Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 50

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite. Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden. Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor. Anhaltende Kritik an Linkhaftung. Initiative zur endgültigen Abschaffung der Störerhaftung. Stellenanzeigen nicht zwingend urheberrechtlich geschützt.

Arbeitsrecht

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite

Betriebsräte haben in Deutschland verhältnismäßig viel Einfluss. Zum Beispiel müssen sie zustimmen, wenn die Leistung oder das Verhalten von Mitarbeitern durch technische Maßnahmen überwacht wird.

§87 Betriebsverfassungsgesetz

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen

[…]

6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

Was aber, wenn die Überwachung nicht direkt durch technische Maßnahmen erfolgt, aber zB. Kunden Online-Feedback geben können? Auch hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, entschied jetzt das Bundes Arbeitsgericht. Im vorliegenden Fall hatte das Deutsche Rote Kreuz eine Facebook-Seite zu Marketing-Zwecken eingerichtet, auf dem sich jedoch Nutzer über einzelne Schwestern und Ärzte beschwerten.

Christian Solmecke von der Kanzlei WBS kritisierte das Urteil: Die Facebook-Seite sei zu Marketing-Zwecken und nicht zum Zwecke der Überwachung der Mitarbeiter angelegt worden. Deshalb sei sie nicht als technische Einrichtung zur Überwachung zu werten.

Urheberrecht

Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor

Im April diesen Jahres entschied der BGH bekanntermaßen, dass nach dem gängigen Urheberrecht die Kopiervergütung an urheberrechtlich geschützten Werken alleine dem Urheber zusteht und Verlage daran keinen Anteil haben:

Schon unmittelbar nach dem Urteil, wurden Stimmen laut eine neue Rechtsgrundlage für die Verlegerbeteiligung zu schaffen. Nun hat die Regierungskoalition ihre lang angekündigte Urheberrechtsreform im Bundestag verabschiedet. Neben Maßnahmen, die schon länger geplant waren, wurde darin die Verlegerbeteiligung auf neue rechtliche Grundlage gestellt. Es gibt gewisse Bedenken, dass das neue Gesetz gegen Europarecht verstoßen könnte. Ein etwaiges Verfahren vor dem EuGH bleibt abzuwarten.

An anderer Stelle stärkt das neue Urheberrecht die Urheber: Wenn Urheber Nutzungsrechte an ihren Werken an Verwerter einräumen, haben sie zukünftig erweiterte Auskunftsrechte. Nach 10 Jahren fallen die Rechte außerdem automatisch an sie zurück.

Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden

An Schulen und Universitäten werden täglich tausende wissenschaftliche Texte kopiert oder den Schüler/innen und Studenten/innen online zugänglich gemacht. Das ist absolut wesentlich, denn ohne die entsprechende Fachliteratur kann niemand in einer Bildungseinrichtung etwas lernen. Da wissenschaftliche Texte jedoch dem Urheberrecht unterstehen, stellt sich die Frage, wie die Autoren der Texte vergütet werden. Für Texte, die über Intranet-Plattformen wie Moodle zugänglich gemacht werden, regelt das §52a UrhG. Bildungseinrichtungen dürfen danach die Texte zur Verfügung stellen, müssen dafür aber eine Vergütung entrichten, die durch die VG Wort eingezogen wird.

Bislang war es so, dass die Universitäten Pauschalbeträge bezahlten. Die VG Wort versucht dagegen seit geraumer Zeit durchzusetzen, dass die Bildungseinrichtungen für jeden einzelnen Text bezahlen sollen. Die Hochschulen protestieren: Jeden einzelnen Text zu erfassen, der den Studenten/innen zugänglich gemacht wird, sei schlicht zu aufwendig. Einige Hochschulen hatten sogar angedroht, in diesem Falle gänzlich auf digitalisierte Literatur zu verzichten, und wieder Kopiervorlagen zur Verfügung zu stellen.

Zum Glück scheint diese Rückkehr in prae-digitale Zeiten nun zunächst abgewendet. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums von Nordrhein Westfalen einigte sich eine Arbeitsgruppe aus Kultusministern, Hochschulen und der VG Wort in letzter Minute darauf, die bisherige Praxis mindestens bis September 2017 fortzusetzen. Gut für die deutschen Hochschulen.

Filesharing Urteile

Um meinen Lesern ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sich die Rechtsprechung zu Filesharing entwickelt, berichte ich wöchentlich über interessante Urteile in diesem Bereich. Das AG Düsseldorf wies in einem aktuellen Urteil eine Filesharing-Klage ab. Der Angeklagte sollte ein Musikalbum per Filesharing öffentlich zugänglich gemacht haben. Er konnte jedoch nachweisen, dass er am fraglichen Wochenende Freunde zu einem Online-Spiel-Wochenende eingeladen und ihnen dabei Zugriff auf seinen Internet-Anschluss gewährt hatte. Das Gericht sah dadurch die so genannte Sekundäre Darlegungspflicht erfüllt, weil dadurch die reale Möglichkeit Bestand, dass ein anderer den Verstoß begangen haben könnte.

Anders entschied das LG Leipzig in einem aktuellen Fall. Hier hatte ein Familienvater dargelegt, dass seine Kinder im Haushalt Zugriff auf das Internet hätten. Damit kamen auch hier real andere Personen als der Angeklagte in Frage. Das LG Leipzig entschied jedoch, dass der Sekundären Darlegungspflicht hier nicht genüge getan wurde. Das Urteil des LG Leipzig widerspricht der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshof in dieser Frage und auch der Rechtsprechungs-Tendenz der vergangenen Wochen und Monate.

Wird die Störerhaftung endgültig abgeschafft?

Im Mai diesen Jahres gelang dem Bundestag ein PR-Coup. Er beschloss ein Gesetz um die Störerhaftung endlich abzuschaffen. Eine Maßnahme, die die Öffentlichkeit seit Jahren gefordert hatte. Leider erfüllte die Gesetzesänderung nicht was sie versprach. Denn sie schaffte nicht den Unterlassungsanspruch ab, der die rechtliche Grundlage für Filesharing-Abmahnungen ist.

Nun wird das Land Schleswig Holstein eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbringen, die genau diese Lücke schließen soll. Die Initiative war ursprünglich von der Fraktion der Piratenpartei im Landtag von Schleswig Holstein eingebracht und mit der Unterstützung mehrerer Fraktionen beschlossen worden.

Da ich in der Vergangenheit auf derartige Initiativen wohl zu optimistisch reagiert habe, werde ich erst einmal abwarten, was passiert.

Stellenanzeige nicht urheberrechtlich geschützt

Bekanntlich muss ein Text – genau wie jedes andere Werk im Urheberrecht – eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Über die Frage, wann genau ein Text kreativ und individuell genug ist, um die Kriterien der kleinen Münze zu erfüllen, darüber wurden schon viele Prozesse geführt.

In einem Fall, den da KG Berlin zu entscheiden hatte, war eine Stellenanzeige fast 1 zu 1 kopiert und online gestellt worden. Ein Urheberrechtsverstoß? Nein, entschied das Gericht. Die Stellenanzeige hatte lediglich aus Tätigkeiten und Voraussetzungen des Jobs bestanden, die mit Spiegelstrichen aufgelistet wurden. Diese technischen Beschreibungen waren durch die tatsächliche Tätigkeit im Job vorgegeben. Die Auswahl war deshalb nicht kreativ. Und auch sprachlich war die Anzeige nicht individuelle gestaltet. Der persönlich formulierte Einleitungssatz reichte nicht aus, um die Anzeige hinreichend zu individualisieren. Insgesamt hebe sich der geistig-schöpferische Gesamteindruck nicht von der Masse der Stellenanzeigen ab. Deshalb war in diesem Fall die Anzeige nicht urheberrechtlich geschützt.

Linkhaftung

Bereits in der letzten Woche hatte ich über das Urteil des LG Hamburg zur Linkhaftung berichtet. Das Urteil hat jedoch so schwerwiegende Folgen, dass sich auch in dieser Woche wieder zahlreiche Rechts-Blogger damit auseinander setzten. Die heise-show ist in ihrem Podcast nochmals ausführlich der Frage nachgegangen: „Was darf man noch verlinken?“Die IT-Rechts-Kanzlei hat noch einmal detailliert die Rechtslage und Rechtsprechung rekapituliert und aufgezeigt, was Online-Händler nun beachten müssen. Carsten Ulbricht hat die Urteilsbegründung noch einmal genau analysiert und mahnt in seinem Blog-Artikel zur Ruhe. Der Angeklagte habe sich schlecht verteidigt, weshalb das Urteil wenig respräsentativ sei. Ob ein Linksetzer auch dann haftet, wenn er die verlinkte Urheberrechtsverletzung tatsächlich nicht erkennen konnte, habe das LG Hamburg gar nicht entschieden. Der Angeklagte habe im Gegenteil in folgendem Zitat eingeräumt, eine Prüfung nicht für notwendig gehalten zu haben:

„Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.”

Ulbrichts Analyse hat sicherlich einiges für sich. Die zentralen Bedenken der meisten Kritiker sind dadurch aber nicht zerstreut. Denn es bleibt ja dabei: Die Richter sind davon ausgegangen, dass eine Prüfungspflicht (wie auch immer diese aussehen mag) besteht und hier verletzt worden ist. Was für Nachforschungen soll ein Linksetzender aber bitte durchführen, um eine solche Prüfungspflicht zu erfüllen? Ein zentrales Urheberrechtsregister existiert nicht. Eine Prüfung, ob die Bilder anderswo im Netz vorliegen, bringt keine endgültige Sicherheit und ist je nach Anzahl der Unterseiten und Bilder auf der verlinkten Seite auch praktisch nicht durchführbar. Die einzige Art von Nachforschung, die marginal größeren Erkenntnisgewinn bringen könnte, als eine bloße Prüfung nach Augenschein, wäre vom Webmaster der verlinkten Seite eine verbindliche Auskunft anzufordern. Eine solche Prüfung ist jedoch in der täglichen Redaktionspraxis praktisch unmöglich. Heise konnte bereits zeigen, dass nicht einmal das LG Hamburg selbst dazu in der Lage war, rechtzeitig eine solche Auskunft zu erteilen.

Das Urteil ist und bleibt eine Herausforderung für die Online-Community.

Presserecht

Facebook Kriterien gegen Hatespeech

Der Süddeutsche Zeitung liegen offenbar interne Dokumente vor, aus denen hervor geht, nach welchen Kriterien Hatespeech-Kommentare bei Facebook gelöscht werden. Danach werden Kommentare gelöscht, wenn sie gegen Mitglieder so genannter geschützter Kategorien gerichtet sind. Durch die Richtlinien werden damit in erheblichem Ausmaß Äußerungen gelöscht, die zwar moralisch verwerflich sein mögen, rein rechtlich aber nicht zu beanstanden sind.

Wie ich bereits mehrfach geäußert habe, bewerte ich die zunehmende Privatisierung der Rechtsdurchsetzung als ausgesprochen problematisch. Welche Äußerungen tatsächlich getätigt werden können und welche nicht, wird zunehmend nicht mehr durch Gesetzgebung und Rechtsprechung bestimmt, sondern durch schwammige Begriffe in den AGBs großer Plattformanbieter.

Empfehlung der Woche

Stephan Dirks hat einen herrlich ironischen Blog-Beitrag zur Fake News-Debatte verfasst. Ungewollt philosophisch geht er dabei darauf ein, was Wahrheit in juristischen Zusammenhängen bedeutet oder mit seinen eigenen Begriffen: Wie Prozessordnungen Wahrheit erzeugen. Absolut lesenswert.

Da ich in den letzten beiden Wochen des Jahres irgendwo zwischen Bonn, Paris, Heidelberg und Berlin herum irren werde, bin ich mir nicht sicher, ob es in diesem Jahr noch weitere Wochenrückblicke geben wird. Falls nicht wünsche ich allen geneigten Lesern frohe Weihnachten und einen guten Start ins Jahr 2017.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 47

Zensur gegen Bruno Kramm eingestellt.BGH-Urteil zu Filesharing und W-Lan-Sicherheit. Holocaust-Leugnerin verurteilt. Black Friday-Abmahnungen. Facebook Anti-Hatespeech Maßnahmen. 

Äußerungsrecht

Polizeipräsident beendet Zensur wegen Böhmermann Gedicht

Der Berliner Polizeipräsident hat Anscheinend das Verfahren gegen den ehemaligen Piratenpartei Vorsitzenden Bruno Kramm eingestellt. Das berichtete Bruno Kramms Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Für diese Maßnahme wurde es höchste Zeit, denn spätestens seit der Einstellung des Verfahrens gegen Jan Böhmermann Mitte Oktober entbehrte das Vorgehen der Berliner Polizei jeglicher Rechtsgrundlage (wie ich in den Wochenrückblicken zur KW 40 und KW 41 bereits bemerkt habe)

Bruno Kramm hatte am 22. April 2016 vor dem türkischen Konsulat Teile des umstrittenen Schmähgedichts von Jan Böhmermann zitiert, diese jedoch analysiert und kritische Stellen im Gedicht als „schmierig“ und „rassistisch“ bezeichnet. Die anwesenden Polizeikräfte verhafteten Bruno Kramm daraufhin mit dem Argument die Wiedergabe des Gedichts sei eine Straftat. Eine Rechtsargumentation, die bei mir blankes Entsetzen ausgelöst hat, wie man mir glaube ich im Video anmerkt:

Vielleicht steckte mir in meiner Beurteilung noch in den Knochen, dass ich selbst auf Grund des Böhmermann Gedichts rechtliches Ungemach hatte. Mein Analyse-Video über das Schmähgedicht wurde damals kurzfristig von Youtube entfernt. Grund war ein unberechtigter Copyright-Claim des ZDF, den ich glücklicherweise ausräumen konnte.

Das Vorgehen gegen Kramm war jedoch noch erheblich unberchtigter: Denn Kramm hatte die Äußerungen Böhmermanns lediglich zitiert, um sie zu analysieren, und sich von fraglichen Äußerungen sogar ausdrücklich distanziert. Er hat sich Böhmermanns Aussagen also keinesfalls zu eigen gemacht. Noch erschreckender als die äußerungsrechtliche Fehleinschätzung der Polizei empfand ich jedoch die Entscheidung des VG Berlin. Denn das Gericht rechtfertigte nicht nur das Vorgehen der Polizei, sondern verlangte von Bruno Kramm zukünftig vor solchen Äußerungen ein Redemanuskript zur Prüfung bei der Polizei einzureichen. Ein eindeutiger Verstoß gegen das verfassungsmäßig garantierte Verbot von Zensur.

Grundgesetz §5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Nicht umsonst hatte ich das Urteil damals unter dem etwas polemischen Titel „VG Berlin führt Vorzensur in Deutschland ein“ kommentiert. Glücklicherweise hat der Rechtsstreit nun ein glimpfliches Ende genommen. Nach Angaben von Rechtsanwalt Markus Kompa klagt die Piratenpartei weiterhin gegen die Berliner Polizei und fordert nun die Kosten des vorherigen Verfahrens ein. Nach ihrer Meinung hätten die Behörden erkennen müssen, dass die Vorwürfe gegen Kramm unberechtigt sind. Eine Rechtsposition, die meiner Ansicht nach schwer von der Hand zu weisen ist.

Holocaust Leugnerin erneut verurteilt

Das Zensurverbot in §5 GG verbietet es dem Staat Äußerungen seiner Bürger zu verhindern. Es verbietet jedoch nicht rechtswidrige Äußerungen im Nachhinein zu sanktionieren. Das musste nun auch die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck erneut erfahren. Haverbeck hatte in 8 Artikeln für die rechtsextreme Zeitschrift Stimme des Reiches behauptet der Völkermord an den Juden habe nicht stattgefunden. Die Gaskammern in Auschwitz seien zu Propagandazwecken von Westalliierten erbaut worden.

Das Amtsgericht Verden verurteilte die 88-jährige zum 8. Mal wegen Volksverhetzung. Haverbeck wurde damit nun insgesamt zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Keines der Urteil ist bisher rechtskräftig. In der Urteilsbegründung erklärten die Richter Haverbecks rechtsextremen Ansichten eine klare Absage. Holocaust-Leugnung sei keine schutzwürdige Meinungsäußerung und durch den Schutzbereich von §5 GG nicht abgedeckt.

§ 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.     gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2.     die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,  wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Naturgemäß anders sah das Wolfram Nahrath der Anwalt der Verteidigung, der selbst dem rechtsextremen Spektrum angehört. Der Volksverhetzungsparagraph sei nicht anwendbar, weil er verfassungswidrig sei. Eine Ansicht, die nach der Rechtslage, der gängigen juristischen Fachliteratur und der ständigen Rechtsprechung sehr schwer zu begründen erscheint.

Hatespeech bei Facebook

Thomas Stadler hat in einem Lesenswerten Blogartikel die Löschpraxis von Hasskommentaren aus rechtlicher Sicht analysiert. Anlass war ein Artikel auf mobilegeeks, die durch interne Quellen nähere Details zum Löschverfahren bei Facebook öffentlich machen konnten: Wird in Deutschland ein Facebook-Kommentar als Hatespech gekennzeichnet, so wird die manuelle Überprüfung im Auftrag von Facebook von der Arvato AG, einer Bertelsmann-Tochter vorgenommen. Die 600 Mitarbeiter der Arvator AG überprüfen die Kommentare dann anhand eines Kriterien-Katalogs von Facebook. Stadler kritisiert zurecht, dass hier ein Parallelrecht etabliert wird. Die Rechtsdurchsetzung wird nicht mehr von staatlichen Stellen nach rechtlichen Kriterien tatsächlich vorgenommen. Den Entscheidungen fehlt jegliche Legitimität auf Basis der demokratisch legitimierten Rechtsordnung. Zumal die Facebook-Richtlinien mit juristisch nicht definierten Begriffen wie Hatespeech arbeiten. Nicht alles, was Facebook-Nutzer als Hatespeech wahrnehmen, ist jedoch auch rechtswidrig. Diese  Tendenz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit ohne formalrechtliche Grundlage ist bedenklich.

Urheberrecht

Filesharing: Voreingestellte Passwörter können ausreichen

Wird von einem Internetanschluss aus ein Filesharing-Vergehen begangen, so erklären die Anschlussinhaber häufig, ihr W-Lan-Router sei gehackt worden, und ein unberechtigter Dritter habe die Urheberrechtsverletzung begangen. Häufiges Gegenargument: Das betreffende W-Lan war nicht hinreichend abgesichert, der Anschlussinhaber habe seine Sicherungspflicht nicht erfüllt und sei demnach trotzdem für den Rechtsverstoß haftbar.

In dieser Situation streiten Juristen und Gerichte häufig darum, wann genau ein W-Lan-Netzwerk hinreichend abgesichert ist. Im Grundsatzurteil Sommer unseres Lebens, hatte der BGH entschieden, dass ein einfaches Passwort des Routers von Werk aus nicht ausreicht. Nun veröffentlichte der BGH eine Pressemeldung zu einem neuen Urteil.

Nach der Pressemeldung hat der BGH entschieden, dass Werkspasswörter doch eine hinreichende Sicherheitsmaßnahme sein können. Und zwar dann, wenn der Hersteller nicht für alle Router einer Serie das gleiche Passwort vergibt, sondern für jedes Gerät ein individuelles.

Stephan Dirks hat in seinem Blog zurecht darauf hingewiesen, dass die genaue Urteilsbegründung noch nicht im Volltext vorliegt, und Pressemeldungen grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen sind. Thomas Stadler gab ebenfalls mit Recht zu bedenken, dass dieser Sachverhalt in einem Rechtsstreit überhaupt nur dann Relevanz hat, wenn ein Hackerangriff überhaupt ernsthaft und konkret in Betracht kommt. In der Tendenz ist das Urteil begrüßenswert. Nichtsdestotrotz ist jedem Internet-Nutzer zu raten, sein W-Lan-Passwort zu individualisieren.

Filesharing Urteile

Ich berichte in den letzten Wochen häufig über einzelne Filesharing Fälle. Das ist deswegen von Relevanz, weil sich nach einem Grundsatzurteil des BGH vor einigen Wochen, eine Änderung in der Rechtsprechungslinie heraus kristallisiert, die ich zu dokumentieren versuche. Nun hat auch das AG Hannover sich der Tendenz der letzten Wochen angeschlossen: In einem Urteil entschied es, dass bei Familienanschlüssen keine hinreichende Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht, wenn mehrere Personen Zugriff auf den Router hatten.

Bundesverfassungsgericht sieht Rechte von Suchmaschinen

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sieht vor, dass Suchmaschinen wie Google für die Nutzung kleiner Snippets in ihren Suchergebnissen Gebühren an Presse- und Medienverlage zahlen müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu diesem Sachverhalt nun geäußert, und dabei in einer Urteilsbegründung fest gestellt, dass Suchmaschinen eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllen, und damit auch bestimmte Interessen und Rechte verbunden sind. Konkret müssen Suchmaschinen dazu in der Lage sein Textausschnitte zu verwenden, um Usern das Auffinden von Informationen möglich zu machen. Gerichte müssten dieses Interesse berücksichtigen, wenn sie Urteile fällen. Insbesondere bei der Beurteilung von Begriffen wie Presseerzeugnisses und kleinster Textausschnitt sollen Gerichte die Interessenlage im Hinterkopf behalten.

E-Commerce

Black Friday Abmahnungen

Am Freitag war der berüchtigte Black Friday, der letzte Freitag im November und der Tag nach dem amerikanischen Thanksgiving. An diesem Tag locken in den USA Vertreter des Einzelhandels traditionell mit Sonderangeboten, und eilen von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord. Auch in Deutschland ist die Werbung mit Black Friday-Angeboten mittlerweile angekommen. Doch von der rechtlichen Seite droht Ungemach. Ein Unternehmen aus Hong Kong hat sich den Begriff Black Friday 2013 als Marke eintragen lassen, und verschickt nun Abmahnungen an Händler, die mit dem Begriff werben.

Rechtsanwalt Thomas Stadler vermutete in seinem Blog mit Blick auf das Warensortiment der Firma, dass die Markeneintragung von vornherein mit Blick auf das Abmahn-Geschäft vorgenommen wurde. Sollten Gerichte dem zustimmen, sind die Abmahnungen der Super Union Holdings Ltd haltlos. Denn wenn Abmahn-Gewinne in keinem Verhältnis mehr zur eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens stehen, entscheiden Gerichte regelmäßig gegen den Abmahnenden.

Korrekte Versandkosten bei Ebay

Wer Waren bei der Online-Plattform Ebay gewerblich verkauft, muss zahlreiche rechtliche Details beachten, um keine unerwünschte Abmahnung im Briefkasten vorzufinden. In einem sehr guten Artikel hat die IT-Rechts-Kanzlei nun auf eines der Risiken hingewiesen: Wer den Versand in ein bestimmtes Gebiet anbiete, der müsse auch die Höhe der konkreten Versandkosten angeben. Die Länder, für die Händler einen Versand anbieten, können sie im Backend von Ebay einstellen.

Alternative Streitbeilegung: Neue Regelungen 2017

Einführungsartikel, Urteile, Pressemeldungen, panische Diskussionen in Foren und Facebook-Gruppen und Änderung über Änderung. Kaum ein Thema hat Online-Händler und Portalbetreiber je so in Aufruhr versetzt, wie die Einführung der alternativen Streitbeilegung dieses Jahr. Die Regelung sorgt nach wie vor für viel Panik und Unverständnis bei Händlern und Internetnutzern. 2017 wird sich nun noch einmal einiges ändern. Was genau hat die IT-Rechts-Kanzlei in einem Überblick zusammen gestellt.

Leseempfehlung der Woche

Wie man hier und da in dem einen, oder anderen Artikel oder Vortrag von mir bemerken kann, störe ich mich sehr an der Rechtsauffassung und der (Un-)Rechtsdurchsetzungspolitik des Reiss Engelhorn Museums Mannheim. Erst überschüttete das Museum kleine Webseiten und Blogs mit Abmahnungen. Dann verklagte das Haus Wikipedia gleich mehrfach. Die (aus meiner Sicht lächerliche) Rechtsposition: Reproduktionsfotografien von Gemälden sollen selbst als Lichtbilder Schutz durch das Urheberrechtsgesetz genießen.

Irights hat sich jetzt abseits von der konkreten juristischen Frage mit der zugrunde liegenden gesellschaftspolitischen Debatte beschäftigt. Lesenswert.