BGH-Urteil: VG-Wort Kopiervergütung steht nur Autoren zu

Die VG-Wort muss zukünftig die gesamten Beiträge aus der Kopiervergütung an Autoren auszahlen. Das entschied der BGH heute (21. April 2016) in einem Urteil. Die VG-Wort hatte die Beitrage aus der Kopiervergütung bisher zur Hälfte zwischen Verlagen und Autoren aufgeteilt. Den Autoren steht nun die volle Vergütung zu. Dem Urteil war ein langer Rechtsstreit voraus gegangen.

Schriftsteller und Autoren sind ziemlich arme Hunde. Das hat zuletzt eine Studie der Universität Maryland ergeben: Nur 1 von 10 befragten Bellitristik-Autoren konnte von seiner Kunst leben. Die Gelder Ausschüttung der VG Wort am 1. Januar jeden Jahres ist deshalb für viele Schriftsteller regelmäßigem ein rettender Anker, der den nahen Bankrott verhindert. Doch was sind das eigentlich für Gelder, die die VG Wort dort ausschüttet?

 

Die Kopiervergütung

Nach §32 UrhG hat jeder Urheber, als auch jeder Autor von Literatur- oder Sachtexten einen Anspruch auf eine gerechte Vergütung für die Nutzung seiner Texte. Dieses Grundprinzip des Urheberrechts soll es Künstlern ermöglichen von ihrem Schaffen zu leben. Nun erlaubt jedoch der §53 UrhG jedem Bürger Kopien von urheberrechtlich geschützten Kunstwerken für den persönlichen und privaten Gebrauch anzufertigen. Sprich: Man darf sich einen Text, ein Bild oder auch einen ganzen Roman aus der Bibliothek ausleihen, und kann ihn dann zu hause oder im Copyshop kopieren, um ihn später noch einmal zu lesen.

Die Schrankenregelung nach §53 ist für Privat-Bürger sehr hilfreich und erweist sich außerdem als sehr praxisnah. (Wie sollte man praktisch verhindern, dass Privatmenschen sich Kopien von ausgeliehenen Büchern machen). Für die Autoren ist sie problematisch. Denn wer sich in der Bibliothek eine Kopie eines Textes gemacht hat, kauft sich natürlich das Buch nicht mehr. Dem Künstler würden so dringend benötigte Einnahmen entgehen. Dieses Problem soll die VG Wort lösen: Sie ist eine so genannte Verwertungsgesellschaft ähnlich der GEMA. Sie zieht von Bibliotheken, Copyshops und Drucker-Herstellern eine Gebühr ein. Dieses Geld wird dann nach einem Schlüssel an alle Rechteinhaber verteilt, deren Texte für die Öffentlichkeit bereit stehen. Das schließt Zeitungs- und Zeitschriften-Artikel eben so ein, wie Bücher, die in Bibliotheken stehen und neuerdings auch besonders populäre Texte im Internet.

Was war das Problem?

Die VG-Wort hatte die Beiträge bisher nicht ausschließlich an die Autoren der Texte ausgeschüttet, sondern die Gelder je zur Hälfte an Autoren und deren Verlage aufgeteilt. Zur Begründung hatte die Gesellschaft sich auf ihre Satzung berufen. Die VG-Wort sei 1958 von Autoren und Verlagen gemeinsam gegründet worden, um deren Rechte gemeinsam wahrzunehmen. Diese Argumentation hatte sie auf §63a UrhG gestützt.

Martin Vogel der Rebell

Im Jahre 2012 begann ein einzelner Mann die VG-Wort herauszufordern. Der Urheberrechtler und wissenschaftliche Autor Martin Vogel klagte klagte gegen die bestehende Praxis der Verwertungsgesellschaft. Seiner Ansicht nach stand die Vergütung alleine den Autoren zu. Das Urheberrecht liege schließlich alleine beim Autoren und die VG Wort sei lediglich eine Treuhänderin, von deren Rechten. Mit dieser Rechtsauffassung gaben ihm das Landgericht München und das Oberlandesgericht München Recht. Durch seine Klagen machte sich der Jurist bei der VG-Wort regelrecht zur Persona non grata. Doch unermüdlich brachte er das Verfahren auch vor den BGH, der nun entschied.

BGH: Rechte stehen dem Urheber zu

Der BGH entschied, dass die vollständige Vergütung im Grundsatz den Autoren zustehe. Die vollständige schriftliche Urteilsbegründung des BGH liegt noch nicht vor. In einer Pressemeldung, veröffentlichten die Richter jedoch ihre grundlegende Argumentation:

Die VG Wort darf nur deshalb überhaupt Gebühren für Kopien einziehen, weil das Urheberrecht dies so vorsieht. Gemäß §15 UrhG und §16 UrhG darf eine Kopie eines Kunstwerks grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Urhebers angefertigt werden. Deswegen erhebt die VG Wort überhaupt ihre Gebühren. Es wäre in der Praxis sehr schwer organisierbar, wenn jeder Nutzer eine Erlaubnis des Urhebers einholen und bezahlen müsste, bevor er eine Buchseite kopiert. Deswegen zieht die VG Wort stattdessen zentralisiert die Gebühren ein.

Wenn aber die gesamten Rechte der VG Wort auf dem Urheberrecht basieren, gibt es keine rechtliche Grundlage den Verlagen einen Anteil der Gelder aus zu bezahlen. Denn das Urheberrecht liegt ja ausschließlich beim Urheber. Die VG-Wort darf einige dieser Rechte ausüben, weil der Autor ihnen die dafür notwendigen Rechte in einem Vertrag nach §31 UrhG übertragen hat. Den Verlagen hingegen wurden keinerlei Rechte an der Vergütung übertragen. Deswegen haben sie auch keine Ansprüche.

Was sind die Folgen des Urteils?

Das Urteil war in dieser Form erwartet worden. Die Vorinstitutionen hatten Vogel in seiner Argumentation Recht gegeben, und in einem ähnlichen Verfahren hatte auch der EuGH im November letzten Jahres ähnlich entschieden. Die VG-Wort hatte bereits seit 2012 vor allen Ausschüttungen schriftlich darauf hingewiesen, dass die Zahlungen unter Vorbehalt erfolgen und der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens zu Rück- oder Nachforderungen führen könnte.

Grundsätzlich haben Autoren nun einen Anspruch auf die gesamten Bezüge der Kopiervergütung. Ob dadurch langfristig bei Fach- und Literatur-Autoren der Geldsegen ausbricht ist jedoch fraglich. Denn der BGH hat lediglich argumentiert, die Verlage dürften pauschal keinen Anteil an der Vergütung erhalten, weil ihnen die dafür notwendigen Nutzungsrechte nie übertragen worden sind. Was passiert, wenn Autoren ihren Verlagen diese Rechte vertraglich übertragen, hat der BGH damit nicht entschieden.

Zu erwarten ist deswegen Folgendes: Zukünftig werden sich Verlage in Verträgen mit neuen Autoren die Anteile an der Vergütung durch die VG-Wort explizit zusichern lassen. Oder aber sie werden für neue Autoren gleich eine geringere Vergütung vereinbaren, um die weg gefallenen Einkünfte aus der Kopiervergütung zu kompensieren.

 

Warum ein Jura-Blog/Youtube Kanal?

Warum betreibt man als Nicht-Jurist einen Blog und einen Youtube-Kanal über Urheberrecht und Medienrecht? Die Antwort ist nicht ganz einfach.

Warum tue ich mir das an? Mein privat-blog Utopian-Reflections frisst schon ewig viel Zeit und Arbeit. Besonders jetzt, wo er kurz vor einem Relaunch steht. Mein bisheriger Youtube-Kanal „Geschichte für Anfänger“ steht noch in den Kinderschuhen. Ich hätte sicherlich tausende von Dingen zu tun, außer einen Blog über Online-Recht zu starten.

Warum gründet ein Nicht-Jurist überhaupt einen Blog über Recht? Mein Wissen muss doch notwendig weit hinter dem zurück bleiben, was die Anwaltskollegen leisten können. Es gibt doch zahllose sehr gute Anwälte, die bloggen, podcasten und youtuben. Wo liegt der Wert darin, dass sich nun ein Amateur diesem Thema widmet?

Breite Unwissenheit

paragraph photoDer Anlass für dieses Projekt, waren meine Erfahrungen bei gutefrage.net. Mit meinem Profil beantworte ich dort seit gut 6 Monaten Fragen über Urheberrecht. Und was mir dort begegnet ist, ist ehrlich gesagt schlicht erschreckend. Blogger, Podcaster, Instagrammer oder Youtuber, die zum Teil große Geldsummen mit ihren Veröffentlichungen verdienen, haben nicht den blassesten Schimmer darüber, welche Rechte sie eigentlich an ihren eigenen Inhalten haben. Erwachsene Menschen haben keine Vorstellung von grundlegenden Rechtsprinzipien. Von Schulkindern ganz zu schweigen.

Bis vor wenigen Jahren, brauchte ein durchschnittlicher Westeuropäischer Bürger keinerlei Kenntnisse in Urheber oder Medienrecht zu haben. Er kam ja ohnehin nicht in die Lage etwas zu veröffentlichen, was gegen Medienrecht, Äußerungsrecht oder Urheberrecht verstoßen konnte. Die wenigen Bürger, die hauptberuflich in den Medien arbeiteten lernten das notwendige Wissen im Beruf oder verließen sich auf betriebliche Rechtsabteilung… und dann kamen die sozialen Netzwerke.

In Zeiten von Facebook, Twitter und Instagram teilen und verbreiten wir ständig kreative Inhalte. Urheber- und Medienrecht müsste deshalb fast zum Alltagswissen werden. Doch Justiz, Bildungssystem und die gesamte Gesellschaft hinken hinterher.

„Fluch der Professionalität“

Viele Anwälte vermitteln ihr Wissen im Internet bereits sehr anschaulich. Doch sie leiden unter dem, was ich, den „Fluch der Professionalität“ nenne. Ich kenne ihn von mir selbst aus anderen Bereichen. Wer sich mit einem Thema wirklich gut auskennt, hat Schwierigkeiten, sich in die Lage eines Anfängers hinein zu versetzen. Ihm sind die grundlegenden Sachverhalte seines Fachgebiets so klar und so unzweifelhaft, dass er sie nicht mehr hinterfragen kann. Er darf sie mitunter auch gar nicht hinterfragen, denn sonst könnte er tiefgreifende Probleme nicht so effektiv lösen, wie er es tut.

Ein Laien-Blog

Deswegen halte ich es doch für geboten, dass auch nicht Juristen sich an der Vermittlung von Rechtswissen beteiligen. Völlig ahnungslos bin auch nicht: Immerhin habe ich in meiner täglichen Praxis als Redakteur und Blogger ständig mit rechtlichen Fragen zu tun. Ich interessiere mich seit Jahren für Rechtsfragen. Und habe nicht zuletzt durch meine Tätigkeit bei gutefrage.net sehr viele rechtliche Themen recherchiert müssen und viel gelernt. Ich lese, höre und sehe auch regelmäßig die Beiträge von Anwälten, die inhaltlich noch mehr Wissen haben als ich.

Insofern sehe ich mich als berechtigt an, rechtliche Einführungsbeiträge, Materialsammlungen und Kommentare zu Rechtsthemen zu veröffentlichen. Ich hoffe die Texte/Videos werden dem ein oder anderen Leser/Zuschauer weiter helfen.