Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 42

BND-Gesetz. EuGH schafft größeren Spielraum zum Tracking von IP-Adressen. Telefonnummer im Impressum bei Online-Shops nicht zwingend nötig. Wirtschaftsministerium will bei Störerhaftung nachbessern. EU-Kommission will Filterfunktionen für Content-Provider.

Es war eine ereignisreiche Woche im Medienrecht. Fangen wir an:

BND Gesetz

Das netzpolitische Hauptthema dieser Woche war das hoch umstrittene BND-Gesetz, das der Bundestag am Freitag (21.10.2016) verabschiedet hat.  Die Befugnisse des BND zur Überwachung von Internet-Kommunikation wurden darin erheblich erweitert. (Zum Gesetzesentwurf) Den genauen Inhalt des Gesetzesentwurfs haben die Kollegen von netzpolitik in diesem Video aufgearbeitet:

Wenig überraschend löste der Abschluss des Gesetzes nicht nur massive Proteste aus, sondern wird auch juristische Folgen haben: Die vormalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat angedroht gegen das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde anzustreben.

In der Tat drängt sich schon bei grober Lektüre des Gesetzesentwurfs die Vermutung auf, dass er gegen das Fernmeldegeheimnis und damit gegen das Grundgesetz verstoßen könnte:

Art 10

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Thomas Stadler hat in seinem Kommentar die größten Problem herausgearbeitet: Gemäß § 6 Abs. 4 BND-Gesetz soll der BND keine Kommunikation deutscher Staatsbürger überwachen:
(4) Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.
Bei der Überwachung von Datenknoten ist es dem BND aber technisch gar nicht möglich „deutsche“ Daten von „ausländischen“ Daten zu unterscheiden. Insofern verstößt der BND bereits gegen das BND-Gesetz.
Des Weiteren hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 entschieden, dass Geheimdienste auch dann gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen, wenn sie von deutschem Boden aus ausländischen Fernmeldeverkehr abhören.
Einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz werden deshalb gute Chancen eingeräumt.

EuGH erweitert Recht IP-Adressen zu speichern

Darf ein Website-Betreiber die IP-Adressen seiner User speichern und für zukünftige Seitenbesuche vorhalten? Um das zu beantworten ist entscheidend, ob IP-Adressen so genannte Personen bezogene Daten sind. Denn Personen bezogene Daten dürfen nur gespeichert werden, wenn der Users seine ausdrückliche Zustimmung gibt, und er  über die Verwendung der Daten genau unterrichtet wurde. Ob und wann IP-Adressen nun Personen bezogene Daten sind, war unter Internet-Rechtlern lange umstritten.
Der EuGH hat hierzu nun eine Grundsatzentscheidung gefällt. Die Antwort auf die Frage ist wie fast immer kein klares „Ja“ oder „Nein,“ sondern ein „Es kommt darauf an.“  IP-Adressen sind nur dann als Personen bezogene Daten zu bewerten, wenn der speichernde Diensteanbieter die Adresse dem konkreten User zuordnen kann. Weil Internetprovider diese Daten im Normalfall nicht an den Website-Betreiber herausgeben dürfen, ist das zunächst einmal nicht gegeben. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der User bestimmte Rechtsverstöße begeht. In diesem Fall gibt es gesetzliche Sonderregelungen, die es dem Website-Betreiber gestatten, den User hinter der IP-Adresse zu ermitteln. (im Urheberrecht zB. §101 UrhG )

Heißt das also paradoxerweise, dass IP-Adressen gerade dann nicht gespeichert werden dürfen, wenn der User Schaden anrichtet? Nein. Denn der EuGH hat gleichzeitig entschieden, dass §15 TMG des deutschen Telemediengesetzes europarechtswidrig ist.

Ein Website-Betreiber habe nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Online Angebot funktionsfähig bleibe. Und dieses berechtigte Interesse kann es rechtfertigen Personen bezogene Daten zu speichern. Es kann also notwendig sein IP-Adressen von Usern zu speichern, um Angriffe (wie etwa Bruteforce Attacken) von diesen Adressen aus zu verhindern.

Wann die Speicherung von IP-Adressen nun konkret gerechtfertigt ist, müssen nun niedere Gerichte im Detail klären.

Kommentar bei Thomas Stadler

EuGH entscheidet zum Personenbezug von IP-Adressen

Urteile zu Filesharing

In einem grundlegenden Urteil hatte der BGH bereits vor 2 Wochen Anschlussinhaber in Filesharing-Verfahren entscheidend gestärkt. In dieser Woche veröffentlichte die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke verschiedene Entscheidungen in Filesharing-Verfahren, die die Kanzlei betreut hatte. Bereits vor dem Urteil des BGH hatte auch das Amtsgericht Rostock in einem ähnlichen Fall gleich entschieden: Ein Anschlussinhaber ist nicht gezwungen im Detail nachzuweisen, wer einen Urheberrechtsverstoß über den Anschluss begangen hat. Es genügt andere Personen zu benennen, die ebenfalls den Anschluss genutzt haben könnten. Mit der gleichen Argumentation war die Kanzlei auch in einem Verfahren vor dem AG Stuttgart erfolgreich.

Das BGH Urteil und verschiedene Urteile niederer Gerichte zeigen also, dass sich die generelle Rechtsprechungslinie zum Filesharing zu ändern scheint. Wenn auch künftige Urteil bestätigen, dass der Anschlussinhaber lediglich eine Person mit Zugriff auf seinen Internet-Zugang benennen muss, könnte das das Geschäftsmodell von Massenabmahn-Anwälten grundsätzlich unrentabel machen.

In einem anderen Verfahren vor dem AG Köln konnte WBS ebenfalls einen Sieg davon tragen. Die klagende Partei hatte dem Mandanten der Kölner 11 Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen, konnte jedoch nur für einen einzigen Zeitpunkt einen Zugriff durch die IP-Adresse des Beklagten belegen. Nicht ausreichend! Das AG Köln wies die Klage ab. IP-Adressen-Ermittlungen haben eine Fehlerquote von bis zu 50%. Eine einzige Ermittlung der IP-Adresse begründe deswegen keinen hinreichenden Verdacht.

Ausweispflicht für Porno-Seiten

Großbritannien plant zur Sicherung des Jugendschutzes offenbar eine Ausweispflicht für den Zugang zu Pornoseiten. Um pornografische Inhalte abrufen zu können, soll ein User nachweisen, dass er älter als 18 Jahre ist. Wie das im Einzelfall genau überprüft werden soll, lässt der Gesetzesentwurf offen. Befürworter versicherten, dass lediglich das Alter und keine darüber hinaus gehenden persönlichen Daten verlangt werden sollen. Dennoch sehen Datenschützer den Entwurf kritisch.

Nachbesserung bei der Störerhaftung?

Gute Nachrichten gab es diese Woche überraschend aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Offenbar soll die missglückte Reform der Störerhaftung entscheiden nachgebessert werden. Um endlich die Betreiber freier WLANs vor Abmahnkanzleien zu schützen, hatte die große Koalition sich im Juni auf eine Gesetzesänderung verständigt. Diese viel jedoch enttäuschend aus. Denn die neue Rechtslage schützte WLAN-Betreiber zwar vor strafrechtlichen Folgen und vor Schadenersatzansprüchen, jedoch nicht vor dem Unterlassungsanspruch des Geschädigten. Dadurch waren Massenabmahnungen gegen WLAN-Betreiber jedoch weiter möglich. Genau das scheinen Netzpolitiker der Koalition nun ändern zu wollen.

Ich persönlich bleibe skeptisch, bis ein konkreter Gesetzestext vorliegt.

Muss die Telefonnummer ins Impressum?

Entgegen landläufiger Meinungen muss im Impressum eines gewöhnlichen Online-Angebots nicht zwingend eine Telefonnummer angegeben werden. Nach TMG §5 sind lediglich „Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen“ vorgeschrieben

Was genau unter einer unmittelbaren Kommunikation genau zu verstehen ist, ist im Einzelfall jedoch schwierig zu beurteilen. Nach einem EuGH Urteil von 2008 ist mindesten ein Kontaktformular zulässig. Ob etwa die Angabe einer Facebook-Seite als unmitelbare Kommunikation ausreicht ist noch unklar. Das KG Berlin wies in einem Urteil gegen Whatsapp in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass diese Frage noch nicht hinreichend geklärt ist.

Das alles gilt jedoch nur für reine Medienseiten. Anders sieht es bei Online Shops aus. Weil Kunden hier noch weiter gehende Anliegen haben können (zB. einen Umtausch von Waren) sind die Pflicht-Angaben für ECommerce-Angebote höher. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB ist hier die Telefonnummer vorgeschrieben:

Der Unternehmer ist, […] verpflichtet, dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung folgende Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen: […] sowie seine Telefonnumer, […]

Was ausdrücklich im Gesetzestext steht, muss doch Rechtslage sein. Oder? Nein, entschied das OLG Köln in einem Verfahren gegen den ECommerce-Riesen Amazon. Amazon stellt seinen Nutzern keine Telefonnummer sondern nur einen Rückruf-Service zur Verfügung. Nutzer können dort ihre Telefonnummer hinterlassen, und werden dann von Amazon-Mitarbeiern zurück gerufen. In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln diese Praxis als rechtens.

Rechtsartikel der Woche

Mein persönlicher Lieblingsartikel aus der Rechts-Blogosphäre war diese Woche ein Interview auf irights mit Doktor Ansgar Koreng. Der JBB-Anwalt kritisierte darin einen neuen Entwurf der Europäischen Kommission. Danach sollen Content Provider zukünftig dazu verpflichtet werden Filter-Systeme zu implementieren, die urheberrechtlich geschütztes Material automtisiert erkennen und sperren. Wenn etwa ein User bei Facebook, Deviantart oder Flickr ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Erlaubnis hoch lädt, soll es sofort gesperrt werden. Kurz gesagt: Die EU Kommission will, dass alle Plattformanbieter etwas ähnliches wie Youtubes Content-ID System einführen.

Im Interview gab Ansgar Koreng zu bedenken, dass auch Dienste wie Wikipedia formal betrachtet unter diese Richtline fallen würden. Zudem warnte er vor Eingriffen in die Informations- und Meinungsfreiheit der User. Sein (meiner Ansicht nach) bestes Argument ist aber: Die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist oft durch Ausnahmeregelungen im Urheberrecht erlaubt. (zB. Recht auf freie Benutzung nach §24 Urhg, Zitatrecht §51 UrhG). Ein automatischer Filter-Algorithmus kann solche Unterscheidungen jedoch nicht treffen. Solche Filtersysteme hätten also ein massives Overblocking von legalen Inhalten zur Folge. Ein Problem, dass auch bei der Youtube-Content-ID häufig vorkommt und ständig kritisiert wird.

Das grundlegende Problem an solchen Filtermechanismen, hat Leonhard Dobusch in einem Vortrag vor der Friedrich Ebert Stifung hervorragend dargelegt: Durch Systeme wie die Youtube-Content-Id treten Algorithmen an die Stelle von Gesetzen. Entscheidend ist nicht mehr was legal ist, sondern was sich technisch durchsetzen lässt.

 

EU Urheberrechtsreform – Angriff auf das Netz

In mehreren Entwürfen hat die EU-Kommission heute ihre Pläne zur EU Urheberrechtsreform vorgelegt. Die Vorschläge lösen im Urheberrecht wenige grundsätzliche Probleme, schaffen aber viele neue: Insbesondere das Leistungsschutzrecht für Presseverleger steht bereits jetzt massiv in der Kritik.

Gebäude des Europaparlaments in Straßbourg

EU Parlament in Straßburg (Frankreich) Foto von Frank Margo CC-BY 2.0

Nun ist sie da, die EU-Urheberrechtsreform. In mehreren Entwürfen hat die EU-Kommission ihre Vorschläge unterbreitet. Viel war im Vorfeld von dieser Reform erwartet worden: Nicht wenige hofften das Urheberrecht würde endlich an die soziale (und digitale) Realität des 21. Jahrhunderts angepasst. Schon im letzten Jahr zeichnete sich allerdings ab, dass keines der wirklich grundlegenden Probleme angegangen wurde. Was wir nun vor uns haben, sind Regelungen, die das freie Internet weiter beschränken werden. Die Vorschläge schaffen viele neue Baustellen: Zusätzliche Schranken, aufwendige bürokratische Verfahren und Rechtsunklarheiten.

Aus der Netzgmeinde und von den üblichen Urheberrechts- und Law-Blogs hagelte es sofort Kritik: die Piratenpartei-Abgeordnete Julia Reda, der Branchenverband der Digitalwirtschaft Bitkom, der Urheber- und Medienrechtsblog irights und heise kritisierten die Pläne scharf.

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Im Kern der Kritik steht das sicherlich gut gemeinte neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Journalistische Angebote erhalten nach Vorstellung des EU Kommissars Günther Oettinger zukünftig ein 20 Jahre andauerndes Leistungsschutzrecht. Das allein hört sich sinnvoll an. (Ist aber eigentlich unnötig, weil solche Inhalte auch nach bestehender Rechtslage bereits urheberrechtlich geschützt sind.) Das Problem: Google und andere Suchmaschinen sollen den Presse-Verlegern auch dann Lizenzen bezahlen, wenn sie lediglich kurze Snippets der Artikel in ihren Such-Ergebnissen anzeigen. Gleiches soll nach einem Interview Oettingers in der FAZ auch gelten, wenn Facebook oder andere kommerzielle Websites Presseangebote verlinken und dabei Text-Snippets und Bilder anzeigen.

Oettinger behauptet im Interview, dass diese Regelungen nicht für Privatnutzer gelten, die etwa links auf ihren Facebook-Profilen teilen. Das ist sehr fraglich. Denn nach momentaner Rechtslage unterscheidet das Urheberrecht von sich aus nicht zwischen kommerziell und nicht-kommerziell veröffentlichten Inhalten. Das jüngste Urteil zur Linkhaftung des EuGH schien in eine solche Richtung zu argumentieren. Eine klare gesetzliche Regelung, die im Urheberrecht zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Inhalten unterscheidet, liegt bis jetzt jedoch nicht vor. (Obwohl eine solche Regel sehr sinnvoll wäre) Und wie Julia Reda mit Recht anmerkt, ist im bisherigen Entwurf auch nicht geplant eine solche einzuführen.

Doch nehmen wir einmal an, Oettinger hätte Recht, und private Facebook-Nutzer wären von der Regelung nicht betroffen. Sie wäre dennoch eine Katastrophe.

Schwammig – aufwendig – realitätsfern

Das Netz lebt davon, dass Webseiten sich gegenseitig verlinken können. Dabei ist es in den letzten Jahren zum Standard geworden, dass dabei Teaser und Bild des verlinkten Artikels mit angezeigt werden. Das Content Management System WordPress (mit dem auch dieser Blog betrieben wird) zieht seit der Version 4.5 automatisiert Teaser und Bild, wenn ein anderer WordPress-blog verlinkt wird. Die Gründe liegen auf der Hand: Schon in den frühen 2000ern haben Studien ergeben, dass Links mit Teaser und Bild häufiger angeklickt werden. So profitieren alle Beteiligten: Der User kann sich einen besseren Überblick verschaffen, was für ein Artikel dort verlinkt ist, der Betreiber der verlinkenden Website bietet mehr Informationen für seine User und der Betreiber der verlinkten Website bekommt mehr und besseren Traffic.

Diese Praxis wird durch die geplanten Gesetzen jetzt unterbunden. Niemand wird mehr Links setzen, wenn er dazu vorher eine Lizenz einholen muss. Und dabei spielt es keine Rolle wie hoch oder niedrig der entsprechende Preis wäre. Der Verwaltungsaufwand ist schlicht zu hoch. Bevor irgendein Seitenbetreiber einen Links setzt, müsste er Kontakt zum Betreiber der verlinkten Seite aufnehmen. Der Betreiber der verlinkten Seite müsste ihm antworten. Dieser muss mit der Verlinkung einverstanden sein. Beide müssen sich über den Preis einigen. Und schließlich muss der Preis auch noch gezahlt werden. Ich selbst habe in diesem Artikel bisher 7 andere Webseiten verlinkt. Hätte ich für jeden Link dieses Prozedere absolvieren müssen, hätte das insgesamt wesentlich mehr Zeit in Anspruch genomen als diesen Artikel zu schreiben. Die Hauptaufgabe von Journalisten und Bloggern würde es also zukünftig Link-Rechte zu klären. Die Erstellung von Texten und Bildern würde nur noch einen geringen Bruchteil ihrer Arbeitszeit ausmachen.

Google und Facebook jubilieren

Wer meine verschiedenen Beiträge in der Vergangenheit verfolgt hat, weiß, dass ich bei weitem kein Freund von Google bin. Die Regelungen, die die EU-Kommission hier vorlegt sind jedoch realitätsfern. Google kann selbstverständlich nicht jeden Artikel vergüten, den sie in ihrem Index vorhalten und über die Suchmaschine zugänglich machen. Im Gegenteil würde das Gesetz dazu führen, dass viele journalistische Inhalte aus der Google-Suchmaschine verschwinden, und damit für den Großteil der Internet-User nicht mehr zugänglich sind. Wie irights sehr treffend analysiert hat, wird diese Entwicklung großen Medienhäusern helfen und kleine Mediendienste und Blogger benachteiligen. Gerade Websites, die noch keine große Leserschaft haben, profitieren momentan davon, dass ihre Artikel über Google aufgefunden werden.

Schlimmer noch: Das neue Leistungsschutzrecht hat das Potential die Monopole von Google und Facebook noch zu festigen. Kleinere Suchmaschinen oder Soziale Netzwerke können sich die Kosten für Verlinkungen nämlich noch viel weniger leisten, als die etablierten Player. Die EU-Urheberrechtsreform schützt die Monopolisten also noch weiter gegen neue Wettbewerber.

Wer denkt an Blogger?

Am härtesten getroffen werden durch die Regeln erneut Hobby-mäßige oder semi-professionelle Blogger. Ihr Status als „kommerziell“ oder „nicht kommerziell“ ist meistens unklar. Selbst wenn Oettinger also eine Regelung zum Schutz von „privaten“ Usern einführen würde: Die Blogger könnten sie nicht in Anspruch nehmen. Kein Blogger kann sich sicher sein als „Privater User“ zu gelten. Deshalb wird es auch kein Blogger riskieren, potentielle Urheberrechtsverstöße zu begehen.

Wie weiter oben erwähnt zieht WordPress übrigens automatisiert Teaser und Bild bei einer Verlinkung. Der Blogger selbst hat darauf keinen Einfluss und weiß häufig nicht, wie er das überhaupt verhindern kann.

EU Urheberrechtsreform: die Risiken und Nebenwirkungen

Die Kritik am Leistungsschutzrecht für Presseverleger hat die anderen Aspekte der EU Urheberrechtsreform fast überlagert. Es gibt jedoch noch weitere Probleme: Beispielsweise werden Host-Provider zukünftig gezwungen spezielle Software bereit zu stellen, um hoch geladenes Material sofort auf Urheberrechtsverstöße zu prüfen. Damit wird das Provider Privileg untergraben. Der Branchenverband Bitkom wies außerdem auf folgenden Umstand hin: Wenn explizit gesetzlich fest gelegt wird, dass Data-Mining durch Wissenschaftsinstitutionen erlaubt wird, dann heißt das im Umkehrschluss, dass jeder andere dieses Verfahren nicht anwenden darf. Durch systematische Auswertung von frei zugänglichen Daten im Internet haben besonders viele Startups bisher ihr Geschäftsmodell entwickelt. Sehr viel Kritik richtete sich auch an Themen, die entweder gar nicht angegangen oder nur unzureichend geregelt wurden.

Fazit

Mit der jetzigen EU Urheberrechtsreform hat die EU Kommission es versäumt das Urheberrecht an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Stattdessen hat sie mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger ein realitätsfremdes Rechtskonstrukt geschaffen, dass in der Praxis vielen Haupt- und Nebenberuflichen Medienschaffenden das Leben schwer machen wird. Heute war ein schlechter Tag für das Internet.