Bundesrat fasst Entschließung: AGB sollen leichter lesbar werden

Auf Initiative des Landes Hessen hat der Bundesrat in seiner Sitzung am Freitag (4. Oktober 2016) eine Entschließung zu AGB gefasst. Ziel ist es AGB für den Endnutzer leichter verständlich und innerhalb einer Branche besser vergleichbar zu machen. So soll zukünftig vorgeschrieben sein, dass alle AGB-Texte in einer lesbaren Schriftgröße abgefasst sind und besonders relevante Punkte hervorgehoben werden.

Entschließungen des Bundesrats sind rechtlich nicht verbindlich. Sie sind nur Empfehlungen an die Bundesregierung, zu diesem Sachverhalt gesetzgeberisch Tätig zu werden.

Äußerungsrecht

Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen Facebook

Die Staatsanwaltschaft München I hat ein Verfahren gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowie leitende Facebook-Angestellt in Europa wegen Beihilfe zur Volksverhetzung eröffnet. Anlass für das Verfahren ist eine Strafanzeige des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun. Der Vorwurf: Facebook tue nicht genug, um gegen Äußerungen wie Mordaufrufe, Gewaltandrohungen und Holocaustleugnung auf der Plattform vorzugehen. Solche Beiträge sind nach deutschem Strafrecht verboten und können mit Haftstrafen geahndet werden.

Durch das Provider-Privileg (§10 TMG) haftet Facebok als Plattform nur dann für rechtswidrige Inhalte seiner User, wenn Facebook selbst Kenntnis von diesen Inhalten hat. Der Staatsanwaltschaft liegt jedoch scheinbar eine Liste von zahlreichen Fällen vor, in denen Facebook nicht auf die Meldung von rechtswidrigen Inhalten reagierte oder diese sogar in einer Standardformulierung für unbedenklich erklärte.

Ein ähnliches Verfahren, das ebenfalls auf die Initiative Chan-jo Juns zurück ging, wurde im März diesen Jahres eingestellt.

Die grundsätzliche Rechtsfrage, wie und in welchem Umfang Plattformen für die Äußerungen ihrer Nutzer verantwortlich sind, wird in den nächsten Jahren noch viele Gerichte beschäftigen.

OLG Frankfurt: Blogger haftet nicht für fremde Äußerungen

Journalisten und Blogger kommen nicht umhin zuweilen die Äußerungen Dritter zu zitieren. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Was passiert, wenn diese zitierten Äußerungen rechtswidrigen Inhalt haben? Wenn ein Journalist Beleidigungen, Mordaufrufe oder Volksverhetzungen zitiert: Haftet er dann für diese Vergehen?

Die grundsätzliche Antwort auf diese Frage lautet: Ein Journalist haftet dann für rechtswidrige Zitate, wenn er sich nicht ausreichend von ihnen distanziert hat. Diese Distanzierung kann ausdrücklich gemacht werden „Ich distanziere mich ausdrücklich von diesem Zitat.“ Sie ist aber auch gegeben, wenn durch den Text und den Gesamtzusammenhang klar wird, dass der Journalist die Meinung des Zitierten nicht teilt.

Und wann genau macht der Gesamtzusammenhang eine Distanzierung deutlich? Das ist eine schwierige Frage, die nur im Einzelfall geklärt werden kann. Gerade deshalb kommt es in solchen Fällen immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

So nun auch vor dem OLG Frankfurt: Ein Blogger sollte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, weil er unwahre Tatsachenbehauptungen eines Dritten als Zitate verbreitet hatte. Zu Unrecht, entschied das Gericht. Der Blogger habe lediglich den Meinungsstand dokumentationsartig gegenübergestellt. Zudem habe der Blogger die Aussagen nicht in die eigene Argumentation eingebunden und alle fraglichen Passagen mit “ “ als Zitate gekennzeichnet. Dem Leser wurde hier hinreichend klar, dass es sich um Fremde Meinungen handelte. Sich nochmals explizit von den Inhalten zu distanzieren war hier deshalb nicht notwendig.

Facebook Hass-Kommentar führt zur Kündigung

Das Arbeitsgericht Herne hatte einen Fall zu entscheiden. Ein Mann hatte einen Beitrag des Senders n-tv über einen Brand in einem Asylbewerberheim bei Facebook folgendermaßen kommentiert:

hoffe das alle verbrennen,,, die nicht gemeldet sind.

 

„alle raus und geht es gut.“

Sein Arbeitgeber, der sich für Flüchtlinge engagiert, hatte den Mitarbeiter daraufhin fristlos entlassen. Dieser wehrte sich vor Gericht gegen die Kündigung. Ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht Herne bewertete die Äußerungen als Volksverhetzung und damit als strafrechtlich relevant. Weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle im Facebook-Profil angegeben hatte, würden seine Äußerungen negativ auf den Arbeitgeber zurück fallen. Damit hatte der Mann seine Nebenpflichten als Arbeitnehmer verletzt. Der Arbeitgeber durfte auch ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung aussprechen.

Artikel-Empfehlungen

In dieser Woche gab es zwei bemerkenswerte Artikel zu Online-Rechtsthemen, die ich empfehlen möchte. Dr. Thomas Schwenke hat in seinem Blog eine ausführliche Anleitung zu Mailchimp und Datenschutz inklusive Checkliste und Mustererklärung veröffentlicht. Ein höchst nützlicher Text. Ich weiß von befreundeten Bloggern, PR-Workern und Online Marketern, dass in diesem Bereich viel Angst und Unwissenheit herrscht. Viele nutzen Mailchimp erst gar nicht, aus Angst gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen.

Meine zweite Empfehlung ist ein Artikel auf Netzpolitik, der den Vortrag von JBB-Anwalt Dr. Arne Koreng auf der Konferez: „Das ist Netzpolitik“ zusammen fasst. Thema sind abermals die Filtersystem, die die EU-Kommission in ihrem neuen Gesetzesentwurf für alle großen Plattformen vorschreiben möchte. Inhalte, die urheberrechtlich geschütztes Material enthalten, sollen durch diese Filter bei Facebook, Twitter, Flickr etc. gar nicht mehr hoch geladen werden können. Durch die Filtesysteme würden große Teile der Rechtsdurchsetzung de facto nicht mehr durch das Justizsystem sondern durch private Firmen vorgenommen. Eine sehr, sehr bedenkliche Tendenz..

 

GEMA und Youtube einigen sich – Was müssen Youtuber jetzt beachten?

Jubel und Begeisterung in allen Sozialen Netzwerken: Die GEMA und Youtube haben sich nach etlichen Jahren endlich auf eine Vergütung geeinigt. Videos mit GEMA-Musik werden nicht mehr länger automatisch gesperrt. Heißt das, dass Youtuber ab jetzt beliebig jede Musik verwenden können, die sie wollen? Nein! Nach wie vor gibt es urheberrechtlich viel zu beachten.

Warum wurden Videos überhaupt gesperrt?

Musikstücke sind urheberrechtlich geschützt. Wer Musik ohne Erlaubnis veröffentlicht begeht eine Urheberrechtsverletzung. Das gilt für Plattenfirmen und Radio genauso wie für Podcasts oder Youtube. Wer Musik veröffentlicht, braucht dafür die ausdrückliche Genehmigung aller beteiligten Künstler (Komponist, Liedtexter, Musiker). Und diese Genehmigung lassen sich Musiker natürlich bezahlen. Wurde Musik in Videos bei Youtube verwendet, so wurde bisher keine Genehmigung dafür eingeholt und auch keine Gebühren bezahlt. Das war das Problem.

Wer ist überhaupt die GEMA?

Die GEMA ist ein wirtschaftlicher Verein, in dem die meisten deutschen Komponisten, Textdichter und Verleger organisiert sind. Er vertritt die Rechte der Urheber. Wenn zB. ein Diskothek-Betreiber oder ein Radiosender Musik spielt, dann kann er die Gebühren für alle Lieder zentral an die GEMA entrichten, die die Gelder dann an ihre Mitglieder verteilt.

Was war die Frage im Rechtsstreit?

In Deutschland gibt es das so genannte Host-Provider Privileg. Es besagt, dass Internet-Dienste wie Twitter, Facebook etc. nicht dafür verantwortlich sind, was ihre Nutzer auf ihren Plattformen veröffentlichen. (TMG §10) Wenn also ein Nutzer etwas verbotenes auf Facebook postet, muss Facebook diesen Post erst löschen, wenn er bei Facebook gemeldet wird. Auf dieses Privileg hatte sich bis jetzt auch Youtube berufen.

Youtube sagte: „Wir sind nicht verantwortlich für die Videos auf unserer Plattform. Denn die Videos werden nicht von uns, sondern von unseren Nutzern hoch geladen. Deshalb müssen nicht wir die Gebühren für die Musik-Nutzung an die GEMA bezahlen. Die GEMA muss sich an unsere Nutzer wenden.“

Die GEMA sagte: „Youtube stellt nicht wie Facebook und Twitter nur eine Plattform zur Verfügung. Youtube schaltet vor den Videos Werbung und verdient an den Videos mit. Deshalb ist Youtube nicht nur ein bloßer Host-Provider sondern aktiv verantwortlich für die Inhalte der Videos. Youtube muss die Gebühren für die Musik-Nutzung bezahlen.“

Wer hat Recht?

Die Frage war rechtlich umstritten. Zuletzt gaben Gerichte aber eher Youtube Recht. Das könnte ein Grund für die Einigung sein.

Woher kamen die Sperrtafeln?

Youtube hat über die Youtube-Content-Id die Möglichkeit automatisiert Musik zu erkennen. Wenn die Content-Id Musik in einem Video wieder erkannt hat, das urheberrechtlich geschützt war, wurde das Video gesperrt. Youtube sperrte die Videos aus zwei Gründen: 1. Um seine Nutzer zu schützen: Wenn ein Youtube-Nutzer urheberrechtlich geschützte Musik in seinem Video verwendet, hätte die GEMA den Nutzer abmahnen können. 2. Um sich selbst zu schützen: Sobald Youtube von der Musiknutzung ohne Erlaubnis erfahren hat, waren sie rechtlich gezwungen dagegen vorzugehen.

Warum gab es in anderen Ländern keine Sperrtafeln?

In anderen Ländern hat Youtube sich mit ähnlichen Institutionen wie der GEMA über eine allgemeine Vergütung geeinigt. Auch mit der GEMA bestand bis 2009 ein Vertrag. Die Gebühren, die die GEMA verlangte, waren Youtube schlicht zu hoch. Man konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Preis einigen. Welche Beträge die GEMA genau forderte ist nicht öffentlich. Unstrittig verlangte sie jedoch sehr viel höhere Beträge als in anderen Ländern. GEMA-Vertreter Alexander Wolf: „Wir sehen, wie erschreckend niedrig die Einnahmen der Künstler in Ländern wie Großbritannien und Italien aus den Verträgen mit Youtube sind“

Was ist nun passiert?

Die GEMA und Youtube haben sich geeinigt, dass Youtube die Kosten für seine Nutzer übernimmt. Ob grundsätzlich die Nutzer oder Youtube dazu verpflichtet sind die GEMA-Gebühren für die Musik in Videos zu bezahlen, bleibt rechtlich ungeklärt.

Dürfen User nun jede Musik bei Youtube hoch laden?

Nein! Zunächst einmal gilt die Einigung nur für GEMA-Mitglieder. Musik von Musikern, die ihre Lieder nicht bei der GEMA gemeldet haben, dürfen weiterhin nicht in Videos verwendet werden. Zudem ist der Upload von Musik ohne Erlaubnis durch die GEMA nach wie vor eine Urheberrechtsverletzung. Die GEMA wird nur nicht mehr dagegen vorgehen, weil die resultierenden Gebühren ja gezahlt werden.

Schließlich bestehen an Musik nicht nur die Rechte der Urheber sondern auch die der Musik-Verlage (Plattenfirmen). Über die Content-ID können Rechteinhaber, deren Musik ungefragt genutzt wurde, also auch weiterhin Videos sperren. Sie könnten die entsprechenden Youtuber sogar abmahnen, was aber unüblich ist.

Warum nutzen überhaupt so viele Youtuber Musik in ihren Videos, obwohl das verboten ist?

Ich habe lange in Foren, Facebook-Gruppen und bei gutefrage.net Fragen zum Thema Urheberrecht beantwortet. Meiner Erfahrung nach ist der überwiegenden Mehrheit der Internet-Nutzer nicht klar, dass man Musik und Bilder nicht ohne Erlaubnis weiter veröffentlichen darf.

Wie kann ich herausfinden, ob ich ein Lied bei Youtube verwenden darf?

Mit letzter Sicherheit lässt sich das nicht herausfinden. Unter den Musik-Richtlinien bei Youtube kann jeder schauen, ob Musiktitel gegenwärtig von der Youtube-Content gesperrt werden. Youtube übernimmt aber keine Garantie für die Richtigkeit dieser Angaben, und schon gar nicht dafür, dass die Rechteinhaber ihre Einstellungen nicht ändern.

Darf ich Remixe von Musik-Liedern veröffentlichen?

Nein. Weil die Youtube-Content-Id Remixe manchmal nicht erkennt, hat sich der Irrglaube verfestigt, Remixe seien keine Urheberrechtsverletzungen. Ein Kunstwerk zu bearbeiten und danach zu veröffentlichen ist jedoch nach UrhG §23 verboten. Daran ändert sich auch durch den neuen GEMA-Youtube-Vertrag nichts.

Darf ich Cover-Versionen auf Youtube stellen?

Jaein. Die Verwertungsrechte, die die GEMA einräumt, schließen auch Cover-Versionen mit ein. Jedoch nur so lange die Lieder original-getreu gespielt werden. Wird ein Lied sehr stark verändert, so ist das wieder eine Bearbeitung nach §23 UrhG. Wer etwa einen Schlagersong als Heavy-Metal Version spielt, begeht mit Sicherheit eine Urheberrechtsverletzung. Gleiches gilt, wenn man den Text ändert.

Darf ich Songs mit einem Converter von Youtube herunter laden?

Wahrscheinlich ja. Juristen gingen bereits vor der Einigung von GEMA und Youtube davon aus, dass solche Downloads als Privatkopien nach §53 UrhG erlaubt waren. 100% sicher ist das noch nicht, weil es zu diesem Sachverhalt noch nie ein Gerichtsurteil gegeben hat. Die Einigung von GEMA und Youtube verbessert dennoch die Rechtslage für den Downloader. Denn eine Privatkopie kann verboten sein, wenn die Vorlage der Kopie (das youtube-Video) offensichtlich rechtswidrig ist. Was genau offensichtlich rechtswidrig bedeuten soll, war bisher unter Juristen durchaus umstritten. Nachdem die GEMA aber nun die Rechte für so viele bekannte Lieder einräumt, kann man mit gutem Rechte bezweifeln, ob es auf Youtube überhaupt noch offensichtlich rechtswidrige Musik gibt.

Ist die Einigung zu begrüßen?

Ja. Unzählige Internet-Nutzer können nun bei Youtube auf zahllose gesperrte Inhalte zugreifen. Youtuber deren Videos gesperrt wurden, verdienen nun wieder Geld durch Werbeeinnahmen. Und die von der GEMA vertretenen Künstler bekommen nun Geld aus den Gebühren und ihre Musik kann im Internet weiter verbreitet werden, was gut für ihre Bekanntheit und ihre Reputation ist. Die Einigung hat eigentlich nur Gewinner.

Die einzige Kehrseite: Mit den Youtube-Sperr-Tafeln wird das Urheberrecht jetzt aus der öffentlichen Debatte verschwinden, weil es für niemanden mehr konkret störend ist. Damit wird die grundlegende Debatten darüber, ob unser Urheberrecht noch zeitgemäß ist wieder zu einer Spezialisten-Diskussion. Dabei wäre eine öffentliche Debatte über Urheberrechts-Reformen (Abschaffung der GEMA-Vermutung, Recht auf Remix, Fair use Regelung, etc.) dringend notwendig.

 

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 43

Kritik am EU-Urheberrecht hält an. Webdesigner haften für Urheberrechtsverstöße. Weitere Urteile zu Filesharing. Irische Datenschützer klagen gegen EU-USA Vereinbarung. Angela Merkel ruft (unwissentlich) zu Urheberrechtsverletzungen auf.

EU-Urheberrecht

Die Kritik an Vorschlägen zur EU-Urheberrechtsreform reißt nicht ab. Im Zentrum der Kritik steht immer noch das hoch umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Nachrichten-Verlage sollen zukünftig daran verdienen, wenn andere Online-Dienste auf ihre Webseiten verlinken, und dabei kurze Snippets wie dieses hier anzeigen:

Europäisches Leistungsschutzrecht: „Das absehbare Chaos ist grenzenlos“

Im verlinkten Interview erläutert Dr. Till Kreutzer von Irights seine starken Bedenken gegen das Leistungsschutzrecht. Für Content-Anbieter aber auch für Verlage drohen riesige Rechtsunsicherheiten und bürokratische Hürdenläufe. Ob zB. die Darstellung von RSS-Feeds nach der Urheberrechtsreform noch erlaubt sei, könne momentan noch niemand sagen. Weil Leistungsschutzrechte nicht wie Urheberrechte eine kreative Mindestleistung erfordern, könnten Überschriften wie „Merkel trifft Putin“ zukünftig geschützt sein. Das würde bedeuten: Wenn eine Zeitung einmal so getitelt hat, darf 20 Jahre lang kein anderer Verlag diese Überschrift verwenden.

Sehr fraglich ist laut Dr. Kreutzer Günther Oettingers Statement, dass Privatnutzer bei Facebook oder Twitter nicht vom neuen Leistungsschutzrecht betroffen wären. Nach momentan geltendem Recht unterscheidet das Urheberrecht nicht zwischen privaten und gewerblichen Veröffentlichungen. Und im EU-Urheberrechtsentwurf steht auch nichts, was das ändern könnte. Als Oettinger in einem FAZ-Interview diese Position erstmals geäußert hatte, hatte ich bereits darauf hingewiesen. Oettingers Äußerungen im (leider nicht mehr zugänglichen) FAZ-Interview lassen leider nur einen Schluss zu: Der EU-Kommissar kennt die geltende Rechtslage nicht.

Im EU-Parlament formiert sich indes Partei-übergreifender Widerstand gegen das Leistungsschutzrecht. Die Bundesregierung evaluiert momentan, ob das Leistungsschutzrecht in Deutschland die gewünschte Wirkung erreicht hat. Der Fachausschuss „Ausschuss digitale Agenda“ hatte in einem Gutachten für die Bundesregierung bereits 2013 dafür plädiert das Gesetz wieder abzuschaffen.

Rückendeckung erhält Günther Oettinger überraschend durch ein erst jetzt veröffentlichtes Urteil des OLG München vom 14. Juli. Die Münchner Richter hatten zu entscheiden, ob ein News-Aggregator gegen das Urheberrecht einer Nachrichten-Seite verstoßen hatte, weil er Links zu dessen Artikeln gesetzt und dabei Snippets aus den Texten dargestellt hatte. Die Artikel waren durch eine Paywall geschützt. Entscheidung: Durch die Snippets habe der News-Aggregator die urheberrechtlich geschützten Inhalte öffentlich zugänglich gemacht und damit gegen das Urheberrecht verstoßen.

Sammlung von Artikeln zur EU-Urheberrechtsreform bei irgihts:

Urheberrechtsreform in Europa

Filesharing-Urteile

In den letzten Wochen hatten sich die Urteil zu Filesharing bereits gehäuft. Im Zentrum der Urteile stand die Frage: Wie ausführlich muss ein Anschlussinhaber in einem Filesharing verfahren nachweisen, dass auch eine andere Person die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte? Reicht es aus, eine andere Person mit Zugriff auf das WLAN zu benennen? Oder muss der Anschlussinhaber weiter gehende Belege erbringen?  Nach einer grundsätzlichen BGH-Entscheidung vor 4 Wochen und mehreren Urteilen auf Landes und Oberlandesgerichtsebene in der letzten Woche hatte ich geglaubt die Trendwende in der Rechtsprechung sei vollzogen.

In einem Urteil des LG Berlin vom 20. September ist jedoch wieder der gegenläufige Trend zu beobachten. Ein Familienvater war wegen Filesharing angeklagt und hatte sich darauf berufen, dass auch seine Frau und Kinder Zugriff auf den Internet-Anschluss hatten. Das Gericht entschied jedoch: Der Vater hätte das Router-Protokoll auslesen und die Browserverläufe seiner Angehörigen durchsuchen müssen. Zitat des Gerichts:

„Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle wäre besser – und notwendig gewesen.“

Das LG Berlin gilt in Urheberrechtsfragen als sehr konservativ. Dies stellt das Gericht erst kürzlich in seiner desaströsen Entscheidung im Fall Wikipedia vs. Reiss Engelhorn Museum erneut unter Beweis. Das Urteil zeigt, dass trotz des Grundsatzurteils des BGH noch immer keine ganz eindeutige Rechtsprechung besteht, und einzelne sehr konservative Gerichtshöfe anders entscheiden können.

Webdesigner haften für Rechtsverstöße

In einem Urteil hat das LG Bochum entschieden, dass ein Webdesigner für eine Urheberrechtsverletzung haftet. Die Kanzlei, für die er eine Website erstellt hatte, hatte eine Abmahnung erhalten, und verlangte von dem Webdesigner Regress. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Urteile, in denen Webdesigner für das Fehlverhalten ihrer Kunden haftbar gemacht wurden. Dieser Fall hier liegt anders: Der Webdesigner hatte selbst ein Foto auf der Website verwendet, für das er nicht die notwendigen Rechte eingeholt hatte. Dass das Gericht ihn dafür zur Verantwortung gezogen hat, kann niemanden überraschen.

Webdesigner-Haftung – Schadensersatz bei fehlerhafter Homepage-Erstellung

Impressum bei ebay

Die IT-Rechtskanzlei hat in einem Beitrag auf rechtliche Gefahren für Betreiber eines Ebay-Shops hingewiesen. Das standard-Impressum erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Wer bei Ebay Waren verkauft, sollte entsprechend nachbessern.

Datenschützer klagen gegen Abkommen

Nachdem der europäische Gerichtshof das Safe Harbour Abkommen zwischen der EU und den USA für verfassungswidrig erklärt hat, hatten EU und USA sofort begonnen über eine Nachfolgeregelung zu verhandeln. Seit 12. Juli ist der Vertrag nun beschlossene Sache. Der Vertrag regelt den Datenschutz bei Daten, die vom einen in den anderen Rechtsraum transferiert werden.

Der EuGH hatte Safe Harbour im Oktober 2015 gekippt. Hauptgrund war unter anderem: Die EU-Kommission überprüfe nicht, ob Datenschutzbestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden, nachdem die Daten in die USA übermittelt werden. Eine solche Überprüfung ist auch im neuen EU-US-Privacy-Shild nicht vorgesehen. Deswegen war lange erwartet worden, dass Datenschützer rechtlich gegen die Vereinbarung vorgehen würde. Diese Woche war es nun soweit: Irische Datenschützer haben beim Gericht der Europäischen Union (EuG) eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet.

Einwilligung erlischt nicht durch Zeitablauf

 

http://www.it-recht-kanzlei.de/einwilligung-werbung-e-mail-zeitablauf.html

Rundfunkbeitrag trotz religiöser Gründe

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so wie der Rundfunkbetrag. Die Gründe sind vielfältig: Viele Bürger haben das Gefühl, dass die Rundfunk-Gelder ineffizient verwaltet werde, und/oder finden es ungerecht, dass sie den Rundfunkbeitrag bezahlen müssen, obwohl sie gar keine öffentlich rechtlichen Programme nutzen.

Bei so viel politischem Unmut ist es kaum verwunderlich, dass auch auf juristischer Ebene viel unternommen wurde, um den Rundfunkbeitrag zu kippen. Ein sehr intelligentes rechtliches Argument war zum Beispiel: Der Rundfunkbeitrag sei kein Beitrag sondern tatsächlich eine Steuer. Er dürfe deswegen nicht erhoben werden, weil die zuständigen Behörden gar nicht dazu legitimiert sind Steuern einzutreiben. Dieser Argumentation erteilte das Bundesverfassungsgericht im März eines Absage.

Nun hatte sich ein Gegner des Rundfunkbeitrags etwas neues ausgedacht: Ein Pastor einer freikirchlichen Gemeinde weigerte sich den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Er werde dadurch gezwungen die Inhalte der öffentlich rechtlichen Medien zu finanziere. Diese widersprächen jedoch teilweise seinem religiösen Weltbild. Auf Grund der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit ( GG §4 Absatz 1) dürfe er deswegen nicht dazu gezwungen werden, den Beitrag zu entrichten.

Wenig überraschend wies das Verwaltungsgericht Neustadt die Klage ab. Wie schon der Übergeordnete Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz fest gestellt hatte, sei mit der Zahlung des Rundfunkbeitrags kein weltanschauliches Bekenntnis verbunden.

Keine Befreiung von Rundfunkbeitrag aus religiösen Gründen

Kanzlerin ruft zu Urheberrechtsverletzung auf

Nicht nur Günther Oettinger scheint die momentane Rechtslage im Urheberrecht Schwierigkeiten zu bereiten. Bei einer Partei-Veranstaltung der CDU Mecklenburg Vorpommern warb die Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, doch wieder öfter Weihnachtslieder zu singen:

Wie viel christliche Weihnachtslieder kennen wir denn noch und wie viel bringen wir denn unseren Kindern und Enkeln bei? Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann (…) mal bitten.

Wo ist das Problem? Ganz einfach. Was die Kanzlerin hier vorschlägt ist rechtswidrig: Noten haben im Urheberrecht nämlich einen gesonderten Status. Urheberrechtlich geschützte Noten dürfen nicht fotokopiert, sondern nur per Hand abgeschrieben werden. Das gilt selbst für private Nutzungen.

UrhG §53

(4) Die Vervielfältigung

a)
graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,

ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig[…]

Eine Ausnahme besteht für Lieder, deren Komponist und Liedtexter bereits länger als 70 Jahre verstorben sind. (Vorausgesetzt es handelt sich nicht um neue wissenschaftliche Auflagen der Noten). Die Kanzlerin hat nicht spezifiziert welche Weihnachtslieder die Bürger kopieren und singen sollen. Greifen sie etwa zu „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski, wäre das eine klare Urheberrechtsverletzung.

Wenn schon die Regierungschefin eines Landes das Urheberrecht nicht mehr versteht, sollte man vielleicht andenken, es zu reformieren. 😉

 

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 42

BND-Gesetz. EuGH schafft größeren Spielraum zum Tracking von IP-Adressen. Telefonnummer im Impressum bei Online-Shops nicht zwingend nötig. Wirtschaftsministerium will bei Störerhaftung nachbessern. EU-Kommission will Filterfunktionen für Content-Provider.

Es war eine ereignisreiche Woche im Medienrecht. Fangen wir an:

BND Gesetz

Das netzpolitische Hauptthema dieser Woche war das hoch umstrittene BND-Gesetz, das der Bundestag am Freitag (21.10.2016) verabschiedet hat.  Die Befugnisse des BND zur Überwachung von Internet-Kommunikation wurden darin erheblich erweitert. (Zum Gesetzesentwurf) Den genauen Inhalt des Gesetzesentwurfs haben die Kollegen von netzpolitik in diesem Video aufgearbeitet:

Wenig überraschend löste der Abschluss des Gesetzes nicht nur massive Proteste aus, sondern wird auch juristische Folgen haben: Die vormalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat angedroht gegen das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde anzustreben.

In der Tat drängt sich schon bei grober Lektüre des Gesetzesentwurfs die Vermutung auf, dass er gegen das Fernmeldegeheimnis und damit gegen das Grundgesetz verstoßen könnte:

Art 10

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Thomas Stadler hat in seinem Kommentar die größten Problem herausgearbeitet: Gemäß § 6 Abs. 4 BND-Gesetz soll der BND keine Kommunikation deutscher Staatsbürger überwachen:
(4) Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.
Bei der Überwachung von Datenknoten ist es dem BND aber technisch gar nicht möglich „deutsche“ Daten von „ausländischen“ Daten zu unterscheiden. Insofern verstößt der BND bereits gegen das BND-Gesetz.
Des Weiteren hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 entschieden, dass Geheimdienste auch dann gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen, wenn sie von deutschem Boden aus ausländischen Fernmeldeverkehr abhören.
Einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz werden deshalb gute Chancen eingeräumt.

EuGH erweitert Recht IP-Adressen zu speichern

Darf ein Website-Betreiber die IP-Adressen seiner User speichern und für zukünftige Seitenbesuche vorhalten? Um das zu beantworten ist entscheidend, ob IP-Adressen so genannte Personen bezogene Daten sind. Denn Personen bezogene Daten dürfen nur gespeichert werden, wenn der Users seine ausdrückliche Zustimmung gibt, und er  über die Verwendung der Daten genau unterrichtet wurde. Ob und wann IP-Adressen nun Personen bezogene Daten sind, war unter Internet-Rechtlern lange umstritten.
Der EuGH hat hierzu nun eine Grundsatzentscheidung gefällt. Die Antwort auf die Frage ist wie fast immer kein klares „Ja“ oder „Nein,“ sondern ein „Es kommt darauf an.“  IP-Adressen sind nur dann als Personen bezogene Daten zu bewerten, wenn der speichernde Diensteanbieter die Adresse dem konkreten User zuordnen kann. Weil Internetprovider diese Daten im Normalfall nicht an den Website-Betreiber herausgeben dürfen, ist das zunächst einmal nicht gegeben. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der User bestimmte Rechtsverstöße begeht. In diesem Fall gibt es gesetzliche Sonderregelungen, die es dem Website-Betreiber gestatten, den User hinter der IP-Adresse zu ermitteln. (im Urheberrecht zB. §101 UrhG )

Heißt das also paradoxerweise, dass IP-Adressen gerade dann nicht gespeichert werden dürfen, wenn der User Schaden anrichtet? Nein. Denn der EuGH hat gleichzeitig entschieden, dass §15 TMG des deutschen Telemediengesetzes europarechtswidrig ist.

Ein Website-Betreiber habe nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Online Angebot funktionsfähig bleibe. Und dieses berechtigte Interesse kann es rechtfertigen Personen bezogene Daten zu speichern. Es kann also notwendig sein IP-Adressen von Usern zu speichern, um Angriffe (wie etwa Bruteforce Attacken) von diesen Adressen aus zu verhindern.

Wann die Speicherung von IP-Adressen nun konkret gerechtfertigt ist, müssen nun niedere Gerichte im Detail klären.

Kommentar bei Thomas Stadler

EuGH entscheidet zum Personenbezug von IP-Adressen

Urteile zu Filesharing

In einem grundlegenden Urteil hatte der BGH bereits vor 2 Wochen Anschlussinhaber in Filesharing-Verfahren entscheidend gestärkt. In dieser Woche veröffentlichte die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke verschiedene Entscheidungen in Filesharing-Verfahren, die die Kanzlei betreut hatte. Bereits vor dem Urteil des BGH hatte auch das Amtsgericht Rostock in einem ähnlichen Fall gleich entschieden: Ein Anschlussinhaber ist nicht gezwungen im Detail nachzuweisen, wer einen Urheberrechtsverstoß über den Anschluss begangen hat. Es genügt andere Personen zu benennen, die ebenfalls den Anschluss genutzt haben könnten. Mit der gleichen Argumentation war die Kanzlei auch in einem Verfahren vor dem AG Stuttgart erfolgreich.

Das BGH Urteil und verschiedene Urteile niederer Gerichte zeigen also, dass sich die generelle Rechtsprechungslinie zum Filesharing zu ändern scheint. Wenn auch künftige Urteil bestätigen, dass der Anschlussinhaber lediglich eine Person mit Zugriff auf seinen Internet-Zugang benennen muss, könnte das das Geschäftsmodell von Massenabmahn-Anwälten grundsätzlich unrentabel machen.

In einem anderen Verfahren vor dem AG Köln konnte WBS ebenfalls einen Sieg davon tragen. Die klagende Partei hatte dem Mandanten der Kölner 11 Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen, konnte jedoch nur für einen einzigen Zeitpunkt einen Zugriff durch die IP-Adresse des Beklagten belegen. Nicht ausreichend! Das AG Köln wies die Klage ab. IP-Adressen-Ermittlungen haben eine Fehlerquote von bis zu 50%. Eine einzige Ermittlung der IP-Adresse begründe deswegen keinen hinreichenden Verdacht.

Ausweispflicht für Porno-Seiten

Großbritannien plant zur Sicherung des Jugendschutzes offenbar eine Ausweispflicht für den Zugang zu Pornoseiten. Um pornografische Inhalte abrufen zu können, soll ein User nachweisen, dass er älter als 18 Jahre ist. Wie das im Einzelfall genau überprüft werden soll, lässt der Gesetzesentwurf offen. Befürworter versicherten, dass lediglich das Alter und keine darüber hinaus gehenden persönlichen Daten verlangt werden sollen. Dennoch sehen Datenschützer den Entwurf kritisch.

Nachbesserung bei der Störerhaftung?

Gute Nachrichten gab es diese Woche überraschend aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Offenbar soll die missglückte Reform der Störerhaftung entscheiden nachgebessert werden. Um endlich die Betreiber freier WLANs vor Abmahnkanzleien zu schützen, hatte die große Koalition sich im Juni auf eine Gesetzesänderung verständigt. Diese viel jedoch enttäuschend aus. Denn die neue Rechtslage schützte WLAN-Betreiber zwar vor strafrechtlichen Folgen und vor Schadenersatzansprüchen, jedoch nicht vor dem Unterlassungsanspruch des Geschädigten. Dadurch waren Massenabmahnungen gegen WLAN-Betreiber jedoch weiter möglich. Genau das scheinen Netzpolitiker der Koalition nun ändern zu wollen.

Ich persönlich bleibe skeptisch, bis ein konkreter Gesetzestext vorliegt.

Muss die Telefonnummer ins Impressum?

Entgegen landläufiger Meinungen muss im Impressum eines gewöhnlichen Online-Angebots nicht zwingend eine Telefonnummer angegeben werden. Nach TMG §5 sind lediglich „Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen“ vorgeschrieben

Was genau unter einer unmittelbaren Kommunikation genau zu verstehen ist, ist im Einzelfall jedoch schwierig zu beurteilen. Nach einem EuGH Urteil von 2008 ist mindesten ein Kontaktformular zulässig. Ob etwa die Angabe einer Facebook-Seite als unmitelbare Kommunikation ausreicht ist noch unklar. Das KG Berlin wies in einem Urteil gegen Whatsapp in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass diese Frage noch nicht hinreichend geklärt ist.

Das alles gilt jedoch nur für reine Medienseiten. Anders sieht es bei Online Shops aus. Weil Kunden hier noch weiter gehende Anliegen haben können (zB. einen Umtausch von Waren) sind die Pflicht-Angaben für ECommerce-Angebote höher. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB ist hier die Telefonnummer vorgeschrieben:

Der Unternehmer ist, […] verpflichtet, dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung folgende Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen: […] sowie seine Telefonnumer, […]

Was ausdrücklich im Gesetzestext steht, muss doch Rechtslage sein. Oder? Nein, entschied das OLG Köln in einem Verfahren gegen den ECommerce-Riesen Amazon. Amazon stellt seinen Nutzern keine Telefonnummer sondern nur einen Rückruf-Service zur Verfügung. Nutzer können dort ihre Telefonnummer hinterlassen, und werden dann von Amazon-Mitarbeiern zurück gerufen. In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln diese Praxis als rechtens.

Rechtsartikel der Woche

Mein persönlicher Lieblingsartikel aus der Rechts-Blogosphäre war diese Woche ein Interview auf irights mit Doktor Ansgar Koreng. Der JBB-Anwalt kritisierte darin einen neuen Entwurf der Europäischen Kommission. Danach sollen Content Provider zukünftig dazu verpflichtet werden Filter-Systeme zu implementieren, die urheberrechtlich geschütztes Material automtisiert erkennen und sperren. Wenn etwa ein User bei Facebook, Deviantart oder Flickr ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Erlaubnis hoch lädt, soll es sofort gesperrt werden. Kurz gesagt: Die EU Kommission will, dass alle Plattformanbieter etwas ähnliches wie Youtubes Content-ID System einführen.

Im Interview gab Ansgar Koreng zu bedenken, dass auch Dienste wie Wikipedia formal betrachtet unter diese Richtline fallen würden. Zudem warnte er vor Eingriffen in die Informations- und Meinungsfreiheit der User. Sein (meiner Ansicht nach) bestes Argument ist aber: Die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist oft durch Ausnahmeregelungen im Urheberrecht erlaubt. (zB. Recht auf freie Benutzung nach §24 Urhg, Zitatrecht §51 UrhG). Ein automatischer Filter-Algorithmus kann solche Unterscheidungen jedoch nicht treffen. Solche Filtersysteme hätten also ein massives Overblocking von legalen Inhalten zur Folge. Ein Problem, dass auch bei der Youtube-Content-ID häufig vorkommt und ständig kritisiert wird.

Das grundlegende Problem an solchen Filtermechanismen, hat Leonhard Dobusch in einem Vortrag vor der Friedrich Ebert Stifung hervorragend dargelegt: Durch Systeme wie die Youtube-Content-Id treten Algorithmen an die Stelle von Gesetzen. Entscheidend ist nicht mehr was legal ist, sondern was sich technisch durchsetzen lässt.

 

Wochenrückblick: Internet- und Medienrecht KW41

Böhmermann-Verfahren ist endgültig beendet. Reiss Engelhorn Museum verklagt erneut Wikipedia-Nutzer. Verlage müssen Gelder an die VG-Wort zurück erstatten. Einwilligungen zu Werbemails können durch Zeitablauf erlöschen. EU legt Entwurf zum kulturellen Erbe vor.

Frisch aus den Archiven: Der Wochenrückblick zu Internet- und Medienrecht für die Kalenderwoche 41 2016.

Böhmermann-Verfahren endgültig eingestellt

Bereits in der letzten Woche hatte die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren wegen Beleidigung gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingestellt. Der türkische Staatschef Erdogan hatte dagegen Beschwerde eingelegt. In dieser Woche prüfte daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz die Entscheidungsgründe. Ergebnis: Die Einschätzung der Mainzer Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden. Damit ist das Verfahren endgültig ad Acta gelegt.

Wie ich schon in der letzten Woche gehofft hatte, wird dies wohl auch Auswirkung auf das laufende Verfahren gegen den Berliner Piratenpartei-Vorsitzenden Bruno Kramm haben. So äußerte sich mindestens Kramms vertretender Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Der Politiker hatte im Rahmen einer Demonstration Teile des Böhmermann Gedichtes rezitiert und analysiert und war daraufhin verhaftet worden.

Neben dem strafrechtlichen Verfahren hatte Erdogan auch ein zivilrechtliches Verfahren eröffnet und gegen Böhmermann auf Unterlassung geklagt. Dieses Verfahren vor dem Hamburger Landgericht dauert noch an.

Reiss Engelhorn Museum verklagt Wikipedia-Nutzer

Das Reiss Engelhorn Museum Mannheim hat in seinem Kampf gegen das Internet und die Kulturfreiheit erneut einen Sieg vor Gericht errungen. Bereits seit einem Jahr geht das Reiss Engelhorn Museum brutal gegen Wikipedia sowie kleine Websites, Blogs und Internet-Auftritte vor. Stein des Anstoßes sind mehrere Bilder aus den Sammlungen des Reiss Engelhorn Museums. Diese sind zwar unstrittig gemeinfrei und dürfen deswegen nach §64 UrhG von jedermann veröffentlicht werden. Das Museum verbietet es aber trotzdem Fotografien der Bilder zu verbreiten. In einem desaströsen Urteil hatte das LGBerlin das Reiss Engelhorn Museum in seiner Rechtsposition bestätigt. (Meine damalige Einschätzung zur Urteilsbegründung hier). Vor dem Landgericht Stuttgart errang das Museum jetzt einen Sieg gegen den Fotografen, der die Bilder der Kunstwerke bei Wikipedia hoch geladen hatte. Bemerkenswerterweise verbot ihm das Gericht nicht nur die Gemäldefoto-Reproduktionen, die das Reiss Engelhorn Museum hatte anfertigen lassen, zu veröffentlichen. Nein auch die Fotografien, die er selbst in den Räumlichkeiten des Museums angefertigt hatte, dürfen zukünftig nicht mehr verbreitet werden. Nicht nur nicht zu kommerziellen Zwecken, sondern überhaupt nicht. Damit geht das Stuttgarter Landgericht sogar über das desaströse Sanssouci-Urteil des BGH hinaus und etabliert de facto ein Recht an der eigenen Sache, die eigentlich im deutschen Gesetzt nicht vorgesehen ist. (Kommentar bei heise)

Landgericht Stuttgart: Wikipedia-Fotograf muss Museumsfotos löschen

 

VG Wort: Verlage müssen Gelder zurück zahlen

Vor einem halben Jahr entschied der BGH, dass die jetzige Praxis der Verwertungsgesellschaft VG Wort der Rechtslage widerspricht. Vereinfacht gesagt wurde im Urteil fest gestell, dass die VG Wort den Verlagen zu viel und den Autoren zu wenig Beiträge ausgezahlt hatte. Detailliert hatte ich das Urteil damals in einem Youtube-Video aufbereitet:

Der Verwaltungsrat der VG Wort hat in München nun entschieden, dass Verlage die zu unrecht ausgeschütteten Beiträge bis zum 30. November an die VG Wort zurück erstatten müssen. Sie sollen dann an die Autoren verteilt werden. Es wird befürchtet, dass gerade kleine Verlage durch die Rückzahlungen in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Autorenverbände reagierten hingegen erfreut über die Ausschüttung der Gelder. (die ihnen meiner Einschätzung nach, gemäß der aktuell geltenden Rechtslage eindeutig zusteht)

Starfotograf verklagt Sternekoch

Wenn Kreative und Kultur-schaffende gemeinsam ein Projekt angehen, sollten sie dringend zuvor die rechtlichen Details klären. Das mussten Sternekoch Mario Gamba und Fotograf Ferdinando Cioffi nun auf die harte Tour lernen. Vor dem Landgericht München stritten die beiden sich um 15 470 Euro. Der Koch habe den Fotografen angeblich beauftragt für einen Bildband verschiedene Fotos anzufertigen und ihm dafür 10.000 Euro geboten. Der Koch bestreitet das. Entscheidende Frage beim Prozess war, ob ein Vertrag zustande gekommen war. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich beendet: Gamba zahlt Cioffi 2.500 Euro.

BGH: Notarielle Unterlassungserklärungen sind eine dumme Idee

Wer auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes eine Abmahnung erhält, der muss dem Abmahnenden irgendwie zusichern, dass er den fraglichen Rechtsverstoß nicht nochmals begehen wird. Der übliche Weg dazu ist eine Strafbewehrte Unterlassungserklärung. Verkürzt gesagt liegt der Abmahnung meistens ein Text bei, in dem ungefähr folgendes steht:

Ich begehe diesen Rechtsverstoß ganz bestimmt nie wieder. Sonst bezahle ich dem Abmahnenden eine Menge Geld.

Unterschrift

Alternativ wurde in Fachkreisen seit Jahren diskutiert, ob es nicht vielleicht sinnvoller ist, stattdessen eine notarielle Unterwerfungserklärung abzugeben. Dabei unterzeichnet der Abgemahnte eine Urkunde, die ein Notar angefertigt hat, und unterwirft sich im Falle der Zuwiderhandlung der Zwangsvollstreckung.

Diese Praxis dürfte nun aussterben, dank eines BGH-Urteils aus dem April, welches nun veröffentlicht wurde. Nach dem Urteil stellt eine notariellen Unterlassungserklärung alleine das Rechtsschutzbedürfnis des Abmahners nicht ausreichend sicher.

Mehr Details dazu bei Thomas Stadler:

BGH zu notariellen Unterlassungserklärungen

Kein Software-Weiterverkauf ohne Original-CD

Der europäische Gerichtshof hat seit Jahren in mehren Urteilen fest gestellt, dass Verbraucher grundsätzlich das Recht haben gebrauchte Software weiter zu verkaufen. In einem aktuellen Urteil machte der EuGH aber nun eine wichtige Einschränkung: Damit gebrauchte Software verkauft werden kann, muss der originale Datenträger noch vorhanden sein. Der Verkauf einer bloßen Sicherheitskopie ist damit nicht gestattet, auch dann nicht wenn die Software selbst nicht mehr genutzt wird.

Werbemails: Einwilligung erlischt durch Zeitablauf

In einem Prozess vor dem Amtsgericht Bonn kam es am 10. Oktober zu einem interessanten Urteil: Ein Anbieter hatte im Jahre 2011 die Einwilligung mehrerer potentieller Kunden zur  Übersendung von Werbe-Mails eingeholt. Im Jahr 2015 begann er dann diese Werbemails auch zu verschicken. Rechtswidrig, wie das Gericht nun entschied: Selbst wenn der Beklagte die Einwilligungen hätte nachweisen können (was er nicht konnte) wären die Werbemails unrechtmäßig, weil die Einwilligung nach so langer Zeit erloschen sei.

Werbemails – Werbe-Einwilligung kann durch Zeitablauf erlöschen

EU-Entwurf zum kulturellen Erbe

Über die aktuelle EU-Urheberrechtsreform, ihre katastrophalen Neuregelungen und vor allem über ihre Versäumnisse habe ich mich hier im Blog ja schon häufiger geäußert. Nun legte die EU-Kommission ihren Entwurf zum kulturellen Erbe vor. Und überraschenderweise halte ich die Vorschläge darin für grundsätzlich sehr sinnvoll.

Archive, Bibliotheken und andere Bewahrungsstätten von kulturellen Gütern sollen künftig mindestens dann digitale Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken anfertigen dürfen, wenn diese nur zum Erhalt der Werke dienen. Die Rechtslage in diesem Bereich war urheberrechtlich bisher nicht eindeutig geklärt.

Noch sinnvoller ist der Vorschlag zukünftig vergriffene Werke zu digitalisieren und öffentlich zugänglich zu machen. Die Vergütung für die Nutzung der entsprechenden Werke sollen Bibliotheken mit Verwertungsgesellschaften regeln. Auf diese Weise könnten Archive nun Millionen von Werken, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Den bei sehr vielen Werken, die eigentlich veröffentlicht werden könnten, ist das einzige Problem, dass der Urheber nicht bekannt ist, oder nicht mit verantwortbarem Aufwand ermittelt werden könnte.

EU-Entwürfe zum Kulturerbe: Lob für die Richtung, Kritik an Beschränkungen

 

Google Analytics und Datenschutzerklärungen: Neues Urteil

In einem aktuellen Urteil des Hamburger Landgerichts war erneut der Datenschutz bei Google Analytics Thema. Wer auf seinem Web-Auftritt das Analyse-Tools von Google Analytics einsetzt, muss deutsches und europäisches Datenschutzrecht einhalten. Das heißt: die IP-Adressen müssen anonymisiert werden und der User muss in der Datenschutzerklärung darüber belehrt werden, welche seiner Daten zu welchem Zweck gespeichert und an Dritte übertragen werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Abmahnung durch die Konkurrenz. Denn solche Verstöße gegen das Datenschutzrecht sind gleichzeitig Wettbewerbsverstöße, die jeder abmahnen darf, der in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Rechtsverletzer steht.

Bei Google Analytics sind zusätzlich die AGBs von Google zu beachten. Diese fordern zB., dass ein User schon bei Aufruf der Website auf die Verwendung seiner Daten hingewiesen wird. (Entgegen weit verbreiteter Meinungen ist dies nach deutschem Datenschutzrecht an sich nicht nötig)

Mehr Info zu Datenschutz und Google Analytics bei e-recht24