2 Millionen Raubkopien bei Razzien sicher gestellt. Bruno Kramm mit Klage gegen GEMA erfolgreich. EuGH schränkt Digitalisierung vergriffener Werke ein. Facebook darf Metadaten von Bildern nicht entfernen. Neue Abmahnungen wegen Creative Commons Bildern.
Urheberrecht
2 Millionen Raubkopien sichergestellt
Dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist in dieser Woche ein spektakulärer Schlag gegen gewerbsmäßige Raubkopierer gelungen. Bei Razzien im Raum Göppingen und Schwäbisch Hall sowie in Polen konnten circa 2 Millionen rechtswidrig kopierte Ton- und Filmträger sicher gestellt werden. Ein 60-jähriger Mann, soll der Hauptdrahtzieher der Unternehmung sein. Die kopierten CDs und DVDs waren über Internet, Mailorder und kleine Plattenläden wohl europaweit vertrieben worden.
Wer diese Meldung in der letzten Woche nun gehört hat, stellt sich vielleicht folgende Fragen:
1. Frage: Wer zum Henker hört im Jahre 2016 eigentlich noch CDs? Antwort: Eine ganze Menge Menschen. Der Marktanteil der physischen Tonträger am Musik-Markt beträgt immer noch 60%.
2. Frage: Was für Sanktionen drohen den mutmaßlichen Tätern? Urheberrechtlich geschützte Werke, wie Musik oder Filme ohne Erlaubnis des Rechteinhabers zu verwerten ist gemäß § 106 UrhG strafbar und kann mit bis zu 3 Jahren Haft geahndet werden. Passiert die Verwertung gewerblich (was in diesem Fall unzweifelhaft der Fall zu sein scheint) kommt nach §108a sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu 5 Jahren in Betracht. Hinzu kommen zivilrechtliche Ansprüche. Denn die Künstler, Plattenfirmen und Filmstudios können für den rechtswidrigen Vertrieb ihrer Kunstwerke Schadenersatz verlangen. Der wird in diesem Fall nach §97 UrhG an den Einkünften der Raubkopierer zu messen sein:
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden.[…]
3. Frage: Ich habe eine solche CD widerrechtlich gekauft. Habe ich rechtswidrig gehandelt? Wahrscheinlich nicht. Wenn zum Zeitpunkt des Kaufs nicht erkennbar war, dass es sich um eine Raubkopie handelt, ist der bloße Erwerb von Raubkopien nicht rechtswidrig. Vielmehr könnten Käufer der urheberrechtswidrig hergestellten CDs ihrerseits von den mutmaßlichen Hehlern Nacherfüllung ihres Kaufvertrags fordern. Denn die Käufer wollten ja eine Original-CD erwerben. Dass sie nun nur eine Raubkopie bekommen haben, stellt einen Mangel dar. Nach § 439 BGB ist der Verkäufer in diesem Fall verpflichtet den Mangel zu beseitigen, sprich entweder eine Original-CD für den Käufer zu besorgen oder den Kaufpreis zurückzuerstatten.
Problematisch kann es für Käufer werden, wenn sie die CDs im Internet weiter verkaufen oder selbst Kopien der Datenträger anfertigen. Denn ersteres wäre eine rechtswidrige Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werks und letzteres eine Kopie einer offensichtlich rechtswidrigen Vorlage. Beides sind abmahnbare Urheberrechtsvergehen.
Auch GEMA darf keine Verlegeranteile auszahlen
Bruno Kramm, der Vorsitzender der Berliner Piratenpartei ist regelmäßigen Lesern dieses Blogs kein Unbekannter. Im April diesen Jahres hatte ich über einen Auftritt Kramms vor der türkischen Botschaft berichtet. Weil er dabei Auszüge aus dem umstrittenen Schmähgedicht von Jan Böhmermann zitierte, wurde er in seiner Rede unterbrochen und von der Polizei in Gewahrsam genommen. Ein für mich bis heute eindeutig rechtswidriges Vorgehen der Polizei:
Nun machte Kramm in seinem eigentlichen Hauptberuf, nämlich als Musiker von sich Reden. Ebenfalls im April hatte der BGH nämlich gegen die Verwertungsgesellschaft VGWort entschieden, dass die Einkünfte aus der Kopiervergütung ausschließlich an die Autoren auszubezahlen seien. Nach der vorherigen Praxis der VGWort waren diese Gelder, die die Verwertungsgesellschaft einzieht, zu gleichen Teilen an Autoren und Verlage verteilt worden:
Ähnlich wie die VGWort regelte die GEMA die Vergabe von Geldern. Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft der Komponisten und Liedtexter. Sie zieht Gebühren zB. von Radiosendern, Club-Betreibern etc. für das Senden und Abspielen von Musik ein, und bezahlt diese dann an die Rechteinhaber aus. Wie die VGWort bezahlte sie jedoch auch einen großen Anteil der Gelder an die entsprechenden Plattenfirmen.
Was bei Autoren und Verlagen rechtswidrig ist, kann bei Musikern und Plattenfirmen nicht rechtens sein, dachte sich Kramm und klagte vor dem Berliner Kammergericht. Das Gericht gab ihm Recht. Sowohl die Einkünfte aus den mechanischen Rechten an Musikwerken als auch an den Aufführungs- und Senderrechten stehen ausschließlich den Urhebern dieser Werke zu.
Das Urteil wird nicht nur Auswirkungen für die konkrete Verteilung der Gelder haben, sondern auch Fragen über die Zusammensetzung der GEMA-Gremien aufwerfen. Momentan haben die Verleger einen großen Einfluss innerhalb der Institution.
Kommentare:
Markus Kompa (Bruno Kramms Anwalt)
EuGH erschwert Digitalisierung vergriffener Werke
Was geschieht mit Werken, die nicht mehr im offiziellen Handel erhältlich sind? Das ist eine Frage, der sich die Kulturpolitik immer wieder stellen muss. Insbesondere seit durch die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung Werke mit wenig Ressourcenaufwand dauerhaft einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden könnten. Doch was technisch machbar ist, ist noch lange nicht rechtlich erlaubt. Im Falle von Kunstwerken müssen die Urheberrechte der Künstler berücksichtigt werden, weswegen deren Erlaubnis für die Digitalisierung eingeholt werden muss. Keine leichte Aufgabe, denn bei der großen Menge an vergriffenen (und teilweise auch verwaisten) Werken, ist es schwierig bis unmöglich jeden einzelnen Autor oder Künstler um seine Erlaubnis zu fragen.
In Staaten wie Norwegen greift man deswegen auf Extended Collective Licensing zurück. Das bedeutet: Verwertungsgesellschaften dürfen im Namen aller Rechteinhaber eines Bereichs Verträge abschließen und Rechte einräumen, auch im Namen von Rechteinhabern, die gar nicht in der Verwertungsgesellschaft organisiert sind. Das ist unter anderem Rechtsgrundlage für das Mammutprojekt alle norwegischen Bücher zu digitalisieren.
Auch in Frankreich versuchte die Verwertungsgesellschaft Sofia besseren Zugriff zu vergriffenen Werken zu schaffen. Beauftragt durch eine offizielles Dekret digitalisierte die Verwertungsgesellschaft solche Werke und zahlte im Gegenzug den Urhebern eine Pauschale aus. Wollte ein Autor nicht, dass seine Werke weiterhin veröffentlicht werden, so konnte er innerhalb von 6 Monaten gegen die Veröffentlichung Einspruch einlegen.
Diese Regelung ist rechtswidrig, wie nun der EuGH entschied. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Autor der Verwertung seiner Werke zustimme, nur weil er dieser nicht widersprochen habe. Es gebe zwar ein Interesse der Öffentlichkeit Zugriff zu vergriffenen Werken zu bekommen. Die bisherigen Gesetze sehen eine Ausnahme vom Urheberrecht für solche Fälle jedoch schlicht nicht vor.
Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf entsprechende Projekte in Deutschland. Das Europäische Parlament sollte dringend neue gesetzliche Regelungen zur Frage verabschieden. Denn die Rechts-Realiät, die der EuGH hier festgestellt hat, hat eigentlich fast nur Verlierer.
Abmahnungen wegen Creative Commons Lizenzen
Wer einen meiner Blogs, meinen Youtube-Kanal oder meine Tätigkeit bei gutefrage.net verfolgt, dem wird aufgefallen sein, dass ich ein riesiger Fan von Creative Commons Lizenzen bin. Die freien Lizenzen, die der amerikanische Professor Lawrence Lessig geschaffen hat, erlauben es Kreativen ihre Werke kostenlos und Rechtssicher der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Ein Angebot, das viele Künstler gerne annehmen. Weltweit gibt es bereits mehr als 1 Milliarde Creative Commons Werke.
Die Lizenz hat jedoch auch ihre Risiken: Wer Creative Commons Werke verwendet, muss die Bedingungen der jeweiligen Creative Commons Lizenz erfüllen. Diese sind nicht immer leicht zu verstehen. Und so kommt es zu vielen Fehlern bei der Nutzung von Creative Commons Werken.
Leider gibt es mittlerweile viele Urheber (vor allem Fotografen), die sich mittels Creative Commons-Bildern bereichern wollen. Sie stellen Fotos unter Creative Commons Lizenz ins Internet, warten bis einzelne User die Bilder nutzen, ohne die Creative Commons Lizenz korrekt zu erfüllen, und mahnen dann ab.
Der hinlänglich bekannte Abmahn-Fotograf Thomas Wolf scheint nach einem aktuellen Bericht der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke nun sogar so dreist zu sein, dass er nicht einmal mehr eine Kanzlei mit Abmahnungen beauftragt, sondern selbst Rechnungen für die Nutzung per E-Mail verschickt. Die E-Mails scheinen standartisierte Texte zu enthalten, weshalb Betroffene erst einmal prüfen sollten, ob sie die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung überhaupt begangen haben.
Wer Creative Commons lizenzierte Inhalte nutzt, sollte immer genau auf die Einhaltung der Lizenzbedingungen achten.
Anleitung:
Facebook muss Metadaten an Bildern beibehalten
Digitale Bilder enthalten so genannte Metadaten. Das sind Informationen zum Aufnahmeort, zur Geräteeinstellung des Fotoapparates oder zu rechtlichen Fragen. Sie werden entweder schon bei der Aufnahme automatisch durch das Aufnahmegerät in die Datei geschrieben, oder im Nachhinein durch entsprechende Tools ergänzt.
Wenn Plattformen oder Soziale Netzwerke Bilder anboten, so wurden diese Metadaten zumeist dabei entfernt. Das rief großen Unmut zum Beispiel bei Berufsfotografen hervor. Denn mittels der Metadaten konnten sie zum Beispiel die Urheberschaft an ihren Fotos nachweisen.
In einem Urteil des LG Hamburg vom 9. Februar, das nun rechtskräftig wurde, gaben die hanseatischen Richter den Fotografen in einer Klage gegen Facebook Recht. Unter anderem hatte sich der Fotografenverband Freelens auf §95 c UrhG berufen, nach dem zur Rechtewahrnehmung erforderlichen Informationen nicht vom Werk entfernt werden dürfen. Wie Facebook nun auf das Urteil reagieren wird, ist noch unklar.
Wettbewerbsrecht
Ist vergleichende Werbung verboten?
Die eigenen Waren und Dienstleistungen, so eine verbreitete Meinung, darf in der Werbung nicht mit den Angeboten von Konkurrenten verglichen werden. So einfach ist es jedoch nicht, wie nun das OLG Frankfurt erneut bestätigte. Im vorliegenden Fall hatte ein Kosmetik-Hersteller geklagt, weil ein Konkurrent mit folgendem Slogan geworben hatte:
„X-Skin Care-System“ – die neue Aloe Vera Systempflege bietet eine funktionelle gleichwertige und preiswerte Alternative zu der Pflegeserie „Aloe Vera System I von Y“
Unzulässig? Grundsätzlich nicht , entschied das OLG Frankfurt. Denn vergleichende Werbung ist dann erlaubt, wenn die Produkte tatsächlich vergleichbar sind und die Werbeaussagen belegt werden können. Im vorliegenden Fall war die Werbung jedoch trotzdem rechtswidrig, weil die grafische Anordnung der Produkte irreführend gewesen sei.
Vergleichende Werbung ist also nicht grundsätzlich verboten. Wer eine vergleichende Werbemaßnahme plant, sollte jedoch einen auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Fachanwalt zu rate ziehen.
Datenschutz
Knöllchen Horst und die Dashcam
Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte einen kuriosen Fall zu entscheiden. Im Mittelpunkt: Ein geschätzter Mitbürger, dem die Medien den Künstlernamen Knöllchen Horst verliehen haben. Knöllchen Horst hatte an seinem Auto eine Kamera befestigt, mit der er regelmäßig den Straßenverkehr überwachte. Falschparker und andere Verkehrssünder, die er dabei entdeckte, meldete er an die zuständigen Behörden und lieferte durch das Videomaterial gleich die Beweismittel mit.
An Knöllchen Horsts Überwachung störten sich nun nicht nur seine Mitbürger sondern auch der niedersächsische Datenschutzbeauftragte. Er verfügte, dass Knöllchen Horst seine Überwachungstätigkeit einzustellen habe. Dagegen wehrte sich der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht Göttingen. Vergeblich.
Indem er seine Mitbürger und Verkehrsteilnehmer mit der Dashcam aufnahm, sammelte Knöllchen Horst nämlich laut Urteilsbegründung des Göttinger Gerichts Personenbezogene Daten. Nach dem §1 des Bundesdatenschutzgesetzes ist dies lediglich für persönliche oder familiäre Zwecke zulässig. Die Beobachtung von Verkehrsteilnehmern sah das Gericht hiervon nicht gedeckt. Insofern durfte Knöllchen Horst die Aufnahmen nicht machen. Es sei denn er hätte von jedem einzelnen Falschparker eine Erlaubnis für die Erhebung seiner Daten eingeholt und ihn dabei belehrt zu welchem Zweck die Daten erhoben werden.
Ob die Übergabe der Filmaufnahmen an die Polizei in diesem Falle als Auftragsdatenverarbeitung zu bewerten wäre, müsste ein Gericht gesondert entscheiden…
Sonstiges
Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz bleibt zulässig
In der Schweiz hatten Bürgerrechtler gegen die Vorratsdatenspeichrung geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte die klage nun ab. Die Grundrechte der Bevölkerung seien nicht in unzulässigem Maße eingeschränkt. Die Erfassung der Kommunikationsdaten diene der Strafverfolgung und liege deshalb im öffentlichen Interesse.
Lese/Hör-Empfehlungen
Aus der Rechts-Blogosphäre habe ich in dieser Woche gleich drei Empfehlungen. 2 Podcasts und einen Blog-Artikel.
Zunächst hat die Heise-Show sich in einem 40-minütigen Podcast damit beschäftigt, welche rechtlichen Regelungen für private Drohnen sinnvoll und notwendig sind.
Vor einigen Wochen hatte ich bereits angekündigt, dass die beiden größten deutschen Jura-Podcasts Rechtsbelehrung und Jurafunk eine gemeinsame Folge planen. Seit Donnerstag ist diese nun online. Das Thema ist passenderweise Recht für Podcaster.
Anlässlich der Podcast-Folge habe ich mir noch einmal den Blog von Jurafunk-Betreiber Stephan Dirks angeschaut und dort eine sehr ausführliche und verständliche Überblicksdarstellung über die Rechtsprechung des BGH zum Thema Filesharing gefunden. Wie mehrere Urteile in den letzten Wochen zeigen, scheint die Rechtsprechung wenigstens in Puncto „Haftung für Angehörige“ im Umdenken begriffen zu sein.