Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 42

BND-Gesetz. EuGH schafft größeren Spielraum zum Tracking von IP-Adressen. Telefonnummer im Impressum bei Online-Shops nicht zwingend nötig. Wirtschaftsministerium will bei Störerhaftung nachbessern. EU-Kommission will Filterfunktionen für Content-Provider.

Es war eine ereignisreiche Woche im Medienrecht. Fangen wir an:

BND Gesetz

Das netzpolitische Hauptthema dieser Woche war das hoch umstrittene BND-Gesetz, das der Bundestag am Freitag (21.10.2016) verabschiedet hat.  Die Befugnisse des BND zur Überwachung von Internet-Kommunikation wurden darin erheblich erweitert. (Zum Gesetzesentwurf) Den genauen Inhalt des Gesetzesentwurfs haben die Kollegen von netzpolitik in diesem Video aufgearbeitet:

Wenig überraschend löste der Abschluss des Gesetzes nicht nur massive Proteste aus, sondern wird auch juristische Folgen haben: Die vormalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat angedroht gegen das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde anzustreben.

In der Tat drängt sich schon bei grober Lektüre des Gesetzesentwurfs die Vermutung auf, dass er gegen das Fernmeldegeheimnis und damit gegen das Grundgesetz verstoßen könnte:

Art 10

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Thomas Stadler hat in seinem Kommentar die größten Problem herausgearbeitet: Gemäß § 6 Abs. 4 BND-Gesetz soll der BND keine Kommunikation deutscher Staatsbürger überwachen:
(4) Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.
Bei der Überwachung von Datenknoten ist es dem BND aber technisch gar nicht möglich „deutsche“ Daten von „ausländischen“ Daten zu unterscheiden. Insofern verstößt der BND bereits gegen das BND-Gesetz.
Des Weiteren hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 entschieden, dass Geheimdienste auch dann gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen, wenn sie von deutschem Boden aus ausländischen Fernmeldeverkehr abhören.
Einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz werden deshalb gute Chancen eingeräumt.

EuGH erweitert Recht IP-Adressen zu speichern

Darf ein Website-Betreiber die IP-Adressen seiner User speichern und für zukünftige Seitenbesuche vorhalten? Um das zu beantworten ist entscheidend, ob IP-Adressen so genannte Personen bezogene Daten sind. Denn Personen bezogene Daten dürfen nur gespeichert werden, wenn der Users seine ausdrückliche Zustimmung gibt, und er  über die Verwendung der Daten genau unterrichtet wurde. Ob und wann IP-Adressen nun Personen bezogene Daten sind, war unter Internet-Rechtlern lange umstritten.
Der EuGH hat hierzu nun eine Grundsatzentscheidung gefällt. Die Antwort auf die Frage ist wie fast immer kein klares „Ja“ oder „Nein,“ sondern ein „Es kommt darauf an.“  IP-Adressen sind nur dann als Personen bezogene Daten zu bewerten, wenn der speichernde Diensteanbieter die Adresse dem konkreten User zuordnen kann. Weil Internetprovider diese Daten im Normalfall nicht an den Website-Betreiber herausgeben dürfen, ist das zunächst einmal nicht gegeben. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der User bestimmte Rechtsverstöße begeht. In diesem Fall gibt es gesetzliche Sonderregelungen, die es dem Website-Betreiber gestatten, den User hinter der IP-Adresse zu ermitteln. (im Urheberrecht zB. §101 UrhG )

Heißt das also paradoxerweise, dass IP-Adressen gerade dann nicht gespeichert werden dürfen, wenn der User Schaden anrichtet? Nein. Denn der EuGH hat gleichzeitig entschieden, dass §15 TMG des deutschen Telemediengesetzes europarechtswidrig ist.

Ein Website-Betreiber habe nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Online Angebot funktionsfähig bleibe. Und dieses berechtigte Interesse kann es rechtfertigen Personen bezogene Daten zu speichern. Es kann also notwendig sein IP-Adressen von Usern zu speichern, um Angriffe (wie etwa Bruteforce Attacken) von diesen Adressen aus zu verhindern.

Wann die Speicherung von IP-Adressen nun konkret gerechtfertigt ist, müssen nun niedere Gerichte im Detail klären.

Kommentar bei Thomas Stadler

EuGH entscheidet zum Personenbezug von IP-Adressen

Urteile zu Filesharing

In einem grundlegenden Urteil hatte der BGH bereits vor 2 Wochen Anschlussinhaber in Filesharing-Verfahren entscheidend gestärkt. In dieser Woche veröffentlichte die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke verschiedene Entscheidungen in Filesharing-Verfahren, die die Kanzlei betreut hatte. Bereits vor dem Urteil des BGH hatte auch das Amtsgericht Rostock in einem ähnlichen Fall gleich entschieden: Ein Anschlussinhaber ist nicht gezwungen im Detail nachzuweisen, wer einen Urheberrechtsverstoß über den Anschluss begangen hat. Es genügt andere Personen zu benennen, die ebenfalls den Anschluss genutzt haben könnten. Mit der gleichen Argumentation war die Kanzlei auch in einem Verfahren vor dem AG Stuttgart erfolgreich.

Das BGH Urteil und verschiedene Urteile niederer Gerichte zeigen also, dass sich die generelle Rechtsprechungslinie zum Filesharing zu ändern scheint. Wenn auch künftige Urteil bestätigen, dass der Anschlussinhaber lediglich eine Person mit Zugriff auf seinen Internet-Zugang benennen muss, könnte das das Geschäftsmodell von Massenabmahn-Anwälten grundsätzlich unrentabel machen.

In einem anderen Verfahren vor dem AG Köln konnte WBS ebenfalls einen Sieg davon tragen. Die klagende Partei hatte dem Mandanten der Kölner 11 Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen, konnte jedoch nur für einen einzigen Zeitpunkt einen Zugriff durch die IP-Adresse des Beklagten belegen. Nicht ausreichend! Das AG Köln wies die Klage ab. IP-Adressen-Ermittlungen haben eine Fehlerquote von bis zu 50%. Eine einzige Ermittlung der IP-Adresse begründe deswegen keinen hinreichenden Verdacht.

Ausweispflicht für Porno-Seiten

Großbritannien plant zur Sicherung des Jugendschutzes offenbar eine Ausweispflicht für den Zugang zu Pornoseiten. Um pornografische Inhalte abrufen zu können, soll ein User nachweisen, dass er älter als 18 Jahre ist. Wie das im Einzelfall genau überprüft werden soll, lässt der Gesetzesentwurf offen. Befürworter versicherten, dass lediglich das Alter und keine darüber hinaus gehenden persönlichen Daten verlangt werden sollen. Dennoch sehen Datenschützer den Entwurf kritisch.

Nachbesserung bei der Störerhaftung?

Gute Nachrichten gab es diese Woche überraschend aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Offenbar soll die missglückte Reform der Störerhaftung entscheiden nachgebessert werden. Um endlich die Betreiber freier WLANs vor Abmahnkanzleien zu schützen, hatte die große Koalition sich im Juni auf eine Gesetzesänderung verständigt. Diese viel jedoch enttäuschend aus. Denn die neue Rechtslage schützte WLAN-Betreiber zwar vor strafrechtlichen Folgen und vor Schadenersatzansprüchen, jedoch nicht vor dem Unterlassungsanspruch des Geschädigten. Dadurch waren Massenabmahnungen gegen WLAN-Betreiber jedoch weiter möglich. Genau das scheinen Netzpolitiker der Koalition nun ändern zu wollen.

Ich persönlich bleibe skeptisch, bis ein konkreter Gesetzestext vorliegt.

Muss die Telefonnummer ins Impressum?

Entgegen landläufiger Meinungen muss im Impressum eines gewöhnlichen Online-Angebots nicht zwingend eine Telefonnummer angegeben werden. Nach TMG §5 sind lediglich „Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen“ vorgeschrieben

Was genau unter einer unmittelbaren Kommunikation genau zu verstehen ist, ist im Einzelfall jedoch schwierig zu beurteilen. Nach einem EuGH Urteil von 2008 ist mindesten ein Kontaktformular zulässig. Ob etwa die Angabe einer Facebook-Seite als unmitelbare Kommunikation ausreicht ist noch unklar. Das KG Berlin wies in einem Urteil gegen Whatsapp in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass diese Frage noch nicht hinreichend geklärt ist.

Das alles gilt jedoch nur für reine Medienseiten. Anders sieht es bei Online Shops aus. Weil Kunden hier noch weiter gehende Anliegen haben können (zB. einen Umtausch von Waren) sind die Pflicht-Angaben für ECommerce-Angebote höher. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB ist hier die Telefonnummer vorgeschrieben:

Der Unternehmer ist, […] verpflichtet, dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung folgende Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen: […] sowie seine Telefonnumer, […]

Was ausdrücklich im Gesetzestext steht, muss doch Rechtslage sein. Oder? Nein, entschied das OLG Köln in einem Verfahren gegen den ECommerce-Riesen Amazon. Amazon stellt seinen Nutzern keine Telefonnummer sondern nur einen Rückruf-Service zur Verfügung. Nutzer können dort ihre Telefonnummer hinterlassen, und werden dann von Amazon-Mitarbeiern zurück gerufen. In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln diese Praxis als rechtens.

Rechtsartikel der Woche

Mein persönlicher Lieblingsartikel aus der Rechts-Blogosphäre war diese Woche ein Interview auf irights mit Doktor Ansgar Koreng. Der JBB-Anwalt kritisierte darin einen neuen Entwurf der Europäischen Kommission. Danach sollen Content Provider zukünftig dazu verpflichtet werden Filter-Systeme zu implementieren, die urheberrechtlich geschütztes Material automtisiert erkennen und sperren. Wenn etwa ein User bei Facebook, Deviantart oder Flickr ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Erlaubnis hoch lädt, soll es sofort gesperrt werden. Kurz gesagt: Die EU Kommission will, dass alle Plattformanbieter etwas ähnliches wie Youtubes Content-ID System einführen.

Im Interview gab Ansgar Koreng zu bedenken, dass auch Dienste wie Wikipedia formal betrachtet unter diese Richtline fallen würden. Zudem warnte er vor Eingriffen in die Informations- und Meinungsfreiheit der User. Sein (meiner Ansicht nach) bestes Argument ist aber: Die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist oft durch Ausnahmeregelungen im Urheberrecht erlaubt. (zB. Recht auf freie Benutzung nach §24 Urhg, Zitatrecht §51 UrhG). Ein automatischer Filter-Algorithmus kann solche Unterscheidungen jedoch nicht treffen. Solche Filtersysteme hätten also ein massives Overblocking von legalen Inhalten zur Folge. Ein Problem, dass auch bei der Youtube-Content-ID häufig vorkommt und ständig kritisiert wird.

Das grundlegende Problem an solchen Filtermechanismen, hat Leonhard Dobusch in einem Vortrag vor der Friedrich Ebert Stifung hervorragend dargelegt: Durch Systeme wie die Youtube-Content-Id treten Algorithmen an die Stelle von Gesetzen. Entscheidend ist nicht mehr was legal ist, sondern was sich technisch durchsetzen lässt.

 

Was ist ein Impressum?

Ein unvollständiges oder nicht vorhandenes Impressum ist der Klassiker unter den Gründen für Abmahnungen. Dabei ist ein korrektes Impressum zu erstellen (für den Normal-Anwender) verhältnismäßig leicht. Was Blogger, Podcaster und Youtuber wissen sollten:

In einem Video meiner Reihe „kurz erklärt“ habe ich in weniger als 2 Minuten dargestellt, was ein normaler Anbieter beim Impressum beachten muss:

Auf einige Details und ausführlichere Begründungen konnte ich im Video leider nicht eingehen. Deshalb erkläre ich in diesem Artikel alles noch einmal ausführlich.

Wozu ein Impressum?

Das Impressum ist eine Auflistung verschiedener Angaben. Die Idee ist folgende: Wenn jemand durch die Inhalte des Mediums (Website/Podcast/Youtube-Kanal) geschädigt wird, findet er im Impressum alle notwendigen Angaben, um rechtlich gegen den Betreiber des Mediums vorzugehen. Für alle Telemedien zählen dazu:

Name des Betreibers

Anschrift (in Deutschland und ladungsfähig)

E-Mail Adresse

Unmittelbarer Kommunikationsweg

Das sind die Angaben für den Normalfall einer natürlichen Person, die einen Blog, Podcast oder Youtube-Kanal betreibt. Falls ihr ein Verein, ein Freiberufler oder eine Firma seid, müsst ihr noch zusätzliche Angaben machen. Für unterschiedliche Berufsgruppen gibt es außerdem noch gesonderte Vorschriften. Die IT-Rechte-Kanzlei hat einen guten Impressums-Generator programmiert, mit dem ihr ein Impressum speziell für euren Sonderfall erstellen könnt.

Warum gibt es so viele Sonderregeln?

Geschäftsmann schreibt "über uns"

Ab wann ist eine Seite geschäftsmäßig?

Ganz einfach: Im Impressum sollen Geschädigte alle Informationen für einen Rechtsstreit finden. Wenn sie sich zum Beispiel beleidigt fühlen, oder ihre Urheberrechte oder Persönlichkeitsrechte verletzt sehen, genügt eine Adresse und eine Kontaktmöglichkeit, um zB. Abmahnungen zu versenden oder den Verantwortlichen anzuzeigen.

Spezielle Berufsgruppen können jedoch ganz besondere Rechtsverletzungen begehen. zB. ein Apotheker, der ein Medikament nicht ordnungsgemäß hergestellt oder gelagert hat. Wenn jemand dadurch geschädigt wird, braucht er, um dagegen Effektiv vorzugehen, weitere Informationen: In diesem Beispiel die zuständige Aufsichtsbehörde und die zuständige Apothekerkammer.

Ein Reiseblogger oder Schmink-Youtuber kann/darf die Rechtsverletzung „Medikamente falsch aufbewahren“ gar nicht begehen. Deshalb braucht er die zuständige Apothekerkammer nicht im Impressum anzugeben.

Impressum: Die Gesetzesgrundalge

Die Pflicht ein Impressum für jedes Telemedium bereit zu halten ergibt sich aus:

§5 TMG

(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten: […]
sowie aus:

sowie aus:

§ 55 RStV
1) Anbieter von Telemedien, die nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen, haben folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:

1. Namen und Anschrift sowie
2. bei juristischen Personen auch Namen und Anschrift des Vertretungsberechtigten.

Von der Impressumspflicht ausgenommen sind also lediglich Internet-Angebote mit rein privatem oder familiärem Hintergrund.

Geschäftsmäßig?

Was im Einzelfall genau mit dem Begriff „geschäftsmäßig“ in §5 TMG gemeint ist, sorgt auch bei Juristen regelmäßig für Erklärungsnot. Konsens herrscht darüber, dass „geschäftsmäßig“ nicht „gewerblich“ (=mit Gewinnerzielungsabsicht) bedeutet. Wo genau zB. bei einem Vlog oder einem Blog über private Ereignisse die Grenze der „Geschäftsmäßigkeit“ überschritten wird, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Selbst gestandene Juristen wie Thomas Schwenke im Podcast Rechtsbelehrung (ca. bei 22.20 Min) und Christian Solmecke in einem Vortrag bei der Video-Day Academy (ca. bei 1.45 Min) geraten ins Schwimmen, wenn sie allgemein erklären sollen, was „geschäftsmäßig“ bedeutet.

Das Problem: Der Begriff „geschäftsmäßig“ deutet an, dass das Kriterium etwas mit Geschäftlichkeit, Gewerblichkeit, Kommerzialität zu tun hätte. Die Frage ist: „In welchem Umfang verdient dieses Telemedium Geld.“ Ein Impressum dient aber dazu, dass Rechtsverstöße eines Mediums geahndet werden können. Eine sinnvolle Frage, um zu entscheiden, ob ein Web-Angebot ein Impressum braucht wäre deswegen: „Wie viel Reichweite hat ein Medium? Und wie wahrscheinlich ist es deswegen, dass Rechtsverstöße (Urheberrecht, Äußerungsreht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht) überhaupt relevant werden?“

In der Praxis handhabt die Rechtsprechung den Begriff „geschäftsmäßig“ dann auch sehr pragmatisch. Alles was rein privat/familiär ist, gilt als privat, alles andere als geschäftsmäßig.

Wo ist das Impressum anzubringen?

Ein Impressum muss so auf dem Web-Angebot angebracht werden, dass ein Durchschnittsnutzer es finden kann, wenn er es sucht. Nach einem Urteil des BGH von 2006 reicht es dabei aus, wenn das Impressum von jeder Unterseite (jedem Video, jeder Podcast-Episode) mit 2 Klicks erreichbar ist:

Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist […], kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und
unmittelbare Erreichbarkeit […] zu stellen sind.

Das Wort Impressum taucht im Gesetzestext nirgendwo auf. Deswegen muss der Link zum Impressum auch nicht mit „Impressum“ bezeichnet werden. Es reicht irgendeine Formulierung, die der durchschnittliche Internet-User (oder das, was Gerichte für einen durchschnittlichen Internet-User halten) als Hinweis auf rechtliche Informationen erkennen kann. zB. „Kontakt“ oder „Rechtliche Informationen“.

Was ist eine „unmittelbare Kontaktmöglichkeit“?

Um es kurz zu sagen: unmittelbare Kontaktmöglichkeit meint eigentlich eine Telefonnummer. Im Einzelfall können jedoch auch andere Kommunikationskanäle verwendet werden. Der EuGH urteilte im Oktober 2008, dass eine Telefonnummer nicht zwingend erforderlich sei. Wichtig sei hingegen, dass Anfragen über den unmittelbaren Kommunikationskanal innerhalb von 60 Minuten beantwortet werden können. Im konkreten Fall ging es um ein Kontaktformular. Auf welche Kommunikationsdienste das Urteil noch anwendbar ist, bleibt umstritten.

Alternative Kontaktformular?

Das Kontaktformular ist also neben der Telefonnummer das einzige Kommunikationsmittel, das durch höchstrichterliche Rechtsprechung eindeutig als „unmittelbar“ anerkannt ist. Die Betreiber von selbst gehosteten Blogs und Webseiten können natürlich Kontaktformulare einrichten. Wer seinen Blog jedoch über WordPress.com, Tumblr oder Blogger betreibt, ist dazu rein technisch gar nicht in der Lage. Ähnliches gilt, für Podcaster, die ihre Sendungen nur bei ITunes oder soundcloud vertreiben und auch für Youtuber. Die weit überwiegende Mehrheit der Internet-Medien-Anbieter wird also entweder seine Telefonnumer angeben, oder ein rechtlich weniger abgesichertes Mittel wählen müssen.

Facebook, Twitter, Instagram?

Viele Blogger, Podcaster und Youtuber würden Kontaktanfragen sicher gerne über ihre Facebook, Instagram oder Twitter-Profile beantworten. Die Kanäle werden meistens ohnehin ständig gepflegt und beobachtet. Dort auch den rechtlichen Schriftverkehr abzuwickeln wäre höchst praktisch. Dazu gab es nun in der letzten Woche ein aktuelles Urteil des Berliner Kammergerichts. Beklagt war die Firma Whatsapp, weil sie in ihrem keine unmittelbare Kommunikationsmöglichkeit angegeben hatte.

Was entschieden die Richter? Seinen Twitter-Account als „direkte Kommunikationsmöglichkeit“ anzugeben, dürfte nach dem Urteil endgültig unmöglich sein. Grund: Twitterer können nur private Nachrichten austauschen, wenn sie sich gegenseitig folgen. Davon kann man aber nicht bei allen Internet-Usern ausgehen, die rechtliche Beschwerden gegen den Medien-Anbieter haben. Ähnliches dürfte für alle sozialen Medien gelten, in denen man nicht jedem Profil oder jeder Seite eine Nachricht schreiben kann.

Anders sieht es mit einer Facebook-Seite aus. Hier kann man ja durchaus Nachrichten an eine Seite schreiben. Im vorliegenden Fall wurde Whatsapp zwar verurteilt, weil sie auf ihrer Facebook-Seite gar nicht die Möglichkeit angeboten haben, ihnen Nachrichten zu schreiben. Ob eine Facebook-Seite jedoch generell als „unmittelbare Kommunikationsmöglichkeit“ gilt, ließen die Richter aber explizit offen. Die potentiellen Probleme liegen auf der Hand: Wie nicht jeder Internet-User bei Twitter von jedem Medienanbieter gefolgt wird, so hat auch nicht jeder Internet-User einen Facebook-Account. Ob das dem Kriterium der „unmittelbaren Kommunikation“ entgegen steht, haben Gerichte noch nicht entschieden.

Fazit: Nur die Facebook-Seite im Impressum anzugeben ist momentan noch etwas für Mutige.

Disclaimer und Datenschutzerklärung

Mit einem Impressum ist es nicht getan: Nach §13 TMG ist jeder Website-Betreiber dazu verpflichtet eine vollständige und aktuelle Datenschutzerklärung vorzuhalten. Außerdem empfehlen sich aus meiner Sicht bestimmte Haftungsausschlüsse im Umfeld des Impressums. Dabei ist viel Vorsicht geboten. Denn viele sehr verbreitete Haftungsausschlüsse gehören in die Kategorie „urbane Rechtsmythen“ und manche Formulierungen sind sogar selbst abmahn-fähig. Eine Übersicht über (meiner Ansicht nach) sinnvolle Disclaimer-Formulierungen folgt demnächst auf diesem Blog.

Ansonsten freue ich mich über Feedback und Rückfragen in Kommentaren.

 

 

KG Berlin: Whatsapp braucht deutsche AGB

Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass Whatsapp seine AGB in deutscher Sprache zur Verfügung stellen muss. Außerdem muss die Firma ihr Impressum berichtigen und einen schnellen und unmittelbaren Kommunikationsweg bereit stellen. Die Angabe von Twitter-Account und Facebook-Seite reichen nicht. Das Urteil kann Folgen für viele andere Internet-Diensteanbieter haben.

Whatsapp photo

Whatsapp muss seine AGB auf deutsch bereit halten. Das urteilte das Kammergericht Berlin in einem Urteil, dass erst in der letzten Woche veröffentlicht wurde. Bisher hatte das soziale Netzwerk seine Geschäftsbedingungen nur auf englisch zur Verfügung gestellt. Ein anders lautendes Urteil des Berliner Landgerichts hob das Kammergericht damit auf. Die Richter beriefen sich in ihrer Argumentation vor allem auf:

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Ein so komplexer und umfassender Text wie die Regelungen eines sozialen Netzwerks sei nicht klar und verständlich, wenn er in einer fremden Sprache formuliert sei. Zwar sei Englisch als Geschäftssprache mittlerweile gängig. Einen komplexen juristischen Text in all seinen Nuancen und Feinheiten in einer Fremdsprache verstehen zu können, sei jedoch für den beteiligten Verkehr nicht zumutbar. Verbraucher werden hierdurch unzumutbar benachteiligt.

Fehlende Kontaktmöglichkeit im Impressum

Des Weiteren monierte das Kammergericht, dass im Impressum von Whatsapp keine direkte Kommunikationsmöglichkeit mit dem Unternehmen angegeben war. Eine solche ist im Telemediengesetz zwingend vorgeschrieben:

§5 TMG

(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:

[…]

2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post,

Nach Rechtsprechung des EuGH muss eine Diensteanbieter auf diese „unmittelbare Kommunikation“ innerhalb von 60 Minuten reagieren können. Gewöhnlicherweise wird zur Erfüllung dieses Kriteriums im Impressum eine Telefonnummer/Hotline des Unternehmens angegeben. Whatsapp hatte lediglich auf die Firmen eigene Facebook-Seite und den Twitter Account verwiesen. Pikanterweise waren die Optionen der Facebook-Seite dabei so eingestellt, dass ihr keine privaten Nachrichten übermittelt werden konnten.

Ob eine Facebook-Seite generell den Anforderungen von §5 TMG genügen kann, hat das Kammergericht explizit offen gelassen:

Hierbei kann offenbleiben, ob dem schon entgegensteht, dass hier dritte Unternehmen eingeschaltet sind, was möglicherweise besagtes Erfordernis der Unmittelbarkeit außer Acht lässt.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema steht also noch aus. Die Problematik ist klar: Nicht jeder User besitzt einen Facebook-Account und somit können auch nicht alle User die Firma bei Facebook erreichen.

Für den vorliegenden Fall spielte das alles keine Rolle: Der Facebook-Seite konnten User keine privaten Nachrichten schreiben. Dem Twitter-Account ebenfalls nicht, weil private Nachrichten bei Twitter nur an Follower geschickt werden können. Damit gab es überhaupt keine Möglichkeit zur „elektronischen Kontaktaufnahme“.

Die Folgen

Das Urteil kann Folgen für verschiedene andere soziale Netzwerke haben, die ihre AGB ebenfalls nicht auf deutsch zur Verfügung stellen. Die grundlegende Frage ist dabei immer, ob deutsche Gerichte überhaupt zuständig sind. AGB sind eine Frage des Wettbewerbsrechts. Hier sind deutsche Gerichte nur zuständig, wenn sich das geschäftliche Angebot des Anbieters an einen deutschen Markt richtet.

Konkret könnten zum Beispiel die Musik-Plattform Soundcloud in Schwierigkeiten geraten. Sie hält ihre AGB ebenfalls nur auf Englisch vor. Dieser Umstand hat Sprengkraft, weil die Soundcloud AGB den Download von Songs der Plattform verbieten. Abgesehen davon, dass diese Regelung ohnehin umstritten ist: Weil die „Terms of use“ nicht in deutscher Sprache vorgehalten werden, könnten die entsprechenden Passagen nun in Deutschland unwirksam sein. Damit dürften sich User mit den vielen gängigen Download-Diensten Musik von der Plattform herunter laden.

Strafandrohung gegen CEO

Whatsapp wurde also verpflichtet, seine AGB auf deutsch anzubieten und sein Impressum zu korrigieren. Brisantes Detail: Bei Nichterfüllung wurden dem CEO Jan Koum sogar 6 Monate Ordnungshaft angedroht. Mindestens im Vergleich der Gerichtsurteile, die ich bisher kenne, scheint mir das nicht unbedingt üblich.

Sowohl das Urteil als auch die Strafandrohung lassen sich für mich in eine Tendenz der europäischen Politik und Rechtsprechung einordnen: Aufhebung des Safe Harbour Urteils. Die Auseinandersetzungen über Hatespeech bei Facebook. Die jüngsten Ermittlungen gegen Google in Frankreich. Lange hatten die großen Internet-Konzerne weitgehend losgelöst von nationalem Recht agiert. Oftmals hatten sie argumentiert nur nach amerikanischem Recht belangbar zu sein. Nun scheinen sich Regierung, Parlamente und Gerichte dazu entschlossen zu haben Google, Facebook und Konsorten an dem nationalen Recht der Länder zu messen, von denen aus ihre Dienste verwendet werden. Ob das Erfolg hat, bleibt abzuwarten.