Böhmermann-Verfahren ist endgültig beendet. Reiss Engelhorn Museum verklagt erneut Wikipedia-Nutzer. Verlage müssen Gelder an die VG-Wort zurück erstatten. Einwilligungen zu Werbemails können durch Zeitablauf erlöschen. EU legt Entwurf zum kulturellen Erbe vor.
Frisch aus den Archiven: Der Wochenrückblick zu Internet- und Medienrecht für die Kalenderwoche 41 2016.
Böhmermann-Verfahren endgültig eingestellt
Bereits in der letzten Woche hatte die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren wegen Beleidigung gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingestellt. Der türkische Staatschef Erdogan hatte dagegen Beschwerde eingelegt. In dieser Woche prüfte daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz die Entscheidungsgründe. Ergebnis: Die Einschätzung der Mainzer Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden. Damit ist das Verfahren endgültig ad Acta gelegt.
Wie ich schon in der letzten Woche gehofft hatte, wird dies wohl auch Auswirkung auf das laufende Verfahren gegen den Berliner Piratenpartei-Vorsitzenden Bruno Kramm haben. So äußerte sich mindestens Kramms vertretender Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Der Politiker hatte im Rahmen einer Demonstration Teile des Böhmermann Gedichtes rezitiert und analysiert und war daraufhin verhaftet worden.
Neben dem strafrechtlichen Verfahren hatte Erdogan auch ein zivilrechtliches Verfahren eröffnet und gegen Böhmermann auf Unterlassung geklagt. Dieses Verfahren vor dem Hamburger Landgericht dauert noch an.
Reiss Engelhorn Museum verklagt Wikipedia-Nutzer
Das Reiss Engelhorn Museum Mannheim hat in seinem Kampf gegen das Internet und die Kulturfreiheit erneut einen Sieg vor Gericht errungen. Bereits seit einem Jahr geht das Reiss Engelhorn Museum brutal gegen Wikipedia sowie kleine Websites, Blogs und Internet-Auftritte vor. Stein des Anstoßes sind mehrere Bilder aus den Sammlungen des Reiss Engelhorn Museums. Diese sind zwar unstrittig gemeinfrei und dürfen deswegen nach §64 UrhG von jedermann veröffentlicht werden. Das Museum verbietet es aber trotzdem Fotografien der Bilder zu verbreiten. In einem desaströsen Urteil hatte das LGBerlin das Reiss Engelhorn Museum in seiner Rechtsposition bestätigt. (Meine damalige Einschätzung zur Urteilsbegründung hier). Vor dem Landgericht Stuttgart errang das Museum jetzt einen Sieg gegen den Fotografen, der die Bilder der Kunstwerke bei Wikipedia hoch geladen hatte. Bemerkenswerterweise verbot ihm das Gericht nicht nur die Gemäldefoto-Reproduktionen, die das Reiss Engelhorn Museum hatte anfertigen lassen, zu veröffentlichen. Nein auch die Fotografien, die er selbst in den Räumlichkeiten des Museums angefertigt hatte, dürfen zukünftig nicht mehr verbreitet werden. Nicht nur nicht zu kommerziellen Zwecken, sondern überhaupt nicht. Damit geht das Stuttgarter Landgericht sogar über das desaströse Sanssouci-Urteil des BGH hinaus und etabliert de facto ein Recht an der eigenen Sache, die eigentlich im deutschen Gesetzt nicht vorgesehen ist. (Kommentar bei heise)
Landgericht Stuttgart: Wikipedia-Fotograf muss Museumsfotos löschen
VG Wort: Verlage müssen Gelder zurück zahlen
Vor einem halben Jahr entschied der BGH, dass die jetzige Praxis der Verwertungsgesellschaft VG Wort der Rechtslage widerspricht. Vereinfacht gesagt wurde im Urteil fest gestell, dass die VG Wort den Verlagen zu viel und den Autoren zu wenig Beiträge ausgezahlt hatte. Detailliert hatte ich das Urteil damals in einem Youtube-Video aufbereitet:
Der Verwaltungsrat der VG Wort hat in München nun entschieden, dass Verlage die zu unrecht ausgeschütteten Beiträge bis zum 30. November an die VG Wort zurück erstatten müssen. Sie sollen dann an die Autoren verteilt werden. Es wird befürchtet, dass gerade kleine Verlage durch die Rückzahlungen in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Autorenverbände reagierten hingegen erfreut über die Ausschüttung der Gelder. (die ihnen meiner Einschätzung nach, gemäß der aktuell geltenden Rechtslage eindeutig zusteht)
Starfotograf verklagt Sternekoch
Wenn Kreative und Kultur-schaffende gemeinsam ein Projekt angehen, sollten sie dringend zuvor die rechtlichen Details klären. Das mussten Sternekoch Mario Gamba und Fotograf Ferdinando Cioffi nun auf die harte Tour lernen. Vor dem Landgericht München stritten die beiden sich um 15 470 Euro. Der Koch habe den Fotografen angeblich beauftragt für einen Bildband verschiedene Fotos anzufertigen und ihm dafür 10.000 Euro geboten. Der Koch bestreitet das. Entscheidende Frage beim Prozess war, ob ein Vertrag zustande gekommen war. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich beendet: Gamba zahlt Cioffi 2.500 Euro.
BGH: Notarielle Unterlassungserklärungen sind eine dumme Idee
Wer auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes eine Abmahnung erhält, der muss dem Abmahnenden irgendwie zusichern, dass er den fraglichen Rechtsverstoß nicht nochmals begehen wird. Der übliche Weg dazu ist eine Strafbewehrte Unterlassungserklärung. Verkürzt gesagt liegt der Abmahnung meistens ein Text bei, in dem ungefähr folgendes steht:
Ich begehe diesen Rechtsverstoß ganz bestimmt nie wieder. Sonst bezahle ich dem Abmahnenden eine Menge Geld.
Unterschrift
Alternativ wurde in Fachkreisen seit Jahren diskutiert, ob es nicht vielleicht sinnvoller ist, stattdessen eine notarielle Unterwerfungserklärung abzugeben. Dabei unterzeichnet der Abgemahnte eine Urkunde, die ein Notar angefertigt hat, und unterwirft sich im Falle der Zuwiderhandlung der Zwangsvollstreckung.
Diese Praxis dürfte nun aussterben, dank eines BGH-Urteils aus dem April, welches nun veröffentlicht wurde. Nach dem Urteil stellt eine notariellen Unterlassungserklärung alleine das Rechtsschutzbedürfnis des Abmahners nicht ausreichend sicher.
Mehr Details dazu bei Thomas Stadler:
Kein Software-Weiterverkauf ohne Original-CD
Der europäische Gerichtshof hat seit Jahren in mehren Urteilen fest gestellt, dass Verbraucher grundsätzlich das Recht haben gebrauchte Software weiter zu verkaufen. In einem aktuellen Urteil machte der EuGH aber nun eine wichtige Einschränkung: Damit gebrauchte Software verkauft werden kann, muss der originale Datenträger noch vorhanden sein. Der Verkauf einer bloßen Sicherheitskopie ist damit nicht gestattet, auch dann nicht wenn die Software selbst nicht mehr genutzt wird.
Werbemails: Einwilligung erlischt durch Zeitablauf
In einem Prozess vor dem Amtsgericht Bonn kam es am 10. Oktober zu einem interessanten Urteil: Ein Anbieter hatte im Jahre 2011 die Einwilligung mehrerer potentieller Kunden zur Übersendung von Werbe-Mails eingeholt. Im Jahr 2015 begann er dann diese Werbemails auch zu verschicken. Rechtswidrig, wie das Gericht nun entschied: Selbst wenn der Beklagte die Einwilligungen hätte nachweisen können (was er nicht konnte) wären die Werbemails unrechtmäßig, weil die Einwilligung nach so langer Zeit erloschen sei.
Werbemails – Werbe-Einwilligung kann durch Zeitablauf erlöschen
EU-Entwurf zum kulturellen Erbe
Über die aktuelle EU-Urheberrechtsreform, ihre katastrophalen Neuregelungen und vor allem über ihre Versäumnisse habe ich mich hier im Blog ja schon häufiger geäußert. Nun legte die EU-Kommission ihren Entwurf zum kulturellen Erbe vor. Und überraschenderweise halte ich die Vorschläge darin für grundsätzlich sehr sinnvoll.
Archive, Bibliotheken und andere Bewahrungsstätten von kulturellen Gütern sollen künftig mindestens dann digitale Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken anfertigen dürfen, wenn diese nur zum Erhalt der Werke dienen. Die Rechtslage in diesem Bereich war urheberrechtlich bisher nicht eindeutig geklärt.
Noch sinnvoller ist der Vorschlag zukünftig vergriffene Werke zu digitalisieren und öffentlich zugänglich zu machen. Die Vergütung für die Nutzung der entsprechenden Werke sollen Bibliotheken mit Verwertungsgesellschaften regeln. Auf diese Weise könnten Archive nun Millionen von Werken, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Den bei sehr vielen Werken, die eigentlich veröffentlicht werden könnten, ist das einzige Problem, dass der Urheber nicht bekannt ist, oder nicht mit verantwortbarem Aufwand ermittelt werden könnte.
EU-Entwürfe zum Kulturerbe: Lob für die Richtung, Kritik an Beschränkungen
Google Analytics und Datenschutzerklärungen: Neues Urteil
In einem aktuellen Urteil des Hamburger Landgerichts war erneut der Datenschutz bei Google Analytics Thema. Wer auf seinem Web-Auftritt das Analyse-Tools von Google Analytics einsetzt, muss deutsches und europäisches Datenschutzrecht einhalten. Das heißt: die IP-Adressen müssen anonymisiert werden und der User muss in der Datenschutzerklärung darüber belehrt werden, welche seiner Daten zu welchem Zweck gespeichert und an Dritte übertragen werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Abmahnung durch die Konkurrenz. Denn solche Verstöße gegen das Datenschutzrecht sind gleichzeitig Wettbewerbsverstöße, die jeder abmahnen darf, der in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Rechtsverletzer steht.
Bei Google Analytics sind zusätzlich die AGBs von Google zu beachten. Diese fordern zB., dass ein User schon bei Aufruf der Website auf die Verwendung seiner Daten hingewiesen wird. (Entgegen weit verbreiteter Meinungen ist dies nach deutschem Datenschutzrecht an sich nicht nötig)
Mehr Info zu Datenschutz und Google Analytics bei e-recht24