Die Petition der Mozilla Foundation für eine Urheberrechtsreform in Europa

Das Europäische Urheberrecht muss dringend reformiert werden.  Gegenwärtig verstoßen Kulturtechniken, die Millionen von Usern täglich praktizieren, gegen geltendes Recht. Die Mozilla Foudation hat eine Petition Online gestellt.

Time for Change (Zeit für Wandel)

geralt / Pixabay

Bereits vor einigen Wochen hat die Mozilla Foundation eine Petition für eine Urheberrechtsreform in Europa gestartet. Warum ich erst jetzt darüber bereichte, liegt an verschiedenen Gründen. Und der verkorkste EU-Urheberrechtsreform-Entwurf des Günther Oettingers ist nur einer davon. Das Urheberrecht muss reformiert und die Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden.

Tägliche Kulturpraxis ist illegal

Millionen Usern in Deutschland und Europa betätigen sich jeden Tag kreativ im Internet. Die Kulturpraktiken, die für sie selbstverständlich sind, verstoßen jedoch gegen das Urheberrecht: Wer Memes postet, Remixe oder Mashups zusammen schneidet, Fanfictions-Geschichten schreibt oder Fan-Art zeichnet, Cover- oder Karaoke-Versionen singt und veröffentlicht, wer Videoausschnitte in seinen Youtube-Videos verwendet oder einfach Bilder bei Facebook, Twitter oder Instagram hoch lädt, handelt in Deutschland rechtswidrig. Sogar wer nur einen Link bei Facebook postet, begeht womöglich einen Urheberrechtsverstoß, nur weil Facebook automatisiert  ein Vorschaubild aus dem Artikel zieht. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

In Ländern wie Frankreich oder Italien gibt es keine Panorama-Freiheit. Das bedeutet wer in diesen Ländern Gebäude oder öffentlich sichtbare Kunstwerke fotografiert, darf diese Fotografien nur veröffentlichen, wenn er dafür eine Erlaubnis des Künstlers oder Architekten hat. Und auch in Deutschland verstoßen mit Sicherheit Millionen von Facebook, Instagram, Pinterest oder Snapchat-Usern täglich unwissentlich gegen das Urheberrecht. Denn wer Poster, Magazine oder Speisekarten fotografiert, bräuchte eigentlich eine Genehmigung des entsprechenden Grafikers.

Die Liste von alltäglichen Urheberrechtsverletzungen ist fast endlos. Und ich habe noch nicht einmal das hirnrissige Urteil des LG Berlin im Fall Reiss Engelhorn Museum vs. Wikipedia erwähnt.

Veraltetes Urheberrecht

Als die Grundgedanken des Urheberrechts im 19. Jh. entwickelt wurden, herrschte noch eine völlig andere Lebenswirklichkeit. Medien verbreiten konnten damals nur große Verlagshäuser mit riesigem Kapital und großen Rechtsabteilungen. Dass etwas veröffentlicht wurde, war die Ausnahme und nicht die Regel. Und jedem, der dazu in der Lage war etwas zu veröffentlichen, konnte zugemutet werden, die Rechtslage zu kennen (oder wenigstens jemanden dafür zu bezahlen die Rechtslage zu kenen).

In den heutigen, digitalen Zeiten sieht alles anders aus: Über das Internet und die Sozialen Netzwerke kann jeder ständig alles publizieren. Zwischen den Bereich des Privaten und des Öffentlichen ist ein Zwischenbereich getreten: Der Bereich des kleinen privaten Twitter, Facebook oder Instagram-Accounts, den zwar theoretisch jeder anschauen könnte, der aber tatsächlich nur von einigen Freunden und Familien-Angehörigen angeschaut wird. Für diesen Bereich gelten momentan die gleichen Regelungen wie für professionelle Medien-Schaffende. Plakativ gesagt: Ein 14-Jähriger muss auf seinem Facebook-Account die gleichen Gesetze einhalten wie ARD und ZDF.  Leonhard Dornbusch hat erst jüngst in einigen Artikeln bei Netzpolitik das Problem nochmals herausgearbeitet: Ein komplexes Rechtsgebiet, das für professionelle Medien-Schaffende gedacht war, bestimmt gegenwärtig den Alltag von zahllosen Menschen, die darüber nichts wissen (wollen).

Reformvorschläge

Die Vorschläge für ein Wirklichkeits-nahe Urheberrechtsreform werden schon lange diskutiert und konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch: Eine Schrankenregelung nach dem Vorbild des US-Amerikanischen Fair Use. Ein Recht auf Remix. Weitere Schrankenregelungen für die Semi-Öffentlichkeit in Sozialen Netzwerken. Nun würde es langsam Zeit diese Vorschläge umzusetzen. Das wäre im Sinne der Internet-Nutzer und der gesamten Rechtsordnung.

Denn wie gesagt: Die Urheberrechtsverstöße finden bereits täglich Millionenfach statt. Alle zu sanktionieren ist schlicht unmöglich und wird auch nur in den seltensten Fällen unternommen. Wenn ein Staat zulässt, dass geltendes Recht regelmäßig in erheblichem Umfang gebrochen wird, unterminiert das die Legitimität der gesamten Rechtsordnung.

Wer etwas für eine moderne Gesellschaft und für das Urheberrecht tun will, kann die Petition der Mozilla Foundation hier unterschreiben.

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Thomas Morus

Thomas Morus (1478-1535) war Autor, Staatsmann und Jurist. Und lehrte als Professor für Jura an der Law-School Lincoln's Inn. Als Autor und Poet schrieb er Prosa und philosophische Abhandlungen. Sein berühmtestes Werk ist die Utopia. In ihr entwirft er eine perfekte Gesellschaft, in der alle Menschen in Frieden leben und sich nach ihren Möglichkeiten entwickeln können. Hinter dem digitalen Thomas Morus steckt Thomas Reeh. Journalist, Online-Redakteur und Blogger.

 

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