Kritik am EU-Urheberrecht hält an. Webdesigner haften für Urheberrechtsverstöße. Weitere Urteile zu Filesharing. Irische Datenschützer klagen gegen EU-USA Vereinbarung. Angela Merkel ruft (unwissentlich) zu Urheberrechtsverletzungen auf.
EU-Urheberrecht
Die Kritik an Vorschlägen zur EU-Urheberrechtsreform reißt nicht ab. Im Zentrum der Kritik steht immer noch das hoch umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Nachrichten-Verlage sollen zukünftig daran verdienen, wenn andere Online-Dienste auf ihre Webseiten verlinken, und dabei kurze Snippets wie dieses hier anzeigen:
Europäisches Leistungsschutzrecht: „Das absehbare Chaos ist grenzenlos“
Im verlinkten Interview erläutert Dr. Till Kreutzer von Irights seine starken Bedenken gegen das Leistungsschutzrecht. Für Content-Anbieter aber auch für Verlage drohen riesige Rechtsunsicherheiten und bürokratische Hürdenläufe. Ob zB. die Darstellung von RSS-Feeds nach der Urheberrechtsreform noch erlaubt sei, könne momentan noch niemand sagen. Weil Leistungsschutzrechte nicht wie Urheberrechte eine kreative Mindestleistung erfordern, könnten Überschriften wie „Merkel trifft Putin“ zukünftig geschützt sein. Das würde bedeuten: Wenn eine Zeitung einmal so getitelt hat, darf 20 Jahre lang kein anderer Verlag diese Überschrift verwenden.
Sehr fraglich ist laut Dr. Kreutzer Günther Oettingers Statement, dass Privatnutzer bei Facebook oder Twitter nicht vom neuen Leistungsschutzrecht betroffen wären. Nach momentan geltendem Recht unterscheidet das Urheberrecht nicht zwischen privaten und gewerblichen Veröffentlichungen. Und im EU-Urheberrechtsentwurf steht auch nichts, was das ändern könnte. Als Oettinger in einem FAZ-Interview diese Position erstmals geäußert hatte, hatte ich bereits darauf hingewiesen. Oettingers Äußerungen im (leider nicht mehr zugänglichen) FAZ-Interview lassen leider nur einen Schluss zu: Der EU-Kommissar kennt die geltende Rechtslage nicht.
Im EU-Parlament formiert sich indes Partei-übergreifender Widerstand gegen das Leistungsschutzrecht. Die Bundesregierung evaluiert momentan, ob das Leistungsschutzrecht in Deutschland die gewünschte Wirkung erreicht hat. Der Fachausschuss „Ausschuss digitale Agenda“ hatte in einem Gutachten für die Bundesregierung bereits 2013 dafür plädiert das Gesetz wieder abzuschaffen.
Rückendeckung erhält Günther Oettinger überraschend durch ein erst jetzt veröffentlichtes Urteil des OLG München vom 14. Juli. Die Münchner Richter hatten zu entscheiden, ob ein News-Aggregator gegen das Urheberrecht einer Nachrichten-Seite verstoßen hatte, weil er Links zu dessen Artikeln gesetzt und dabei Snippets aus den Texten dargestellt hatte. Die Artikel waren durch eine Paywall geschützt. Entscheidung: Durch die Snippets habe der News-Aggregator die urheberrechtlich geschützten Inhalte öffentlich zugänglich gemacht und damit gegen das Urheberrecht verstoßen.
Sammlung von Artikeln zur EU-Urheberrechtsreform bei irgihts:
Filesharing-Urteile
In den letzten Wochen hatten sich die Urteil zu Filesharing bereits gehäuft. Im Zentrum der Urteile stand die Frage: Wie ausführlich muss ein Anschlussinhaber in einem Filesharing verfahren nachweisen, dass auch eine andere Person die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte? Reicht es aus, eine andere Person mit Zugriff auf das WLAN zu benennen? Oder muss der Anschlussinhaber weiter gehende Belege erbringen? Nach einer grundsätzlichen BGH-Entscheidung vor 4 Wochen und mehreren Urteilen auf Landes und Oberlandesgerichtsebene in der letzten Woche hatte ich geglaubt die Trendwende in der Rechtsprechung sei vollzogen.
In einem Urteil des LG Berlin vom 20. September ist jedoch wieder der gegenläufige Trend zu beobachten. Ein Familienvater war wegen Filesharing angeklagt und hatte sich darauf berufen, dass auch seine Frau und Kinder Zugriff auf den Internet-Anschluss hatten. Das Gericht entschied jedoch: Der Vater hätte das Router-Protokoll auslesen und die Browserverläufe seiner Angehörigen durchsuchen müssen. Zitat des Gerichts:
„Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle wäre besser – und notwendig gewesen.“
Das LG Berlin gilt in Urheberrechtsfragen als sehr konservativ. Dies stellt das Gericht erst kürzlich in seiner desaströsen Entscheidung im Fall Wikipedia vs. Reiss Engelhorn Museum erneut unter Beweis. Das Urteil zeigt, dass trotz des Grundsatzurteils des BGH noch immer keine ganz eindeutige Rechtsprechung besteht, und einzelne sehr konservative Gerichtshöfe anders entscheiden können.
Webdesigner haften für Rechtsverstöße
In einem Urteil hat das LG Bochum entschieden, dass ein Webdesigner für eine Urheberrechtsverletzung haftet. Die Kanzlei, für die er eine Website erstellt hatte, hatte eine Abmahnung erhalten, und verlangte von dem Webdesigner Regress. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Urteile, in denen Webdesigner für das Fehlverhalten ihrer Kunden haftbar gemacht wurden. Dieser Fall hier liegt anders: Der Webdesigner hatte selbst ein Foto auf der Website verwendet, für das er nicht die notwendigen Rechte eingeholt hatte. Dass das Gericht ihn dafür zur Verantwortung gezogen hat, kann niemanden überraschen.
Webdesigner-Haftung – Schadensersatz bei fehlerhafter Homepage-Erstellung
Impressum bei ebay
Die IT-Rechtskanzlei hat in einem Beitrag auf rechtliche Gefahren für Betreiber eines Ebay-Shops hingewiesen. Das standard-Impressum erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Wer bei Ebay Waren verkauft, sollte entsprechend nachbessern.
Datenschützer klagen gegen Abkommen
Nachdem der europäische Gerichtshof das Safe Harbour Abkommen zwischen der EU und den USA für verfassungswidrig erklärt hat, hatten EU und USA sofort begonnen über eine Nachfolgeregelung zu verhandeln. Seit 12. Juli ist der Vertrag nun beschlossene Sache. Der Vertrag regelt den Datenschutz bei Daten, die vom einen in den anderen Rechtsraum transferiert werden.
Der EuGH hatte Safe Harbour im Oktober 2015 gekippt. Hauptgrund war unter anderem: Die EU-Kommission überprüfe nicht, ob Datenschutzbestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden, nachdem die Daten in die USA übermittelt werden. Eine solche Überprüfung ist auch im neuen EU-US-Privacy-Shild nicht vorgesehen. Deswegen war lange erwartet worden, dass Datenschützer rechtlich gegen die Vereinbarung vorgehen würde. Diese Woche war es nun soweit: Irische Datenschützer haben beim Gericht der Europäischen Union (EuG) eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet.
Einwilligung erlischt nicht durch Zeitablauf
http://www.it-recht-kanzlei.de/einwilligung-werbung-e-mail-zeitablauf.html
Rundfunkbeitrag trotz religiöser Gründe
Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so wie der Rundfunkbetrag. Die Gründe sind vielfältig: Viele Bürger haben das Gefühl, dass die Rundfunk-Gelder ineffizient verwaltet werde, und/oder finden es ungerecht, dass sie den Rundfunkbeitrag bezahlen müssen, obwohl sie gar keine öffentlich rechtlichen Programme nutzen.
Bei so viel politischem Unmut ist es kaum verwunderlich, dass auch auf juristischer Ebene viel unternommen wurde, um den Rundfunkbeitrag zu kippen. Ein sehr intelligentes rechtliches Argument war zum Beispiel: Der Rundfunkbeitrag sei kein Beitrag sondern tatsächlich eine Steuer. Er dürfe deswegen nicht erhoben werden, weil die zuständigen Behörden gar nicht dazu legitimiert sind Steuern einzutreiben. Dieser Argumentation erteilte das Bundesverfassungsgericht im März eines Absage.
Nun hatte sich ein Gegner des Rundfunkbeitrags etwas neues ausgedacht: Ein Pastor einer freikirchlichen Gemeinde weigerte sich den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Er werde dadurch gezwungen die Inhalte der öffentlich rechtlichen Medien zu finanziere. Diese widersprächen jedoch teilweise seinem religiösen Weltbild. Auf Grund der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit ( GG §4 Absatz 1) dürfe er deswegen nicht dazu gezwungen werden, den Beitrag zu entrichten.
Wenig überraschend wies das Verwaltungsgericht Neustadt die Klage ab. Wie schon der Übergeordnete Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz fest gestellt hatte, sei mit der Zahlung des Rundfunkbeitrags kein weltanschauliches Bekenntnis verbunden.
Kanzlerin ruft zu Urheberrechtsverletzung auf
Nicht nur Günther Oettinger scheint die momentane Rechtslage im Urheberrecht Schwierigkeiten zu bereiten. Bei einer Partei-Veranstaltung der CDU Mecklenburg Vorpommern warb die Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, doch wieder öfter Weihnachtslieder zu singen:
Wie viel christliche Weihnachtslieder kennen wir denn noch und wie viel bringen wir denn unseren Kindern und Enkeln bei? Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann (…) mal bitten.
Wo ist das Problem? Ganz einfach. Was die Kanzlerin hier vorschlägt ist rechtswidrig: Noten haben im Urheberrecht nämlich einen gesonderten Status. Urheberrechtlich geschützte Noten dürfen nicht fotokopiert, sondern nur per Hand abgeschrieben werden. Das gilt selbst für private Nutzungen.
UrhG §53
(4) Die Vervielfältigung
- a)
graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig[…]
Eine Ausnahme besteht für Lieder, deren Komponist und Liedtexter bereits länger als 70 Jahre verstorben sind. (Vorausgesetzt es handelt sich nicht um neue wissenschaftliche Auflagen der Noten). Die Kanzlerin hat nicht spezifiziert welche Weihnachtslieder die Bürger kopieren und singen sollen. Greifen sie etwa zu „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski, wäre das eine klare Urheberrechtsverletzung.
Wenn schon die Regierungschefin eines Landes das Urheberrecht nicht mehr versteht, sollte man vielleicht andenken, es zu reformieren. 😉