Urteil gegen Wikipedia – Die Entscheidungsgründe des LG Berlin

Die Entscheidungsgründe für das Urteil des Berliner Landgericht gegen Wikipedia liegen nun vor. Im Rechtsstreit  mit dem Reiss-Engelhorn-Museum war der Online-Enzyklopädie verboten worden einige Bilder zu verwenden. Meine Analyse der Entscheidungsgründe.

Für das desaströse Urteil des LG Berlin hat die Wikicommons-Foundation mittlerweile die Urteilsbegründung veröffentlicht. Warum das Urteil aus meiner Sicht ein vollkommen falsches Signal sendet und womöglich schwere Folgen für die Kultur im Internet haben wird, habe ich bereits hier erläutert. Doch widmen wir uns den Entscheidungsgründen doch einmal im Einzelnen.

Gemäldereproduktionen sind keine Werke

Wie nach der Pressemeldung der Wikimedia Foundation schon abzusehen war, ist das Internet immerhin von der absurden Maximalforderung des Reiss-Engelhorn-Museums und der Kanzlei Müller Müller Rössner verschont geblieben. Bloße Fotografische Reproduktionen von Gemälden sind keine urheberrechtlich geschützten Werke. Das erkannte auch das LG Berlin an:

Bei den 17 streitgegenständlichen Reproduktionsfotos handelt es sich nicht um Lichtbildwerke im Sinne des §2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG.

Was Abmahn-Anwalt Carl Christian Müller in der Überschrift zu seinem Blog-Beitrag schreibt, ist somit schlicht falsch! Die Gemäldereproduktionen sind nach dem Urteil des Landgerichts eben nicht urheberrechtlich geschützt sondern lediglich als Lichtbilder.

Lichtbildschutz?

Die eigentlich kontroverse Frage in dem Urteil war, ob das Landgericht die Gemäldereproduktionen als Lichtbilder nach §72 UrhG ansehen würde. Der Lichtbildschutz ist ein so genanntes Leistungsschutzrecht. Von ihm sind Fotografien auch dann geschützt, wenn die schöpferisch-kreative Leistung nicht ausreicht, um einen klassischen Urheberrechtsschutz zu begründen. Lichtbildschutz schützt die Arbeitsleistung und nicht die künstlerische Qualität eines Fotos.

Jedoch hat der BGH bereits 1989 in seinem Bibelreproduktionsurteil klar gemacht, dass Foto-Reproduktionen gemeinfreier Vorlagen mindestens nicht in jedem Fall Lichtbildschutz genießen:

aa) […] Der technische Reproduktionsvorgang allein begründet aber noch keinen Lichtbildschutz. Die Erweiterung des Lichtbildschutzes durch § 72 UrhG […]

Vielmehr müsse eine bestimmte geistige Leistung in der Fotografie-Arbeit erkennbar sein, damit das Bild in den Schutzbereich von §72 UrhG fällt.

[…]. Sind es aber in erster Linie Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Erweiterung des Lichtbildschutzes geführt haben, so kann jedenfalls auf ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – persönlicher geistiger Leistung nicht verzichtet werden.

Das Landgericht Berlin war auch tatsächlich bereit diesen Rechtsgrundsatz anzuerkennen, der durch den BGH 1989 im Bibelreproduktionsurteil und dann nochmals 2000 im Telefonkartenurteil formuliert wurde. Leider sah das Gericht einen erheblichen qualitativen Unterschied zwischen Grafiken oder Drucken und Gemälden:

Danach reichte dort [Anm. im Telefonkartenurteil] die technische Reproduktion einer bestehenden Grafik (eine solche war jedenfalls das Original der Vorlage, die letztlich für die Telefonkarte der Klägerin verwendet worden ist) nicht aus, das Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung zu für den Lichtbildschutz erfüllen. Eine Schlussfolgerung, dies auch auf die Reproduktion von Gemälden zu übertragen, ist in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zulässig:
In dem BGH-Fall ging es um eine einfache, schwarz-weiße-Graphik, die wiederum nur als Grundmotiv einer relativ kleinen Telefonkarte zu übertragen war. Hier geht es dagegen um farbige, detailreiche Gemälde mit differenzierten Schattierungen, die für den Druck in einer Museumspublikation so detailgetreu wie möglich zu fotografieren waren. Gerade die damit verbundene aufwendige handwerklich-technische Leistung ist durch den Lichtbilderschutz zu schützen.

Zwei- oder Dreidimensional? egal

Das alleine wäre eine traurige aber noch verständliche Entscheidung. Bemerkenswert ist, dass das Gericht nicht wie (meinem Eindruck nach) die juristische Mehrheitsmeinung von einem Unterschied zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Reproduktionen ausgeht:

Es kommt an dieser Stelle daher nicht auf den Streit an, ob die Gemälde als Vorlage der streitgegenständlichen Fotografien zweidimensonal sind und ob zweidimensionale Vorlagen anders als dreidimensionale zu behandeln sind. Die Frage, ob ein Gemälde zwei- oder dreidimensional ist, kann grundsätzlich nur im Einzelfall unter Betrachtung des Originals beantwortet werden […]

Wie Praxis-fremd eine solche Abwägung im Einzelfall ist, erkennt das Gericht wenig später lustigerweise selbst an:

[…] bei einem Abstellen auf Zweidimensionalität käme es aus den bereits genannten Gründen ferner auf die Dicke des Farbauftrags an, so dass die Schutzfähigkeit erst nach Abgleich mit dem Original sicher festzustellen wäre, was kaum praktikabel ist, […]

Ich würde das Gericht an dieser Stelle bitten, einmal eine repräsentative Umfrage durchzuführen und 8.000 Menschen zu fragen, ob ein Ölgemälde ein zweidimensionales Werk ist. Dann würden sich die Missverständnisse klären. Die Abgrenzung zwischen zwei- und dreidimensionalen Werken war ein noch realtiv Laien-verständliches Kriterium. Jeder kann unterscheiden, ob auf einem Foto eine Statue oder eine Buchseite abgebildet ist. Wie viel Arbeit in eine Reproduktion gesteckt wurde, sieht man dem Foto jedoch nicht an. Das Gericht erklärt alleine mit diesem Entscheidungsgrund Millionen von Fotos im Internet für nicht mehr nutzbar. Einfach, weil für einen nutzungswilligen User nicht mehr erkennbar ist, ob ein Foto unter Lichtbildschutz steht.

Teleologische Auslegung

Das für mich juristische Hauptargument der Wikimedia-Foundation hat das Gericht ebenfalls nicht anerkannt: Durch die Praxis des Reiss-Engelhorn-Museums wird §64 UrhG praktisch umgangen und gegen den Willen des Gesetzgebers gehandelt. §64 UrhG sieht vor, dass das Urheberrecht an Werken nur eine bestimmte Zeit, nämlich 70 Jahre gelten soll. Dies hat der Gesetzgeber verfügt, damit Werke der Kultur nicht über einen gewissen Zeitraum hinaus monopolisierbar sind. Die Rechte, die aus dem Urheberrecht erwachsen, sollen ab diesem Punkt jedem zur Verfügung stehen: Ein Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten, auszustellen und öffentlich zugänglich zu machen.

Das Reiss-Engelhorn-Museum verhindert nun aber über ein Fotografie-Verbot in seinen Räumlichkeiten, dass diese Rechte konkret ausgeübt werden können. Und indem es eigene (quasi-)Vervielfältigungen des Bilds mit Lichtbildschutz erstellt und vermarktet, hat das Reiss-Engelhorn-Museum genau die Rechte wieder monopolisiert, die eigentlich der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollten. Das Gericht sah das leider anders:

Für die Frage einer teleologischen Reduktion kommt es nach Ansicht der Kammer nicht darauf an, wie die Klägerin ihr Fotoverbot praktiziert, denn selbst bei strenger Durchsetzung wäre dies kein Kriterium für eine beschränkende Auslegung einer Norm. Mit der teleologischen Reduktion werden Sachverhalte, die nach dem Wortlaut der Norm an sich erfasst würden, von der Anwendung der Norm ausgeschlossen, weil sie der Zielsetzung des Gesetzes widersprechen. Nach der Ansicht der Beklagten wäre der abstrakte Sachverhalt dann konsequenterweise so zu fassen, dass des keinen Lichtbildschutz für Fotos gibt, die eine 1:1-Reproduktion eines zweidimensionalen und gemeinfreien Werkes sind, falls diese Werke im Bestand eines Museums sind, dessen Hausordnung den Besuchern das Fotografieren verbietet. […]

Diese Auslegung der Position der Wikimedia verkennt den Kern der Argumentation in so hohem Maße, dass ich mich frage, ob das Gericht das Argument überhaupt verstanden hat. Die abstrakte Norm, die der Wikimedia hier vorschwebt wäre viel mehr etwa so zu fassen:

Es gibt keinen Lichtbildschutz für Fotos, die eine 1:1 Reproduktion eines gemeinfreien Werkes sind, falls diese Werke im Bestand eines Museums sind, die erkennbar durch gezielte Maßnahmen verhindert, dass die Rechte, die der Allgemeinheit aus §64 UrhG an diesem gemeinfreien Werk erwachsen, auch tatsächlich ausgeübt werden können.

Scans als geschützte Lichtbilder?

Die gefährlichste Passage in dem Urteil findet sich jedoch gegen Ende:

Es muss schließlich aus heutiger Sicht nicht überzeugen, eine technische Reproduktion mittels Scanner, die einen vergleichbaren technischen Aufwand erfordern und zu besseren Widergabeergebnissen führen kann, nicht ensprechend einem Lichtbild zu schützen. […]

[…] Der Umstand, dass es offenbar über alle Reformbemühungen hinweg der Wille des Gesetzgebers geblieben ist, das Leistungsergebnis der einfachen Fotografie als Lichtbild zu schützen, lässt eher den Gedanken zu, §72 UrhG entsprechend auf Abbildungen anzuwenden, die auf vergleichbare Weise (wie mit dem von den Beklagten angeführten aufwendigen Scan) entstanden sind, was aber nicht hier zu entscheiden ist. […]

Nach dem Vorschlag des Landgerichts sollen zukünftig also Scans als Lichtbilder geschützt sein. Diese Radikalposition erweitert den Lichtbildschutz so weit, dass nun überhaupt keine Werk-Reproduktionen mehr eindeutig gemeinfrei sind. Damit ist die tatsächliche Nutzbarkeit gemeinfreier Werke in der Praxis aufgehoben. Niemand kann unterscheiden, wann ein Scan aufwendig war und wann nicht. Insofern kann niemand mehr irgendwelche Reproduktionen von gemeinfreien Werken nutzen, ohne vorher den Ersteller zu kontaktieren und die Rechte mit ihm abzuklären.

Für die Internetkultur, in der solche Kommunikation nicht vorgesehen, ja im Normalfall auch gar nicht möglich ist, ist das eine Katastrophe. Aber genau das war wohl die Intention des Gerichts.

Update 30.06.2016

Das Reiss-Engelhorn-Museum hat in seiner Pressemeldung einmal mehr seine totale rechtliche Ahnungslosigkeit bewiesen. Schon im Teaser zur Pressemeldung heißt es:

Stellt ein Autor der Wikipedia solche Fotografien unerlaubt in die Mediendatenbank Wikimedia Commons, die mit der Wikipedia verknüpft ist, haftet die Wikimedia Foundation Inc. für diese Urheberrechtsverletzung als Störer.

Das ist faktisch falsch. Gemäß §10 TMG haften Portal-Betreiber für rechtswidrige Inhalte erst ab Kenntnisnahme. Das ist ein unbestrittener Rechtssatz, der aus dem Gesetz hervor geht und schon von zahllosen Gerichten bestätigt worden ist. So auch in dem Urteil des LG Berlin, das in dieser Pressemeldung eigentlich zusammengefasst werden soll ( ! ) :

Die Beklagte zu 1. haftet jedenfalls als Störerin. Sie hat die Fotos unstreitig nicht selbst eingestellt. Sie ist aber Betreiberin beider Webseiten und hat nach Kenntnis von den Verstößen nichts veranlasst, die Rechtsverletzung zu beenden, sondern diese bewusst beibehalten.

Wikimedia haftet nach dem Urteil des LG Berlin also nur als Störerin, weil sie gegen die streitgegenständlichen Bilder nach Kenntnisnahme nicht von der Plattform entfernt hat.

 

 

Reiss Engelhorn Museum verklagt Wikipedia

Das Reiss-Engelhorn-Museum hat sich vor dem Landgericht Berlin gegen die Wikipedia durchgesetzt. Streitpunkt waren mehrere gemeinfreie Werke aus dem Museum, die die Wikipedia digital zur Verfügung gestellt hatte. Mit dem Urteil hebt das Landgericht §64 des Urheberrechtsgesetzes für Bilder de facto auf.

Das Reiss-Engelhorn Museum versetzt der deutschen Kultur einen schweren Schlag. Wie Wikicommons Deutschland in einer Erklärung mitteilte, hat sich das Reiss-Engelhorn Museum im umstrittenen Wagner-Prozess gegen Wikicommons durchgesetzt. Das Berliner Landgericht entschied, dass Wikipedia verschiedene gemeinfreie Bilder aus dem Reiss-Engelhorn Museum nicht veröffentlichen dürfe. Das Urteil wird gravierende Folgen für deutsche Kunst-, Geschichts- und Kulturblogger sowie für Künstler und Journalisten haben.

Reiss Engelhorn Museum und der Krieg gegen freie Kultur

Die traurige Geschichte begann im März 2015. Damals begann das Reiss-Engelhorn Museum Massenabmahnungen gegen Blogs und kleine Webseiten zu verschicken. Grund war ein Bild von Richard Wagner, dass auf den Webauftritten verwendet worden war. Das Bild hatten die Webmaster von Wikipedias-Bilddatenbank Wikicommons herunter geladen, wo es als „gemeinfrei“ also „frei von Urheberrechten“ deklariert war. (und bis heute ist) Obwohl keiner der Webmaster von irgendwelchen rechtlichen Problemen gewusst haben kann, forderte die Kanzlei Müller Müller Rössner im Auftrag des Mannheimer Museums utopische Summen ein und trieben damit zum Beispiel das Kinder-Musik-Portal musical-co in die Pleite.

Auch gegen die Wikipedia selbst, sowie gegen den User, der das Wagner-Bild hochgeladen hatte, erhob das Reiss-Engelhorn Museum Klage.

Rechtspositionen und Rechtslage

Der Kern des Rechtsstreits: Das Wagner Gemälde wurde vom deutschen Maler Cäsar Willich angefertigt. Der starb im Jahre 1886. Der Urheberrechtsschutz an dem Gemälde ist also bereits im Jahre 1956 abgelaufen. Denn nach §64 UrhG erlischt das Urheberrecht an jedem Werk 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Wenn jedoch keine Rechte am Gemälde bestehen. Was für Rechte macht das Reiss-Engelhorn-Museum dann geltend?

Die konkreten Bilder, die nun in der Wikipedia vorliegen, hatte ein Museums-Fotograf von den Gemälden abfotografiert. An diesen Fotografien beansprucht das Reiss-Engelhorn Museum nun Rechte. Es seien Lichtbilder nach §72 UrhG. Die Kategorie des Lichtbilds hatte der Gesetzgeber im Jahre 1965 als eine Art abgespecktes Urheberrecht eingeführt. Der Lichtbildschutz umfasst die gleichen Privilegien wie der normale Urheberrechtsschutz. Jedoch erlischt er schon 50 Jahre nach der ersten Publikation des Lichtbilds.

Hat das Foto des Wanger-Gemäldes Lichtbildschutz?

Der BGH hatte in seinem grundlegenden Bibelreproduktionsurteil 1989 folgende Entscheidung getroffen:

aa) […] Der technische Reproduktionsvorgang allein begründet aber noch keinen Lichtbildschutz. Die Erweiterung des Lichtbildschutzes durch § 72 UrhG gegenüber dem – notwendig schöpferischen – Urheberrechtsschutz für Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG beruht vornehmlich auf der Erwägung, daß eine Abgrenzung zwischen Lichtbildern mit Werkcharakter und solchen ohne eigenschöpferischen Einschlag unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet […]. Sind es aber in erster Linie Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Erweiterung des Lichtbildschutzes geführt haben, so kann jedenfalls auf ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – persönlicher geistiger Leistung nicht verzichtet werden.

Worin eine persönliche geistige Leistung bestehen soll, wenn ein existierendes Gemälde lediglich abfotografiert wird, ist mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar. Zumal der Fall, den der BGH hier entschied dem aktuellen sehr ähnlich war. (Es ging um Fotoreproduktionen von Kupferstichen). Zudem argumentierte die Wikipedia zutreffend, dass das Reiss-Engelhorn Museum hier eine Aufhebung der Schutzfristen in §64 UrhG durch die Hintertüre versucht:

Durch sein eigenes Hausrecht verbietet das Reiss-Engelhorn Museum es nämlich innerhalb seiner Räumlichkeiten zu fotografieren. Dadurch kann das Museum §64 UrhG in der Praxis bedeutungslos machen. Indem es den Zugang zu den Originalen verhindert, und stets nur Kopien öffentlich macht, die unter Lichtbildschutz stehen, ist das Werk de facto zeitlich unbegrenzt geschützt.

Diesen Zustand hat das LGBerlin durch sein Urteil nun zementiert. Die einzig gute Nachricht: Wikimedia hat bereits angekündigt in die nächste Instanz zu gehen.

Reiss-Engelhorn Museum: Kein Verständnis für die Gegenwart

Die verschiedenen Stellungnahmen des Reiss-Engelhorn Museums und seiner Rechtsvertretungen während der ganzen Debatte haben übrigens wegen ihrer schieren Ahnungslosigkeit schon fast tragik-komischen Charakter. In der ersten Pressemeldung zu den Massenabmahnungen behauptete das REM zum Beispiel:

Die Urheberrechte  für die Abbildung liegen bei den Reiss-Engelhorn-Museen.

Das ist unbezweifelbar faktisch falsch. Selbst wenn das Landgericht Berlin der absurden Maximalforderung des Museums statt gegeben hätte, und erklärt hätte die Gemäldefotografien seien Lichtbildwerke: Das Urheberrecht läge dennoch nicht beim Reiss-Engelhorn Museum sondern beim Fotografen. Urheberrecht kann nur eine natürliche Person haben.

In der gleichen Pressemeldung beweist das Museum seine blanke Ahnungslosigkeit über die aktuelle Medienlandschaft und deren finanzielle Möglichkeiten:

Für eine zeitlich unbegrenzte Nutzung einer Fotografie im Internet fallen 250,00 EUR an.

Kein Kunst- oder Kulturblogger, kein Kulturjournalist, kein Künstler, kein Autor, kein Internetportal, keine Tageszeitung und auch kein kleinerer Kulturverlag könnte sich eine solche Summe für eine einzelne Bildnutzung mehr leisten. Derartig abgöttische Forderungen konnte ein Museum vielleicht in den 80ern und 90ern für Verwendungen in Sammelbänden verlangen. Aber doch nicht mehr im Jahre 2016, in dem Kultur maßgeblich im Internet erlebt wird.

[Edit: Die Pressemeldung des RME wurde gestern (05. Juli 2016) von der Website des Museums entfernt. Aus ihr gingen sowohl die faktisch falsche Beschreibung der Rechtslage als auch die völlig verfehlte Preispolitik des RME hervor. Offenbar möchte das Reiss-Engelhorn-Museum diese Informationen nun nicht mehr in der Öffentlichkeit wissen]

Die Anwaltskanzlei Müller Müller Rössner begründete indes, weshalb ein simples Gemälde-Foto ein Kunstwerk darstellen soll: Der Fotograf müsse immerhin die Entscheidung treffen, ob das Bild mit oder ohne Rahmen abgelichtet wird. Wie absurd das auf jeden wirken muss, der nicht in der rechtswissenschaftlichen Bubble steckt, scheint den Anwälten dabei nicht bewusst zu sein.

Der Museumsdirektor Alfried Wieczorek wanderte während dem ganzen Verfahren durch die Zeitungen und Radiosendungen und erläuterte seine Sicht der Dinge: Wer Bilder aus seinem Museum nutzen wolle, solle gefälligst vorher anfragen. Es könne ja nicht sein, dass die Wikipedia und ihre User darüber entscheiden, ob Kunstwerke veröffentlicht werden.

Hier wird nicht nur ein völlig verfehltes Amtsverständnis sondern auch ein fehlender Blick für die Rechtslage und die Kultur an sich offenbart: Die Kunstwerke, die im Reiss-Engelhorn Museum ausgestellt sind, gehören nicht dem Museum und auch nicht Alfried Wieczorek. Sie gehören der Allgemeinheit und das Museum soll sei lediglich aufbewahren und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Und gemeinfreie Kunstwerke gehören ebenfalls der Öffentlichkeit. Jeder darf sie veröffentlichen. Und niemand, weder die Wikipedia noch Alfried Wieczorek darf eine Veröffentlichung verhindern.

Wissen und Kultur in Zeiten des digitalen Raums fließen wie Wasser. Und niemand kann sie aufhalten.

Ein folgenschweres Urteil

Wie gesagt wird Wikicommons Deutschland in die nächste Instanz gehen. Im Moment scheint die Mehrheitsmeinung unter Juristen jedoch von einem Lichtbildschutz für Reproduktionsfotografien auszugehen. Auch wenn das Amtsgericht Nürnberg im gleichen Sachverhalt einem Wikipedia-Nutzer Recht gab.

Sollte das Urteil des LGBerlin jedoch Bestand haben, wird das schwere Folgen für Blogger, Kulturjournalisten und Künstler haben. Ihnen wird durch die Entscheidung faktisch ihre Arbeit unmöglich gemacht. Denn die Kosten für Gemäldefotografien und alleine der Verwaltungsauwand die Rechte einzuholen, sind für sie nicht tragbar.

All das wird natürlich nicht dazu führen, dass im Internet weniger Gemäldefotografien kursieren. Die User werden das eben nur nicht mehr auf dem Boden des Gesetzes tun können. Es wird genau das passieren, was in den letzten 20 Jahren immer passiert ist, wenn urheberrechtliche Regelungen der gängigen Alltagspraxis diametral entgegen stehen: Die Rechtslage wird einfach ignoriert werden.

 

Video: Lizenzen

Nach einer Woche Pause habe ich es  es endlich geschafft: Meine neuen Videos zu „Lizenzen“ im Urheberrecht sind fertig. „Lizenzen kurz erklärt“ habe ich gerade veröffentlicht. Das längere Erklärvideo kommt Morgen. Wenn kein Deutschland-Spiel ist, bekommt es vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit 😉

Edit (13. Juni 2016)

Und hier ist nun das ausführliche Erklärvideo:

Ich habe in den Videos versucht Lizenzen aus einer praktischen Perspektive heraus zu beschreiben. Ich habe mich gefragt: Wie kann ein Youtuber (oder auch ein Blogger oder Podcaster) an Lizenzen für Material kommen? Und welche Probleme stellen sich ihm. Zum Glück kann ich dabei auf meine Erfahrung bei gutefrage.net zurück greifen. Denn weil ich in 6 Monaten schon zahlreiche Fragen zu Urheberrecht beantwortet habe, kenne ich die üblichen Missverständnisse und Fehlinformationen, die die meisten kleinen Youtuber haben und kann entsprechend darauf eingehen.

Erklärvideo und Kurz erklärt

Ich lote immer noch aus, was ich in meinen „Kurz erklärt“ Videos sage, was eher Platz in einem langen Erklärvideo hat und was überhaupt überflüssig ist. Schon die Inhalte in 6-10 Minuten zu erklären ist oftmals nicht leicht. Selbst für die langen Videos muss ich immer sehr viel weg lassen. Bisher handhabe ich es so, dass ich in den kurzen Videos nur kurz die praktischen Folgen der Rechtslage beschreibe. Im langen Video gehe ich dann auf Gesetzesgrundlagen und rechtsdogmatische Konzepte ein. Es ist halt immer hilfreich, wenn man Sachverhalte nicht nur einmal gehört hat, sondern auch wirklich versteht. Im Detail sind da natürlich immer Abwägungen zu treffen.

Fazit

Insgesamt bin ich zufrieden mit den Videos. Ich bin wieder etwas schneller mit der Produktion gewesen als das letzte Mal. So langsam spiele ich mich ein und habe öfter die richtigen Sachen für die richtige Situation schon parat. (Fotos um bestimmte Sachen zu verbildlichen, Musik, Gesetzestexte etc.)

Manche Abläufe dauern aber immer noch ärgerlich lange. Für das lange Video brauchte ich zum Beispiel ein Partybild. Das zu finden hat fast zwei Stunden gedauert. Und perfekt ist es immer noch nicht 🙁

Dafür ging die Tonaufnahme dieses Mal erheblich besser. Die ganze Aufnahme war flüssiger, und ich habe auch den Eindruck, als würde man mir die wachsende Erfahrung beim Einsprechen an der Stimme anhören. Kann aber auch Einbildung sein.

Ich freue mich jedenfalls über jeden View und jede Rückmeldung. Ich bin mit dem Kanal ja immer noch in der experimentier-Phase und versuche noch auszuloten, was gut ankommt und was nicht.

Nach vollendeten Videos kümmere ich mich jetzt erst mal um wirklich wichtige Sachen: Zum Beispiel das Deutschland Spiel heute Abend 😉

 

Neue Videos: Einführung ins Urheberrecht

2 neue Einführungs-Videos über Urheberrecht habe ich für den Youtube-Kanal „Thomas hat Recht“ produziert. Warum 2? Das erkläre ich in diesem Blog-Beitrag.

So. Nach drei Wochen Flaute auf dem Youtube-Kanal, habe ich endlich wieder zwei Videos produziert. Meine „Einführung ins Urheberrecht“ ist seit eben Online. Das Video ist eine ausführliche Einführung, in der ich viele Gesetzesparagraphen vorlese. Für Kenner ist das sicher ermüdend. Und ich weiß, dass auch nicht jeder Einsteiger gleich eine solch geballte Packung Infos haben will. Das Video dient eigentlich für einen Fall, der mir in Facebook-Gruppen, Foren und bei gutefrage.net sehr häufig passiert: Wenn ich die Rechtslage zum Urheberrecht erkläre, glaubt man mir oft nicht. Ich muss dann mühselig Gesetzesparagraphen und Urteile zusammen suchen, um die Leute zu überzeugen. Deswegen jetzt dieses Video. Das sollte die meisten Zweifler zum Schweigen bringen.

Urheberrecht „kurz erklärt“

Ich habe noch ein zweites Video Video zum Urheberrecht produziert. Eine kurze Version dieses Videos für meine neue Reihe: „kurz erklärt“. Das Video wird am Sonntag erscheinen und die Sachverhalte ohne viel Erklärung oder Begründung zusammen fassen. Wer tiefer in die Thematik einsteigen will, kann dann über ein Link die lange Version anschauen.

Ich bin mal gespannt, ob sich es sich bewährt eine lange und eine kurze Version eines Videos zu machen. Ist zwar immer etwas mehr Arbeit. Trifft aber die Anforderungen der verschiedenen Zielgruppen vielleicht besser.

Edit

Das „kurz erklärt“ Video ist jetzt online. Ich bin gespannt auf Rückmeldung.

 

BGH schränkt Störerhaftung ein

Störerhaftung: Nach dem politischen Paukenschlag gestern sorgt heute der BGH für Schlagzeilen. In einem Urteil schränkte er die Störerhaftung entscheidend ein.

Die Störerhaftung kommt kaum aus den Schlagzeilen. Erst gestern hatte die Regierungskoalition angekündigt, die Störerhaftung endgültig abschaffen zu wollen. (Mein Artikel inklusive juristischer Hingergründe zum Thema findet sich hier) Nun hat der BGH in einem heutigen Urteil die von ihm selbst geschaffene Störerhaftung entscheidend eingeschränkt.

Störerhaftung und Belehrungspflicht

Wenn in Deutschland über einen Internetanschluss eine rechtswidrige Handlung wie etwa ein urheberrechtswidriges Filesharing begangen wird, dann wird zunächst vermutet, dass der Inhaber dieses Internetanschlusses auch der Täter ist. Es obliegt dann ihm nachzuweisen, dass auch andere Personen die Tat über sein WLAN hätten begehen können.

Kritischer Punkt: (Und hierin unterscheidet sich die deutsche Rechtsprechung von der Rechtsprechung der restlichen westlichen Welt) Wenn andere Personen Zugriff auf den Internet Anschluss hatten, so haftet der Anschlussinhaber als Störer, weil er die Infrastruktur für den Rechtsverstoß zur Verfügung gestellt hat. Dies traf nach der Rechtsprechung des BGH nur dann nicht zu, wenn er alle Nutzer seines Internetanschlusses (Etwa Familienmitglieder, Nachbarn oder Mitbewohner) darüber belehrt hatte, dass sie keine urheberrechtswidriges Filesharing betreiben dürfen.

Das heutige Urteil

Von diesem Grundsatz ist der BGH nunmehr abgekommen. Er hält es nach seinem Urteil von heute fest:

Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.

Die Folgen

Das Urteil hat in der Tat das Potential der im sterben liegenden Störerhaftung den Todesstoß zu versetzen. Bereits in den letzten Jahren häuften sich Fälle in denen Abgemahnte sich mit folgender Argumentationsstrategie erfolgreich vor Gericht gegen Schadenersatzforderungen wehrten:

„Ich bestreite nicht, dass der Urheberrechtsverstoß über meinen Internetanschluss geschehen ist. Jedoch bestreite ich den Verstoß begangen zu haben bzw. mache diesbezüglich von meinem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht. Auf den Internet-Anschluss hatten neben mir auch meine Familie/ meine Mitbewohner/meine Gäste Zugriff. Wer von uns den Verstoß begangen hat, ist also nicht bekannt. Die Schadenersatzforderungen können deswegen nicht geltend gemacht werden, weil nicht klar ist bei wem.“

Der letzte Ausweg der Abmahn-Anwälte war in diesem Fall zu argumentieren: „Die Mitnutzer des Internetanschlusses wurden nicht korrekt darüber belehrt, dass sie kein illegales Filesharing betreiben dürfen bzw. kann der Anschlussinhaber nicht nachweisen die Mitnutzer ausreichend belehrt zu haben.“

(Ausführlich zur Störerhaftung, sei wie gestern auf den Podcast Rechtsbelehrung von Markus Richter und Thomas Schwenke verwiesen. Bei um 1.00.00 findet sich auch eine herrliche Diskussion, über Belehrungspflicht und Nachweisbarkeit)

Fazit

Mit dem neuen Urteil des BGH ist Abmahn-Anwälten der Musik- und Filmindustrie ihr letzter Argumentationsweg verbaut. Sie kann nun nur noch Schadenersatz gegen Filesharer geltend machen, wenn sich genau nachweisen lässt, wer den Verstoß begangen hat. In Zeiten kollaborativer Internetnutzung und freier WLANs wird das zukünftig nur noch selten vorkommen. Noch bevor etwaige Gesetzesänderungen greifen, könnte dieses Urteil der Störerhaftung also den Gar ausmachen.

 

Regierung will Störerhaftung abschaffen?

Die Große Koalition hat angekündigt die umstrittene Störerhaftung für offene W-LANs abzuschaffen. Fachjuristen, die Öffentlichkeit, Wirtschaftsvertreter und zuletzt der EuGH hatten die Regierung stark unter Druck gesetzt. Für allzu Große Freudenausbrüche ist es jedoch zu früh…

Online-Rechtsthemen schaffen es selten in die Mainstream-Schlagzeilen. Wenn nun Medien wie Zeit, Frankfurter Rundschau, Spiegel und heise synchron berichteten, zeigt das wie groß diese Meldung ist: Die Regierungskoalition will die Störerhaftung abschaffen, bestätigte auch Justizminister Heiko Maaß bei Twitter.


Das Netz jubelte. In sozialen Netzwerken zeigte sich ausgelassene Freude. Wirtschaftsverbände wie der Digitalverband Bitkom begrüßten die Entscheidung.
Sollten sich die Hoffnungen bewahrheiten, wäre das das Ende eines merkwürdigen rechtlichen Sonderwegs in Deutschland.

 

Was ist die Störerhaftung?

Störerhaftung ist ursprünglich überhaupt kein reiner Begriff des Internet-Rechts, sondern leitet sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ab:

§1004 BGB

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

Musterbeispiel für einen klassischen Anwendungsfall: Ein morscher Baum wächst von meinem Grundstück auf das meines Nachbarn herüber. Ich muss verhindern, dass der Baum auf das Nachbarhaus stürzt. Darauf hat mein Nachbar Anspruch, obwohl ich den Baum nicht absichtlich oder durch eigenes Zutun auf sein Haus stürzen lasse. Dadurch, dass der Baum auf meinem Grundstück wächst, habe ich bestimmte Pflichten.

Jahrzehnte lang war der Begriff der Störerhaftung nur wenigen Fachjuristen bekannt und führte zu fast keinen Streitigkeiten. Dann kam der BGH.

Störerhaftung bei W-LANs

In seiner Grundsatzentscheidung „Sommer unseres Lebens“ legte der BGH im Jahre 2010 grundsätzlich fest, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für alle Rechtsverstöße als Störer haftet, die von seiner IP-Adresse aus begangen werden. Es sei denn er hat sein W-LAN durch Sicherheitsmaßnahmen auf aktuellem Stand geschützt.

Die Entscheidung war ein Novum in Europa und allen sonstigen westlichen Industriestaaten. Und es muss hier noch einmal ausdrücklich betont werden: Die Politik war hier vollkommen unschuldig. Der BGH hat die Grundlagen seiner ständigen Rechtsprechung durch eine … sagen wir sehr weitgehende Auslegung bestehender Gesetze geschaffen.

Störerhaftung: Juristisch haltbar?

Der gewichtigste Rechtsgrund gegen die Störerhaftung ist der Artikel 10 des Telemediengesetzes:

§10 TMG

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern

(1) sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, […]

Der BGH hatte dagegen bisher stets argumentiert: Die Artikel 9 – 11 des Telemediengesetzes seien auf Unterlassungsansprüche (wie sie etwa bei Abmahnungen gegen Urheberrechtsverstöße geltend gemacht werden) nicht anwendbar.

Anwalt und Rechtsblogger Thomas Stadler hatte bereits 2010 darauf hingewiesen, dass diese Rechtsansicht sowohl der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch der Rechtsprechung des BGH an anderer Stelle widerspricht.

Wer sich mit der (fragwürdigen) juristischen Argumentation zur Störerhaftung genauer auseinander setzen will, dem sei der Podcast „Rechtsbelehrung“ von Thomas Schwenke und Markus Richter empfohlen.

Etwa bei 1.00.00 bringt Markus Richter den Stand der Diskussion sehr gut auf den Punkt.

Markus Richter: Das ist doch alles total absurd!!!

Grund für die Gesetzesänderung: der EuGH

Anlass für die nun so plötzlichen Bemühungen der Regierungskoalition ist die Äußerung des Generalanwalts am EuGH vom 16. März diesen Jahres. In dem konkreten Fall klagt ein Mitglied der Piratenpartei aus München in Brüssel. Der beklagte hatte ein offenes W-Lan betrieben und weigerte sich Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche für eine Urheberrechtsverletzung zu übernehmen, die von seiner IP aus begangen worden waren. Der Generalanwalt Szpunar gab ihm Recht. Von einem W-LAN-Anbieter könne nicht verlangt werden, sein W-LAN zu verschlüsseln. Das Urteil des EuGH in dem Fall liegt noch nicht vor. Das Gericht folgt jedoch häufig dem Antrag des Generalanwalts.

Auf diesen Druck aus Brüssel ist der neue Anlauf der Regierungskoalition zurück zu führen. Bis der konkrete Gesetzesentwurf vorliegt, genieße ich die Ankündigung mit Vorsicht. Die Regierung hatte schon im September letzten Jahres großspurig die Abschaffung der Störerhaftung angekündigt. Im Gesetzesentwurf fanden sich dann aber Regelungen, die im Gegenteil die irrwitzige Rechtsprechung des BGH sogar fest gegossen hätten.

Der deutsche Sonderweg der Störerhaftung ist noch nicht beendet.

 

BGH-Urteil: VG-Wort Kopiervergütung steht nur Autoren zu

Die VG-Wort muss zukünftig die gesamten Beiträge aus der Kopiervergütung an Autoren auszahlen. Das entschied der BGH heute (21. April 2016) in einem Urteil. Die VG-Wort hatte die Beitrage aus der Kopiervergütung bisher zur Hälfte zwischen Verlagen und Autoren aufgeteilt. Den Autoren steht nun die volle Vergütung zu. Dem Urteil war ein langer Rechtsstreit voraus gegangen.

Schriftsteller und Autoren sind ziemlich arme Hunde. Das hat zuletzt eine Studie der Universität Maryland ergeben: Nur 1 von 10 befragten Bellitristik-Autoren konnte von seiner Kunst leben. Die Gelder Ausschüttung der VG Wort am 1. Januar jeden Jahres ist deshalb für viele Schriftsteller regelmäßigem ein rettender Anker, der den nahen Bankrott verhindert. Doch was sind das eigentlich für Gelder, die die VG Wort dort ausschüttet?

 

Die Kopiervergütung

Nach §32 UrhG hat jeder Urheber, als auch jeder Autor von Literatur- oder Sachtexten einen Anspruch auf eine gerechte Vergütung für die Nutzung seiner Texte. Dieses Grundprinzip des Urheberrechts soll es Künstlern ermöglichen von ihrem Schaffen zu leben. Nun erlaubt jedoch der §53 UrhG jedem Bürger Kopien von urheberrechtlich geschützten Kunstwerken für den persönlichen und privaten Gebrauch anzufertigen. Sprich: Man darf sich einen Text, ein Bild oder auch einen ganzen Roman aus der Bibliothek ausleihen, und kann ihn dann zu hause oder im Copyshop kopieren, um ihn später noch einmal zu lesen.

Die Schrankenregelung nach §53 ist für Privat-Bürger sehr hilfreich und erweist sich außerdem als sehr praxisnah. (Wie sollte man praktisch verhindern, dass Privatmenschen sich Kopien von ausgeliehenen Büchern machen). Für die Autoren ist sie problematisch. Denn wer sich in der Bibliothek eine Kopie eines Textes gemacht hat, kauft sich natürlich das Buch nicht mehr. Dem Künstler würden so dringend benötigte Einnahmen entgehen. Dieses Problem soll die VG Wort lösen: Sie ist eine so genannte Verwertungsgesellschaft ähnlich der GEMA. Sie zieht von Bibliotheken, Copyshops und Drucker-Herstellern eine Gebühr ein. Dieses Geld wird dann nach einem Schlüssel an alle Rechteinhaber verteilt, deren Texte für die Öffentlichkeit bereit stehen. Das schließt Zeitungs- und Zeitschriften-Artikel eben so ein, wie Bücher, die in Bibliotheken stehen und neuerdings auch besonders populäre Texte im Internet.

Was war das Problem?

Die VG-Wort hatte die Beiträge bisher nicht ausschließlich an die Autoren der Texte ausgeschüttet, sondern die Gelder je zur Hälfte an Autoren und deren Verlage aufgeteilt. Zur Begründung hatte die Gesellschaft sich auf ihre Satzung berufen. Die VG-Wort sei 1958 von Autoren und Verlagen gemeinsam gegründet worden, um deren Rechte gemeinsam wahrzunehmen. Diese Argumentation hatte sie auf §63a UrhG gestützt.

Martin Vogel der Rebell

Im Jahre 2012 begann ein einzelner Mann die VG-Wort herauszufordern. Der Urheberrechtler und wissenschaftliche Autor Martin Vogel klagte klagte gegen die bestehende Praxis der Verwertungsgesellschaft. Seiner Ansicht nach stand die Vergütung alleine den Autoren zu. Das Urheberrecht liege schließlich alleine beim Autoren und die VG Wort sei lediglich eine Treuhänderin, von deren Rechten. Mit dieser Rechtsauffassung gaben ihm das Landgericht München und das Oberlandesgericht München Recht. Durch seine Klagen machte sich der Jurist bei der VG-Wort regelrecht zur Persona non grata. Doch unermüdlich brachte er das Verfahren auch vor den BGH, der nun entschied.

BGH: Rechte stehen dem Urheber zu

Der BGH entschied, dass die vollständige Vergütung im Grundsatz den Autoren zustehe. Die vollständige schriftliche Urteilsbegründung des BGH liegt noch nicht vor. In einer Pressemeldung, veröffentlichten die Richter jedoch ihre grundlegende Argumentation:

Die VG Wort darf nur deshalb überhaupt Gebühren für Kopien einziehen, weil das Urheberrecht dies so vorsieht. Gemäß §15 UrhG und §16 UrhG darf eine Kopie eines Kunstwerks grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Urhebers angefertigt werden. Deswegen erhebt die VG Wort überhaupt ihre Gebühren. Es wäre in der Praxis sehr schwer organisierbar, wenn jeder Nutzer eine Erlaubnis des Urhebers einholen und bezahlen müsste, bevor er eine Buchseite kopiert. Deswegen zieht die VG Wort stattdessen zentralisiert die Gebühren ein.

Wenn aber die gesamten Rechte der VG Wort auf dem Urheberrecht basieren, gibt es keine rechtliche Grundlage den Verlagen einen Anteil der Gelder aus zu bezahlen. Denn das Urheberrecht liegt ja ausschließlich beim Urheber. Die VG-Wort darf einige dieser Rechte ausüben, weil der Autor ihnen die dafür notwendigen Rechte in einem Vertrag nach §31 UrhG übertragen hat. Den Verlagen hingegen wurden keinerlei Rechte an der Vergütung übertragen. Deswegen haben sie auch keine Ansprüche.

Was sind die Folgen des Urteils?

Das Urteil war in dieser Form erwartet worden. Die Vorinstitutionen hatten Vogel in seiner Argumentation Recht gegeben, und in einem ähnlichen Verfahren hatte auch der EuGH im November letzten Jahres ähnlich entschieden. Die VG-Wort hatte bereits seit 2012 vor allen Ausschüttungen schriftlich darauf hingewiesen, dass die Zahlungen unter Vorbehalt erfolgen und der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens zu Rück- oder Nachforderungen führen könnte.

Grundsätzlich haben Autoren nun einen Anspruch auf die gesamten Bezüge der Kopiervergütung. Ob dadurch langfristig bei Fach- und Literatur-Autoren der Geldsegen ausbricht ist jedoch fraglich. Denn der BGH hat lediglich argumentiert, die Verlage dürften pauschal keinen Anteil an der Vergütung erhalten, weil ihnen die dafür notwendigen Nutzungsrechte nie übertragen worden sind. Was passiert, wenn Autoren ihren Verlagen diese Rechte vertraglich übertragen, hat der BGH damit nicht entschieden.

Zu erwarten ist deswegen Folgendes: Zukünftig werden sich Verlage in Verträgen mit neuen Autoren die Anteile an der Vergütung durch die VG-Wort explizit zusichern lassen. Oder aber sie werden für neue Autoren gleich eine geringere Vergütung vereinbaren, um die weg gefallenen Einkünfte aus der Kopiervergütung zu kompensieren.