Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 49

LG Hamburg schränkt Linkfreiheit massivein. Auch private Blogs können als journalistisch-redaktionelle Medien gelten.  OS-Plattform-Link muss klickbar sein. Facebook löscht Impressums-Link. Heftige Kritik an Digitalcharta. Gesundheits-Apps verstoßen gegen Datenschutz. Neue Filesharing-Fälle.

Urheberrecht

LG Hamburg verschärft Linkhaftung massiv

Es war die Nachricht der Woche: Das LG Hamburg hat in einem Verfahren einen Website-Betreiber verurteilt: Er hatte einen Link auf eine andere Seite gesetzt, auf der ein Bild urheberrechtswidrig hoch geladen war. Nach einem Urteil des EuGH vom 8. September diesen Jahres war davon auszugehen, dass selbst bloße Verlinkungen auf Urheberrechtsverletzungen selbst Urheberrechtsverstöße sein können. Nun liegt jedoch zum ersten Mal das Urteil eines deutschen Gerichts zu der Frage vor.

Der Prozess war scheinbar ein Musterverfahren, den die Kanzlei Spirit Law LLB mit der gezielten Absicht geführt hatte, Rechtsklarheit in dieser Frage zu schaffen. (Blogbeitrag der Kanzlei)

Der EuGH hatte fest gestellt, dass lediglich kommerzielle Anbieter zur Überprüfung aller Inhalte verpflichtet sind, die sie verlinken. Was genau unter einem kommerziellen Anbieter zu verstehen ist, hatte der EuGH offen gelassen. Das LG Hamburg führte dazu nun aus:

Zwar definiert der EuGH nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich die Frage stellen kann, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Die Kammer versteht die EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht in einem engeren Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient.

Ein kommerzieller Anbieter betreibt also einen Internetauftritt, der zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient. Wie ich in meinem Beitrag zum Urteil des EuGH bereits befürchtet hatte, sind damit sämtliche kleinen semiprofessionellen Blogger eingeschlossen, die minimale Geldbeträge mit ihrem Blog hinzuverdienen oder damit Werbung für ihre hauptberufliche Tätigkeit machen.

Wie ich ebenfalls bereits in meinem damaligen Artikel dargelegt habe, ist dieses Urteil weltfremd. Es gibt tatsächlich keinerlei Möglichkeit für einen Linksetzer zu recherchieren, ob die Inhalte auf einer anderen Seite urheberrechtswidrig veröffentlicht wurden. Insbesondere gilt dies für Online-Redaktionen, in denen tagesaktuell berichtet werden muss. In einem tragik-komischen E-Mail-Wechsel mit dem LG-Hamburg hat heise das bereits demonstriert.

Wie zahlreiche Kommentatoren festgestellt haben, bedeutet das Urteil des LG-Hamburg eine massivste Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit. Ein schwarzer Tag für das Internet. Hier nur eine kurze Auswahl an kritischen Blogartikeln:

Beitragshinweis: Adieu freies Internet – FAQ zur verschärften Haftung für Links, Sharing, Vorschaubilder und Embedding

LG Hamburg verbietet Links auf urheberrechtsverletzende Inhalte

Das ist absurd! Landgericht Hamburg verschärft Verlinkung

[Dirks‘ Netzwelt] Haftung für Links

https://netzpolitik.org/2016/befuerchtungen-bestaetigt-erste-entscheidung-in-deutschland-nach-eugh-urteil-verschaerft-linkhaftung/

 

Filesharing: Ehepaar haftet nicht für Porno-Verbreitung

In den letzten Wochen und Monaten kristallisiert sich immer deutlicher eine klare Rechtsprechungslinie zu Filesharing-Fällen heraus. Wenn nicht klar ist, welches Familienmitglied den Urheberrechtsverstoß begangen hat, so werden die Klagen in der Regel abgewiesen. Denn eine Belehrungspflicht gibt es nicht, und die Störerhaftung kommt nur in Betracht, wenn eine Aufsichtspflicht verletzt wurde. Um diese sehr erfolgreiche Verteidigung zu umgehen, ließ der Abmahn-Anwalt Sarwari sich nun etwas neues einfallen: Als er fest stellte, dass von einem Internet-Anschluss aus ein Porno-Film per Filesharing öffentlich zugänglich gemacht wurde, mahnte er kurzerhand gleich beide Ehepartner ab. Man dürfe vermuten, dass sie den Film gemeinsam konsumiert hätten. Insofern hafteten beide gemeinsam für den Urheberrechtsverstoß. Netter Nebeneffekt für den Anwalt: Er brauchte so nicht nachzuweisen, wer von beiden den Verstoß begangen hatte.

Unfug! So entschied das Amtsgericht Düsseldorf. Die allgemeinen Lebenserfahrung besage, dass mehrere erwachsene Personen einen Internetanschluss auch unabhängig voneinander nutzten. Insofern dürfe nicht vermutet werden, dass beide den Film gemeinschaftlich konsumiert hätten. Ein sehr lebensnahes Urteil. Gut dass die Richter in diesem Fall auf allgemeine Lebenserfahrung zurück greifen konnten.

GEMA-Rechner

Die C3S (Cultural Commons Collecting Society) hat als neues Online-Tool einen GEMA Rechner veröffentlicht. Mit dem Dienst können Barbesitzer, Clubbetreiber oder sonstige Nutzer von GEMA-Musik ihre Tarife berechnen. Das Tool steht unter offener Lizenz und kann beliebig weiter verwendet werden.

Die C3S baut gegenwärtig eine eigene Verwertungsgesellschaft auf. Sollte es ihm gelingen eine kritische Anzahl an Künstlern zu vertreten, könnte das das Ende der so genannten GEMA-Vermutung sein.

Presserecht

Private Blogs könne journalistisch-redaktionell sein

Die Schlammschlacht unter den Mitgliedern der ehemaligen Piratenfraktion im Berliner Landtag hat nun immerhin zu mehr Rechtsklarheit in einem Bereich gesorgt. Der ehemalige Abgeordnete Christopher Lauer sah sich in einem Blog-Beitrag seines ehemaligen Partei-Kollegen Simon Lange nicht korrekt dargestellt und setzte gerichtlich seinen Anspruch auf Richtigstellung gemäß §56 RStV durch. Lange hat die Gegendarstellung mittlerweile veröffentlicht. Die juristisch interessante Frage: §56 RStV sieht einen Anspruch auf Richtigstellung nur gegen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote vor.

§ 56 Gegendarstellung
(1) Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere
vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben wer-
den, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem
Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot
ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen.

Der Blog von Simon Lange war jedoch ein privat gehaltener Blog, auf dem nur sehr unregelmäßig Beiträge erschienen. Dass der Blog das darstellt, was der Gesetzgeber mit journalistisch-redaktionell gestaltetem Angebot meint, darf bestritten werden. Wenn die Einschätzung des KG Berlin jedoch zutreffend ist, hätte dies Auswirkungen für alle privaten Blogger. Denn neben dem Gegendarstellungsanspruch unterliegen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote auch der verschärften Impresumspflicht nach § 55 Abs. 2 RStV.

BGH zum Umfang zulässiger Kritik an journalistischer Arbeit

BGH Urteil zur Kritik an Journalismus

Bekanntlich ist die Meinungsfreiheit in §5 des Grundgesetzes geschützt. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich gewisse rechtliche Einschränkungen darüber, was in der Öffentlichkeit geäußert werden darf und was nicht. Nach allgemeinem Konsens unter Rechtswissenschaftlern ist dabei die Äußerung falscher Tatsachen rechtswidrig, während bloße Werturteile geäußert werden dürfen. Wo nun genau die Tatsachenbehauptung aufhört und das Werturteil beginnt, war jedoch schon häufig Gegenstand von Gerichtsprozessen.

In einem Urteil von Ende September hat der BGH nun mehrere Grundsätze seiner Rechtsprechung zu dem Thema wiederholt präzisiert und geklärt. Nach der Urteilsbegründung seien Schlussfolgerungen aus unstrittigen Tatsachen selbst nicht als Tatsachenbehauptungen sondern als Werturteile zu bewerten. Als Rhetorische Fragen seien solche Fragen zu bezeichnen, die nur eine Antwort zulassen. Somit seien Rhetorische Fragen nicht im eigentlichen Sinne Fragen sondern vielmehr Aussagen, die entweder Tatsachenbehauptungen oder Werturteile sein können. Schließlich stellte das Gericht erneut klar, dass Journalisten ein höheres Maß an öffentlicher Kritik hinnehmen müssen, als gewöhnliche Bürger. Es sei für die Funktion von Journalisten unabdingbar, dass etwaige Missstände Gegenstand von Berichterstattung und öffentlicher Diskussion sein können.

Zum Volltext des Urteils

Kein Auskunftsanspruch über Gehalt im Abgeordnetenbüro

Die regelmäßigen Zeitungsleser unter meinen Lesern werden sich noch an den Verwandten-Skandal in der CSU 2013 erinnern. Damals war bekannt geworden, dass zahlreiche CSU-Politiker ihre Verwandten und Ehepartner als Sekretär/innen oder Mitarbeiter/innen beschäftigt hatten. Die Politiker-Familien hatten so ein zusätzliches Einkommen aus Staatskosten und die Politiker den „Vorteil“ ihre Ehepartner immer um sich zu haben.

Ein Teil des langen juristischen Nachspiels ist nun zu Ende gegangen: 2000-2013 hatte ein Journalist wiederholt Anfragen beim Bayrischen Landtag gestellt. Er wollte wissen, wie hoch die Vergütung einer Ehefrau war, die als Sekretärin im Abgeordnetenbüro ihres Mannes gearbeitet hatte. Als die Anfragen nicht beantwortet wurden, klagte der Journalist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) wies die Klage nun ab.

Das Recht auf Informationelle Selbstbestattung der Ehefrau überwiege in diesem Fall das Informationsinteresse der Presse. Zudem sehe das Bayrische Abgeordnetengesetz keine Pflicht zur Veröffentlichung der Kosten vor. Das Gericht konnte bei eingängiger Prüfung auch nicht fest stellen, dass der Abgeordnete durch die Beschäftigung seiner Frau Gesetze verletzt habe. Somit bestehe auch kein öffentliches Interesse.

Datenschutz

Gesundheits-Apps und Wearables verletzten Datenschutz

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat gemeinsam mit einigen Datenschutzbeauftragten der Länder eine stichprobenartige Prüfung von 16 Gesundheits-Apps und wearables durchgeführt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Offenbar verstoßen zahlreiche Anbieter gegen den Datenschutz.

Nutzer werden nur unzureichende über die Erhebung und Verwendung ihrer Daten informiert. Daten werden ohne die gesetzlich vorgeschriebene Einwilligung der Nutzer an Dritte weiter gegeben. Die zwingend vorgeschriebenen Möglichkeiten zu Widerspruch oder Löschanfragen fehlten häufig komplett.

Anbieter von Diensten, die mit Personenbezogenen Daten arbeiten, sollten sich dringend über die gesetzlichen Rahmenbedingungen informieren oder einen auf Datenschutz spezialisierten Anwalt zu Rate ziehen.

Allgemeines Medienrecht

Facebook löscht Impressumslink

Bereits in der letzten berichteten zahlreiche Facebook-User und Social Media-Manager, dass der Impressumslink auf ihren Facebook-Pages verschwunden war. Das ist sehr problematisch, denn kommerzielle genutzte Facebook-Profile sind Telemedien im Sinne des Telemediengesetzes und müssen daher nach §5 TMG ein Impressum vorhalten.

Was sollten Facebook-Nutzer nun tun? Rechtsanwalt, Rechtsblogger und Podcaster Dr. Thomas Schwenke empfiehlt statt des üblichen Links auf die eigene Webpräsenz einfach einen direkten Link auf das Impressum in die Infobox zu packen. Ansonsten gilt es abzuwarten, bis Facebook das Problem gelöst hat…

E-Commerce

OLG München: Link zur OS-Plattform muss klickbar sein

Seit Januar diesen Jahres müssen alle Online Händler in ihrem Impressum einen Link auf die Streitschlichtungsplattform der europäischen Union vorhalten: https://webgate.ec.europa.eu

Fehlt dieser Link, so liegt ein Wettbewerbsrechtsverstoß vor, den Konkurrenten abmahnen können (und erfahrungsgemäß auch werden). Ein neues Urteil des OLG München hat die Vorgabe nun zusätzlich spezifiziert: Der Link auf die Streitschlichtungsplattform muss klickbar sein. Der reine Textlink im Impressum ist nicht ausreichend. Online-Händler sollten die Vorschriften zur Os-Plattform penibel befolgen. Fehlende Angaben zählen mittlerweile zu den häufigsten Abmahngründen.

Sonstiges

Digtalcharta sorgt für Kritik

Am 5. Dezember wurde die so genannte Digitalcharta, eine Erklärung der digitalen Bürgerrechte veröffentlicht. Prominente aus Politik und Medien hatten das Dokument in den letzten 14 Monaten erarbeitet. Darunter Zeit-Herausgeber Giovanni di Lorenzo, Blogger und Digital-Erklärer Sascha Lobo, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Grünen-Politiker Jan Phillip Albrecht.

Vom Grundgedanken her eine interessante Idee hat die Charta in juristischen Fachkreisen massive Kritik hervor gerufen. Die einzelnen Inhalte der Charta sind unausgegoren. Juristische Begriffe werden nicht korrekt verwendet, oder miteinander vermischt.

In seinem Kommentar auf Telemedicus weist Simon Assion zurecht darauf hin, das Grundrechte in der bisherigen Rechtslehre ausschließlich gegen den Staat und nicht direkt gegen andere Bürger geltend gemacht werden können. Zudem bemängelt er, dass in §23 der Charta der EuGH zur höchsten Instanz der Grundrechte erklärt wird. Nach der europäischen Verfassung ist dies jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Wolfgang Michal bemängelte in seinem Kommentar auf irights, dass die Charta einen zu engen nationalen Bezug habe. Sie verstehe Grundrechte außerdem als Abwehrrechte gegen die Internet-Konzerne des Silicon Valleys und stilisiere den Staat als Schutzmacht der Menschen- und Bürgerrechte hoch. Dabei müsse der Bürger/User im Internet ebenso vor staatlicher Willkür geschützt werden.

In einer sehr harschen Kritik erklärten  Dr. Arnd-Christian Kulow und Thomas Stadler in Stadlers Blog die gesamte Charta gar für unbrauchbar, und nicht einmal dazu geeignet einen Diskurs anzuregen.

Markus Kompa befürchtet insbesondere, dass die Artikel zu Hatespeech eine Einschränkung von Äußerungs- und Meinungsfreiheit bewirken könnten. Er reagierte daher auf die Veröffentlichung der Charta, indem er sich stattdessen Serdar Somuncu anschaute.

Sämtliche juristische Detail-Kritik kann ich hier nicht wiederholen. Die diversen Fehler und Missverständnisse in der Charta lassen jedoch darauf schließen, dass zur Anfertigung des Textes keinerlei juristischer Sachverstand hinzugezogen wurde. Es würde sich empfehlen bei zukünftigen Erklärungen dieser Art entsprechende Fachkompetenz miteinzubeziehen.

Tipps der Woche

Einmal mehr gibt es eine ganze Reihe empfehlenswerter Inhalte.

Die IT-Rechts-Kanzlei hat einen ausführlichen Leitfaden für Online-Händler erstellt. Hierin ist detailliert beschrieben welche Informationen dem Kunden bei einer Online-Bestellung wann zugänglich gemacht werden müssen und was auf gar keinen Fall getan werden darf.

In einem ebenfalls interessanten Artikel hat Stephan Dirks heraus gearbeitet, wer eigentlich bei Urheberrechtsverletzungen auf einer Schulwebsite haftet.

Den aktuellen Stand der Datenschutzregeln für Facebook, Twitter, Google und Co. hat Thomas Schwenke in einem Whitepaper auf 30 Seiten verständlich und mit vielen Beispielen zusammen gefasst. Das Whitepaper kann kostenlos bei allfacebook herunter geladen werden.

Im Jura-Podcast Rechtsbelehrung hat Markus Richter mit seinen Gästen  Beata Hubrig und Niklas Plutte noch einmal den umstrittenen Abmahn-Beantworter des CCC unter die Lupe genommen.

Im August hatte der Chaos Computer Club das Tool zur Verfügung gestellt. Die Opfer unberechtigter Filesharing-Abmahnungen sollten damit automatisiert ein Antwortschreiben generieren können. Während die Online-Presse die Initiative des CCC  überwiegend positiv bewertete, kritisierten Rechtsblogger wie Markus Kompa und Stephan Dirks das Tool. Es sei „gut gemeint aber nicht gut gemacht“ und führe zu zusätzlichen finanziellen Risiken beim Abgemahnten. Auf Grund der starken Meinungsverschiedenheiten hat die Rechtsbelehrung dem Thema nun noch einmal 2 Stunden gewidmet.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 47

Zensur gegen Bruno Kramm eingestellt.BGH-Urteil zu Filesharing und W-Lan-Sicherheit. Holocaust-Leugnerin verurteilt. Black Friday-Abmahnungen. Facebook Anti-Hatespeech Maßnahmen. 

Äußerungsrecht

Polizeipräsident beendet Zensur wegen Böhmermann Gedicht

Der Berliner Polizeipräsident hat Anscheinend das Verfahren gegen den ehemaligen Piratenpartei Vorsitzenden Bruno Kramm eingestellt. Das berichtete Bruno Kramms Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Für diese Maßnahme wurde es höchste Zeit, denn spätestens seit der Einstellung des Verfahrens gegen Jan Böhmermann Mitte Oktober entbehrte das Vorgehen der Berliner Polizei jeglicher Rechtsgrundlage (wie ich in den Wochenrückblicken zur KW 40 und KW 41 bereits bemerkt habe)

Bruno Kramm hatte am 22. April 2016 vor dem türkischen Konsulat Teile des umstrittenen Schmähgedichts von Jan Böhmermann zitiert, diese jedoch analysiert und kritische Stellen im Gedicht als „schmierig“ und „rassistisch“ bezeichnet. Die anwesenden Polizeikräfte verhafteten Bruno Kramm daraufhin mit dem Argument die Wiedergabe des Gedichts sei eine Straftat. Eine Rechtsargumentation, die bei mir blankes Entsetzen ausgelöst hat, wie man mir glaube ich im Video anmerkt:

Vielleicht steckte mir in meiner Beurteilung noch in den Knochen, dass ich selbst auf Grund des Böhmermann Gedichts rechtliches Ungemach hatte. Mein Analyse-Video über das Schmähgedicht wurde damals kurzfristig von Youtube entfernt. Grund war ein unberechtigter Copyright-Claim des ZDF, den ich glücklicherweise ausräumen konnte.

Das Vorgehen gegen Kramm war jedoch noch erheblich unberchtigter: Denn Kramm hatte die Äußerungen Böhmermanns lediglich zitiert, um sie zu analysieren, und sich von fraglichen Äußerungen sogar ausdrücklich distanziert. Er hat sich Böhmermanns Aussagen also keinesfalls zu eigen gemacht. Noch erschreckender als die äußerungsrechtliche Fehleinschätzung der Polizei empfand ich jedoch die Entscheidung des VG Berlin. Denn das Gericht rechtfertigte nicht nur das Vorgehen der Polizei, sondern verlangte von Bruno Kramm zukünftig vor solchen Äußerungen ein Redemanuskript zur Prüfung bei der Polizei einzureichen. Ein eindeutiger Verstoß gegen das verfassungsmäßig garantierte Verbot von Zensur.

Grundgesetz §5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Nicht umsonst hatte ich das Urteil damals unter dem etwas polemischen Titel „VG Berlin führt Vorzensur in Deutschland ein“ kommentiert. Glücklicherweise hat der Rechtsstreit nun ein glimpfliches Ende genommen. Nach Angaben von Rechtsanwalt Markus Kompa klagt die Piratenpartei weiterhin gegen die Berliner Polizei und fordert nun die Kosten des vorherigen Verfahrens ein. Nach ihrer Meinung hätten die Behörden erkennen müssen, dass die Vorwürfe gegen Kramm unberechtigt sind. Eine Rechtsposition, die meiner Ansicht nach schwer von der Hand zu weisen ist.

Holocaust Leugnerin erneut verurteilt

Das Zensurverbot in §5 GG verbietet es dem Staat Äußerungen seiner Bürger zu verhindern. Es verbietet jedoch nicht rechtswidrige Äußerungen im Nachhinein zu sanktionieren. Das musste nun auch die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck erneut erfahren. Haverbeck hatte in 8 Artikeln für die rechtsextreme Zeitschrift Stimme des Reiches behauptet der Völkermord an den Juden habe nicht stattgefunden. Die Gaskammern in Auschwitz seien zu Propagandazwecken von Westalliierten erbaut worden.

Das Amtsgericht Verden verurteilte die 88-jährige zum 8. Mal wegen Volksverhetzung. Haverbeck wurde damit nun insgesamt zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Keines der Urteil ist bisher rechtskräftig. In der Urteilsbegründung erklärten die Richter Haverbecks rechtsextremen Ansichten eine klare Absage. Holocaust-Leugnung sei keine schutzwürdige Meinungsäußerung und durch den Schutzbereich von §5 GG nicht abgedeckt.

§ 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.     gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2.     die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,  wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Naturgemäß anders sah das Wolfram Nahrath der Anwalt der Verteidigung, der selbst dem rechtsextremen Spektrum angehört. Der Volksverhetzungsparagraph sei nicht anwendbar, weil er verfassungswidrig sei. Eine Ansicht, die nach der Rechtslage, der gängigen juristischen Fachliteratur und der ständigen Rechtsprechung sehr schwer zu begründen erscheint.

Hatespeech bei Facebook

Thomas Stadler hat in einem Lesenswerten Blogartikel die Löschpraxis von Hasskommentaren aus rechtlicher Sicht analysiert. Anlass war ein Artikel auf mobilegeeks, die durch interne Quellen nähere Details zum Löschverfahren bei Facebook öffentlich machen konnten: Wird in Deutschland ein Facebook-Kommentar als Hatespech gekennzeichnet, so wird die manuelle Überprüfung im Auftrag von Facebook von der Arvato AG, einer Bertelsmann-Tochter vorgenommen. Die 600 Mitarbeiter der Arvator AG überprüfen die Kommentare dann anhand eines Kriterien-Katalogs von Facebook. Stadler kritisiert zurecht, dass hier ein Parallelrecht etabliert wird. Die Rechtsdurchsetzung wird nicht mehr von staatlichen Stellen nach rechtlichen Kriterien tatsächlich vorgenommen. Den Entscheidungen fehlt jegliche Legitimität auf Basis der demokratisch legitimierten Rechtsordnung. Zumal die Facebook-Richtlinien mit juristisch nicht definierten Begriffen wie Hatespeech arbeiten. Nicht alles, was Facebook-Nutzer als Hatespeech wahrnehmen, ist jedoch auch rechtswidrig. Diese  Tendenz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit ohne formalrechtliche Grundlage ist bedenklich.

Urheberrecht

Filesharing: Voreingestellte Passwörter können ausreichen

Wird von einem Internetanschluss aus ein Filesharing-Vergehen begangen, so erklären die Anschlussinhaber häufig, ihr W-Lan-Router sei gehackt worden, und ein unberechtigter Dritter habe die Urheberrechtsverletzung begangen. Häufiges Gegenargument: Das betreffende W-Lan war nicht hinreichend abgesichert, der Anschlussinhaber habe seine Sicherungspflicht nicht erfüllt und sei demnach trotzdem für den Rechtsverstoß haftbar.

In dieser Situation streiten Juristen und Gerichte häufig darum, wann genau ein W-Lan-Netzwerk hinreichend abgesichert ist. Im Grundsatzurteil Sommer unseres Lebens, hatte der BGH entschieden, dass ein einfaches Passwort des Routers von Werk aus nicht ausreicht. Nun veröffentlichte der BGH eine Pressemeldung zu einem neuen Urteil.

Nach der Pressemeldung hat der BGH entschieden, dass Werkspasswörter doch eine hinreichende Sicherheitsmaßnahme sein können. Und zwar dann, wenn der Hersteller nicht für alle Router einer Serie das gleiche Passwort vergibt, sondern für jedes Gerät ein individuelles.

Stephan Dirks hat in seinem Blog zurecht darauf hingewiesen, dass die genaue Urteilsbegründung noch nicht im Volltext vorliegt, und Pressemeldungen grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen sind. Thomas Stadler gab ebenfalls mit Recht zu bedenken, dass dieser Sachverhalt in einem Rechtsstreit überhaupt nur dann Relevanz hat, wenn ein Hackerangriff überhaupt ernsthaft und konkret in Betracht kommt. In der Tendenz ist das Urteil begrüßenswert. Nichtsdestotrotz ist jedem Internet-Nutzer zu raten, sein W-Lan-Passwort zu individualisieren.

Filesharing Urteile

Ich berichte in den letzten Wochen häufig über einzelne Filesharing Fälle. Das ist deswegen von Relevanz, weil sich nach einem Grundsatzurteil des BGH vor einigen Wochen, eine Änderung in der Rechtsprechungslinie heraus kristallisiert, die ich zu dokumentieren versuche. Nun hat auch das AG Hannover sich der Tendenz der letzten Wochen angeschlossen: In einem Urteil entschied es, dass bei Familienanschlüssen keine hinreichende Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht, wenn mehrere Personen Zugriff auf den Router hatten.

Bundesverfassungsgericht sieht Rechte von Suchmaschinen

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sieht vor, dass Suchmaschinen wie Google für die Nutzung kleiner Snippets in ihren Suchergebnissen Gebühren an Presse- und Medienverlage zahlen müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu diesem Sachverhalt nun geäußert, und dabei in einer Urteilsbegründung fest gestellt, dass Suchmaschinen eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllen, und damit auch bestimmte Interessen und Rechte verbunden sind. Konkret müssen Suchmaschinen dazu in der Lage sein Textausschnitte zu verwenden, um Usern das Auffinden von Informationen möglich zu machen. Gerichte müssten dieses Interesse berücksichtigen, wenn sie Urteile fällen. Insbesondere bei der Beurteilung von Begriffen wie Presseerzeugnisses und kleinster Textausschnitt sollen Gerichte die Interessenlage im Hinterkopf behalten.

E-Commerce

Black Friday Abmahnungen

Am Freitag war der berüchtigte Black Friday, der letzte Freitag im November und der Tag nach dem amerikanischen Thanksgiving. An diesem Tag locken in den USA Vertreter des Einzelhandels traditionell mit Sonderangeboten, und eilen von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord. Auch in Deutschland ist die Werbung mit Black Friday-Angeboten mittlerweile angekommen. Doch von der rechtlichen Seite droht Ungemach. Ein Unternehmen aus Hong Kong hat sich den Begriff Black Friday 2013 als Marke eintragen lassen, und verschickt nun Abmahnungen an Händler, die mit dem Begriff werben.

Rechtsanwalt Thomas Stadler vermutete in seinem Blog mit Blick auf das Warensortiment der Firma, dass die Markeneintragung von vornherein mit Blick auf das Abmahn-Geschäft vorgenommen wurde. Sollten Gerichte dem zustimmen, sind die Abmahnungen der Super Union Holdings Ltd haltlos. Denn wenn Abmahn-Gewinne in keinem Verhältnis mehr zur eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens stehen, entscheiden Gerichte regelmäßig gegen den Abmahnenden.

Korrekte Versandkosten bei Ebay

Wer Waren bei der Online-Plattform Ebay gewerblich verkauft, muss zahlreiche rechtliche Details beachten, um keine unerwünschte Abmahnung im Briefkasten vorzufinden. In einem sehr guten Artikel hat die IT-Rechts-Kanzlei nun auf eines der Risiken hingewiesen: Wer den Versand in ein bestimmtes Gebiet anbiete, der müsse auch die Höhe der konkreten Versandkosten angeben. Die Länder, für die Händler einen Versand anbieten, können sie im Backend von Ebay einstellen.

Alternative Streitbeilegung: Neue Regelungen 2017

Einführungsartikel, Urteile, Pressemeldungen, panische Diskussionen in Foren und Facebook-Gruppen und Änderung über Änderung. Kaum ein Thema hat Online-Händler und Portalbetreiber je so in Aufruhr versetzt, wie die Einführung der alternativen Streitbeilegung dieses Jahr. Die Regelung sorgt nach wie vor für viel Panik und Unverständnis bei Händlern und Internetnutzern. 2017 wird sich nun noch einmal einiges ändern. Was genau hat die IT-Rechts-Kanzlei in einem Überblick zusammen gestellt.

Leseempfehlung der Woche

Wie man hier und da in dem einen, oder anderen Artikel oder Vortrag von mir bemerken kann, störe ich mich sehr an der Rechtsauffassung und der (Un-)Rechtsdurchsetzungspolitik des Reiss Engelhorn Museums Mannheim. Erst überschüttete das Museum kleine Webseiten und Blogs mit Abmahnungen. Dann verklagte das Haus Wikipedia gleich mehrfach. Die (aus meiner Sicht lächerliche) Rechtsposition: Reproduktionsfotografien von Gemälden sollen selbst als Lichtbilder Schutz durch das Urheberrechtsgesetz genießen.

Irights hat sich jetzt abseits von der konkreten juristischen Frage mit der zugrunde liegenden gesellschaftspolitischen Debatte beschäftigt. Lesenswert.

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 43

Kritik am EU-Urheberrecht hält an. Webdesigner haften für Urheberrechtsverstöße. Weitere Urteile zu Filesharing. Irische Datenschützer klagen gegen EU-USA Vereinbarung. Angela Merkel ruft (unwissentlich) zu Urheberrechtsverletzungen auf.

EU-Urheberrecht

Die Kritik an Vorschlägen zur EU-Urheberrechtsreform reißt nicht ab. Im Zentrum der Kritik steht immer noch das hoch umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Nachrichten-Verlage sollen zukünftig daran verdienen, wenn andere Online-Dienste auf ihre Webseiten verlinken, und dabei kurze Snippets wie dieses hier anzeigen:

Europäisches Leistungsschutzrecht: „Das absehbare Chaos ist grenzenlos“

Im verlinkten Interview erläutert Dr. Till Kreutzer von Irights seine starken Bedenken gegen das Leistungsschutzrecht. Für Content-Anbieter aber auch für Verlage drohen riesige Rechtsunsicherheiten und bürokratische Hürdenläufe. Ob zB. die Darstellung von RSS-Feeds nach der Urheberrechtsreform noch erlaubt sei, könne momentan noch niemand sagen. Weil Leistungsschutzrechte nicht wie Urheberrechte eine kreative Mindestleistung erfordern, könnten Überschriften wie „Merkel trifft Putin“ zukünftig geschützt sein. Das würde bedeuten: Wenn eine Zeitung einmal so getitelt hat, darf 20 Jahre lang kein anderer Verlag diese Überschrift verwenden.

Sehr fraglich ist laut Dr. Kreutzer Günther Oettingers Statement, dass Privatnutzer bei Facebook oder Twitter nicht vom neuen Leistungsschutzrecht betroffen wären. Nach momentan geltendem Recht unterscheidet das Urheberrecht nicht zwischen privaten und gewerblichen Veröffentlichungen. Und im EU-Urheberrechtsentwurf steht auch nichts, was das ändern könnte. Als Oettinger in einem FAZ-Interview diese Position erstmals geäußert hatte, hatte ich bereits darauf hingewiesen. Oettingers Äußerungen im (leider nicht mehr zugänglichen) FAZ-Interview lassen leider nur einen Schluss zu: Der EU-Kommissar kennt die geltende Rechtslage nicht.

Im EU-Parlament formiert sich indes Partei-übergreifender Widerstand gegen das Leistungsschutzrecht. Die Bundesregierung evaluiert momentan, ob das Leistungsschutzrecht in Deutschland die gewünschte Wirkung erreicht hat. Der Fachausschuss „Ausschuss digitale Agenda“ hatte in einem Gutachten für die Bundesregierung bereits 2013 dafür plädiert das Gesetz wieder abzuschaffen.

Rückendeckung erhält Günther Oettinger überraschend durch ein erst jetzt veröffentlichtes Urteil des OLG München vom 14. Juli. Die Münchner Richter hatten zu entscheiden, ob ein News-Aggregator gegen das Urheberrecht einer Nachrichten-Seite verstoßen hatte, weil er Links zu dessen Artikeln gesetzt und dabei Snippets aus den Texten dargestellt hatte. Die Artikel waren durch eine Paywall geschützt. Entscheidung: Durch die Snippets habe der News-Aggregator die urheberrechtlich geschützten Inhalte öffentlich zugänglich gemacht und damit gegen das Urheberrecht verstoßen.

Sammlung von Artikeln zur EU-Urheberrechtsreform bei irgihts:

Urheberrechtsreform in Europa

Filesharing-Urteile

In den letzten Wochen hatten sich die Urteil zu Filesharing bereits gehäuft. Im Zentrum der Urteile stand die Frage: Wie ausführlich muss ein Anschlussinhaber in einem Filesharing verfahren nachweisen, dass auch eine andere Person die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte? Reicht es aus, eine andere Person mit Zugriff auf das WLAN zu benennen? Oder muss der Anschlussinhaber weiter gehende Belege erbringen?  Nach einer grundsätzlichen BGH-Entscheidung vor 4 Wochen und mehreren Urteilen auf Landes und Oberlandesgerichtsebene in der letzten Woche hatte ich geglaubt die Trendwende in der Rechtsprechung sei vollzogen.

In einem Urteil des LG Berlin vom 20. September ist jedoch wieder der gegenläufige Trend zu beobachten. Ein Familienvater war wegen Filesharing angeklagt und hatte sich darauf berufen, dass auch seine Frau und Kinder Zugriff auf den Internet-Anschluss hatten. Das Gericht entschied jedoch: Der Vater hätte das Router-Protokoll auslesen und die Browserverläufe seiner Angehörigen durchsuchen müssen. Zitat des Gerichts:

„Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle wäre besser – und notwendig gewesen.“

Das LG Berlin gilt in Urheberrechtsfragen als sehr konservativ. Dies stellt das Gericht erst kürzlich in seiner desaströsen Entscheidung im Fall Wikipedia vs. Reiss Engelhorn Museum erneut unter Beweis. Das Urteil zeigt, dass trotz des Grundsatzurteils des BGH noch immer keine ganz eindeutige Rechtsprechung besteht, und einzelne sehr konservative Gerichtshöfe anders entscheiden können.

Webdesigner haften für Rechtsverstöße

In einem Urteil hat das LG Bochum entschieden, dass ein Webdesigner für eine Urheberrechtsverletzung haftet. Die Kanzlei, für die er eine Website erstellt hatte, hatte eine Abmahnung erhalten, und verlangte von dem Webdesigner Regress. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Urteile, in denen Webdesigner für das Fehlverhalten ihrer Kunden haftbar gemacht wurden. Dieser Fall hier liegt anders: Der Webdesigner hatte selbst ein Foto auf der Website verwendet, für das er nicht die notwendigen Rechte eingeholt hatte. Dass das Gericht ihn dafür zur Verantwortung gezogen hat, kann niemanden überraschen.

Webdesigner-Haftung – Schadensersatz bei fehlerhafter Homepage-Erstellung

Impressum bei ebay

Die IT-Rechtskanzlei hat in einem Beitrag auf rechtliche Gefahren für Betreiber eines Ebay-Shops hingewiesen. Das standard-Impressum erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Wer bei Ebay Waren verkauft, sollte entsprechend nachbessern.

Datenschützer klagen gegen Abkommen

Nachdem der europäische Gerichtshof das Safe Harbour Abkommen zwischen der EU und den USA für verfassungswidrig erklärt hat, hatten EU und USA sofort begonnen über eine Nachfolgeregelung zu verhandeln. Seit 12. Juli ist der Vertrag nun beschlossene Sache. Der Vertrag regelt den Datenschutz bei Daten, die vom einen in den anderen Rechtsraum transferiert werden.

Der EuGH hatte Safe Harbour im Oktober 2015 gekippt. Hauptgrund war unter anderem: Die EU-Kommission überprüfe nicht, ob Datenschutzbestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden, nachdem die Daten in die USA übermittelt werden. Eine solche Überprüfung ist auch im neuen EU-US-Privacy-Shild nicht vorgesehen. Deswegen war lange erwartet worden, dass Datenschützer rechtlich gegen die Vereinbarung vorgehen würde. Diese Woche war es nun soweit: Irische Datenschützer haben beim Gericht der Europäischen Union (EuG) eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet.

Einwilligung erlischt nicht durch Zeitablauf

 

http://www.it-recht-kanzlei.de/einwilligung-werbung-e-mail-zeitablauf.html

Rundfunkbeitrag trotz religiöser Gründe

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so wie der Rundfunkbetrag. Die Gründe sind vielfältig: Viele Bürger haben das Gefühl, dass die Rundfunk-Gelder ineffizient verwaltet werde, und/oder finden es ungerecht, dass sie den Rundfunkbeitrag bezahlen müssen, obwohl sie gar keine öffentlich rechtlichen Programme nutzen.

Bei so viel politischem Unmut ist es kaum verwunderlich, dass auch auf juristischer Ebene viel unternommen wurde, um den Rundfunkbeitrag zu kippen. Ein sehr intelligentes rechtliches Argument war zum Beispiel: Der Rundfunkbeitrag sei kein Beitrag sondern tatsächlich eine Steuer. Er dürfe deswegen nicht erhoben werden, weil die zuständigen Behörden gar nicht dazu legitimiert sind Steuern einzutreiben. Dieser Argumentation erteilte das Bundesverfassungsgericht im März eines Absage.

Nun hatte sich ein Gegner des Rundfunkbeitrags etwas neues ausgedacht: Ein Pastor einer freikirchlichen Gemeinde weigerte sich den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Er werde dadurch gezwungen die Inhalte der öffentlich rechtlichen Medien zu finanziere. Diese widersprächen jedoch teilweise seinem religiösen Weltbild. Auf Grund der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit ( GG §4 Absatz 1) dürfe er deswegen nicht dazu gezwungen werden, den Beitrag zu entrichten.

Wenig überraschend wies das Verwaltungsgericht Neustadt die Klage ab. Wie schon der Übergeordnete Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz fest gestellt hatte, sei mit der Zahlung des Rundfunkbeitrags kein weltanschauliches Bekenntnis verbunden.

Keine Befreiung von Rundfunkbeitrag aus religiösen Gründen

Kanzlerin ruft zu Urheberrechtsverletzung auf

Nicht nur Günther Oettinger scheint die momentane Rechtslage im Urheberrecht Schwierigkeiten zu bereiten. Bei einer Partei-Veranstaltung der CDU Mecklenburg Vorpommern warb die Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, doch wieder öfter Weihnachtslieder zu singen:

Wie viel christliche Weihnachtslieder kennen wir denn noch und wie viel bringen wir denn unseren Kindern und Enkeln bei? Dann muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann (…) mal bitten.

Wo ist das Problem? Ganz einfach. Was die Kanzlerin hier vorschlägt ist rechtswidrig: Noten haben im Urheberrecht nämlich einen gesonderten Status. Urheberrechtlich geschützte Noten dürfen nicht fotokopiert, sondern nur per Hand abgeschrieben werden. Das gilt selbst für private Nutzungen.

UrhG §53

(4) Die Vervielfältigung

a)
graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,

ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig[…]

Eine Ausnahme besteht für Lieder, deren Komponist und Liedtexter bereits länger als 70 Jahre verstorben sind. (Vorausgesetzt es handelt sich nicht um neue wissenschaftliche Auflagen der Noten). Die Kanzlerin hat nicht spezifiziert welche Weihnachtslieder die Bürger kopieren und singen sollen. Greifen sie etwa zu „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski, wäre das eine klare Urheberrechtsverletzung.

Wenn schon die Regierungschefin eines Landes das Urheberrecht nicht mehr versteht, sollte man vielleicht andenken, es zu reformieren. 😉

 

 

Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 42

BND-Gesetz. EuGH schafft größeren Spielraum zum Tracking von IP-Adressen. Telefonnummer im Impressum bei Online-Shops nicht zwingend nötig. Wirtschaftsministerium will bei Störerhaftung nachbessern. EU-Kommission will Filterfunktionen für Content-Provider.

Es war eine ereignisreiche Woche im Medienrecht. Fangen wir an:

BND Gesetz

Das netzpolitische Hauptthema dieser Woche war das hoch umstrittene BND-Gesetz, das der Bundestag am Freitag (21.10.2016) verabschiedet hat.  Die Befugnisse des BND zur Überwachung von Internet-Kommunikation wurden darin erheblich erweitert. (Zum Gesetzesentwurf) Den genauen Inhalt des Gesetzesentwurfs haben die Kollegen von netzpolitik in diesem Video aufgearbeitet:

Wenig überraschend löste der Abschluss des Gesetzes nicht nur massive Proteste aus, sondern wird auch juristische Folgen haben: Die vormalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat angedroht gegen das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde anzustreben.

In der Tat drängt sich schon bei grober Lektüre des Gesetzesentwurfs die Vermutung auf, dass er gegen das Fernmeldegeheimnis und damit gegen das Grundgesetz verstoßen könnte:

Art 10

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Thomas Stadler hat in seinem Kommentar die größten Problem herausgearbeitet: Gemäß § 6 Abs. 4 BND-Gesetz soll der BND keine Kommunikation deutscher Staatsbürger überwachen:
(4) Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.
Bei der Überwachung von Datenknoten ist es dem BND aber technisch gar nicht möglich „deutsche“ Daten von „ausländischen“ Daten zu unterscheiden. Insofern verstößt der BND bereits gegen das BND-Gesetz.
Des Weiteren hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 entschieden, dass Geheimdienste auch dann gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen, wenn sie von deutschem Boden aus ausländischen Fernmeldeverkehr abhören.
Einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz werden deshalb gute Chancen eingeräumt.

EuGH erweitert Recht IP-Adressen zu speichern

Darf ein Website-Betreiber die IP-Adressen seiner User speichern und für zukünftige Seitenbesuche vorhalten? Um das zu beantworten ist entscheidend, ob IP-Adressen so genannte Personen bezogene Daten sind. Denn Personen bezogene Daten dürfen nur gespeichert werden, wenn der Users seine ausdrückliche Zustimmung gibt, und er  über die Verwendung der Daten genau unterrichtet wurde. Ob und wann IP-Adressen nun Personen bezogene Daten sind, war unter Internet-Rechtlern lange umstritten.
Der EuGH hat hierzu nun eine Grundsatzentscheidung gefällt. Die Antwort auf die Frage ist wie fast immer kein klares „Ja“ oder „Nein,“ sondern ein „Es kommt darauf an.“  IP-Adressen sind nur dann als Personen bezogene Daten zu bewerten, wenn der speichernde Diensteanbieter die Adresse dem konkreten User zuordnen kann. Weil Internetprovider diese Daten im Normalfall nicht an den Website-Betreiber herausgeben dürfen, ist das zunächst einmal nicht gegeben. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der User bestimmte Rechtsverstöße begeht. In diesem Fall gibt es gesetzliche Sonderregelungen, die es dem Website-Betreiber gestatten, den User hinter der IP-Adresse zu ermitteln. (im Urheberrecht zB. §101 UrhG )

Heißt das also paradoxerweise, dass IP-Adressen gerade dann nicht gespeichert werden dürfen, wenn der User Schaden anrichtet? Nein. Denn der EuGH hat gleichzeitig entschieden, dass §15 TMG des deutschen Telemediengesetzes europarechtswidrig ist.

Ein Website-Betreiber habe nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Online Angebot funktionsfähig bleibe. Und dieses berechtigte Interesse kann es rechtfertigen Personen bezogene Daten zu speichern. Es kann also notwendig sein IP-Adressen von Usern zu speichern, um Angriffe (wie etwa Bruteforce Attacken) von diesen Adressen aus zu verhindern.

Wann die Speicherung von IP-Adressen nun konkret gerechtfertigt ist, müssen nun niedere Gerichte im Detail klären.

Kommentar bei Thomas Stadler

EuGH entscheidet zum Personenbezug von IP-Adressen

Urteile zu Filesharing

In einem grundlegenden Urteil hatte der BGH bereits vor 2 Wochen Anschlussinhaber in Filesharing-Verfahren entscheidend gestärkt. In dieser Woche veröffentlichte die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke verschiedene Entscheidungen in Filesharing-Verfahren, die die Kanzlei betreut hatte. Bereits vor dem Urteil des BGH hatte auch das Amtsgericht Rostock in einem ähnlichen Fall gleich entschieden: Ein Anschlussinhaber ist nicht gezwungen im Detail nachzuweisen, wer einen Urheberrechtsverstoß über den Anschluss begangen hat. Es genügt andere Personen zu benennen, die ebenfalls den Anschluss genutzt haben könnten. Mit der gleichen Argumentation war die Kanzlei auch in einem Verfahren vor dem AG Stuttgart erfolgreich.

Das BGH Urteil und verschiedene Urteile niederer Gerichte zeigen also, dass sich die generelle Rechtsprechungslinie zum Filesharing zu ändern scheint. Wenn auch künftige Urteil bestätigen, dass der Anschlussinhaber lediglich eine Person mit Zugriff auf seinen Internet-Zugang benennen muss, könnte das das Geschäftsmodell von Massenabmahn-Anwälten grundsätzlich unrentabel machen.

In einem anderen Verfahren vor dem AG Köln konnte WBS ebenfalls einen Sieg davon tragen. Die klagende Partei hatte dem Mandanten der Kölner 11 Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen, konnte jedoch nur für einen einzigen Zeitpunkt einen Zugriff durch die IP-Adresse des Beklagten belegen. Nicht ausreichend! Das AG Köln wies die Klage ab. IP-Adressen-Ermittlungen haben eine Fehlerquote von bis zu 50%. Eine einzige Ermittlung der IP-Adresse begründe deswegen keinen hinreichenden Verdacht.

Ausweispflicht für Porno-Seiten

Großbritannien plant zur Sicherung des Jugendschutzes offenbar eine Ausweispflicht für den Zugang zu Pornoseiten. Um pornografische Inhalte abrufen zu können, soll ein User nachweisen, dass er älter als 18 Jahre ist. Wie das im Einzelfall genau überprüft werden soll, lässt der Gesetzesentwurf offen. Befürworter versicherten, dass lediglich das Alter und keine darüber hinaus gehenden persönlichen Daten verlangt werden sollen. Dennoch sehen Datenschützer den Entwurf kritisch.

Nachbesserung bei der Störerhaftung?

Gute Nachrichten gab es diese Woche überraschend aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Offenbar soll die missglückte Reform der Störerhaftung entscheiden nachgebessert werden. Um endlich die Betreiber freier WLANs vor Abmahnkanzleien zu schützen, hatte die große Koalition sich im Juni auf eine Gesetzesänderung verständigt. Diese viel jedoch enttäuschend aus. Denn die neue Rechtslage schützte WLAN-Betreiber zwar vor strafrechtlichen Folgen und vor Schadenersatzansprüchen, jedoch nicht vor dem Unterlassungsanspruch des Geschädigten. Dadurch waren Massenabmahnungen gegen WLAN-Betreiber jedoch weiter möglich. Genau das scheinen Netzpolitiker der Koalition nun ändern zu wollen.

Ich persönlich bleibe skeptisch, bis ein konkreter Gesetzestext vorliegt.

Muss die Telefonnummer ins Impressum?

Entgegen landläufiger Meinungen muss im Impressum eines gewöhnlichen Online-Angebots nicht zwingend eine Telefonnummer angegeben werden. Nach TMG §5 sind lediglich „Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen“ vorgeschrieben

Was genau unter einer unmittelbaren Kommunikation genau zu verstehen ist, ist im Einzelfall jedoch schwierig zu beurteilen. Nach einem EuGH Urteil von 2008 ist mindesten ein Kontaktformular zulässig. Ob etwa die Angabe einer Facebook-Seite als unmitelbare Kommunikation ausreicht ist noch unklar. Das KG Berlin wies in einem Urteil gegen Whatsapp in der Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass diese Frage noch nicht hinreichend geklärt ist.

Das alles gilt jedoch nur für reine Medienseiten. Anders sieht es bei Online Shops aus. Weil Kunden hier noch weiter gehende Anliegen haben können (zB. einen Umtausch von Waren) sind die Pflicht-Angaben für ECommerce-Angebote höher. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB ist hier die Telefonnummer vorgeschrieben:

Der Unternehmer ist, […] verpflichtet, dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung folgende Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen: […] sowie seine Telefonnumer, […]

Was ausdrücklich im Gesetzestext steht, muss doch Rechtslage sein. Oder? Nein, entschied das OLG Köln in einem Verfahren gegen den ECommerce-Riesen Amazon. Amazon stellt seinen Nutzern keine Telefonnummer sondern nur einen Rückruf-Service zur Verfügung. Nutzer können dort ihre Telefonnummer hinterlassen, und werden dann von Amazon-Mitarbeiern zurück gerufen. In seinem Urteil bestätigte das OLG Köln diese Praxis als rechtens.

Rechtsartikel der Woche

Mein persönlicher Lieblingsartikel aus der Rechts-Blogosphäre war diese Woche ein Interview auf irights mit Doktor Ansgar Koreng. Der JBB-Anwalt kritisierte darin einen neuen Entwurf der Europäischen Kommission. Danach sollen Content Provider zukünftig dazu verpflichtet werden Filter-Systeme zu implementieren, die urheberrechtlich geschütztes Material automtisiert erkennen und sperren. Wenn etwa ein User bei Facebook, Deviantart oder Flickr ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Erlaubnis hoch lädt, soll es sofort gesperrt werden. Kurz gesagt: Die EU Kommission will, dass alle Plattformanbieter etwas ähnliches wie Youtubes Content-ID System einführen.

Im Interview gab Ansgar Koreng zu bedenken, dass auch Dienste wie Wikipedia formal betrachtet unter diese Richtline fallen würden. Zudem warnte er vor Eingriffen in die Informations- und Meinungsfreiheit der User. Sein (meiner Ansicht nach) bestes Argument ist aber: Die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist oft durch Ausnahmeregelungen im Urheberrecht erlaubt. (zB. Recht auf freie Benutzung nach §24 Urhg, Zitatrecht §51 UrhG). Ein automatischer Filter-Algorithmus kann solche Unterscheidungen jedoch nicht treffen. Solche Filtersysteme hätten also ein massives Overblocking von legalen Inhalten zur Folge. Ein Problem, dass auch bei der Youtube-Content-ID häufig vorkommt und ständig kritisiert wird.

Das grundlegende Problem an solchen Filtermechanismen, hat Leonhard Dobusch in einem Vortrag vor der Friedrich Ebert Stifung hervorragend dargelegt: Durch Systeme wie die Youtube-Content-Id treten Algorithmen an die Stelle von Gesetzen. Entscheidend ist nicht mehr was legal ist, sondern was sich technisch durchsetzen lässt.

 

BGH schränkt Störerhaftung ein

Störerhaftung: Nach dem politischen Paukenschlag gestern sorgt heute der BGH für Schlagzeilen. In einem Urteil schränkte er die Störerhaftung entscheidend ein.

Die Störerhaftung kommt kaum aus den Schlagzeilen. Erst gestern hatte die Regierungskoalition angekündigt, die Störerhaftung endgültig abschaffen zu wollen. (Mein Artikel inklusive juristischer Hingergründe zum Thema findet sich hier) Nun hat der BGH in einem heutigen Urteil die von ihm selbst geschaffene Störerhaftung entscheidend eingeschränkt.

Störerhaftung und Belehrungspflicht

Wenn in Deutschland über einen Internetanschluss eine rechtswidrige Handlung wie etwa ein urheberrechtswidriges Filesharing begangen wird, dann wird zunächst vermutet, dass der Inhaber dieses Internetanschlusses auch der Täter ist. Es obliegt dann ihm nachzuweisen, dass auch andere Personen die Tat über sein WLAN hätten begehen können.

Kritischer Punkt: (Und hierin unterscheidet sich die deutsche Rechtsprechung von der Rechtsprechung der restlichen westlichen Welt) Wenn andere Personen Zugriff auf den Internet Anschluss hatten, so haftet der Anschlussinhaber als Störer, weil er die Infrastruktur für den Rechtsverstoß zur Verfügung gestellt hat. Dies traf nach der Rechtsprechung des BGH nur dann nicht zu, wenn er alle Nutzer seines Internetanschlusses (Etwa Familienmitglieder, Nachbarn oder Mitbewohner) darüber belehrt hatte, dass sie keine urheberrechtswidriges Filesharing betreiben dürfen.

Das heutige Urteil

Von diesem Grundsatz ist der BGH nunmehr abgekommen. Er hält es nach seinem Urteil von heute fest:

Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.

Die Folgen

Das Urteil hat in der Tat das Potential der im sterben liegenden Störerhaftung den Todesstoß zu versetzen. Bereits in den letzten Jahren häuften sich Fälle in denen Abgemahnte sich mit folgender Argumentationsstrategie erfolgreich vor Gericht gegen Schadenersatzforderungen wehrten:

„Ich bestreite nicht, dass der Urheberrechtsverstoß über meinen Internetanschluss geschehen ist. Jedoch bestreite ich den Verstoß begangen zu haben bzw. mache diesbezüglich von meinem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht. Auf den Internet-Anschluss hatten neben mir auch meine Familie/ meine Mitbewohner/meine Gäste Zugriff. Wer von uns den Verstoß begangen hat, ist also nicht bekannt. Die Schadenersatzforderungen können deswegen nicht geltend gemacht werden, weil nicht klar ist bei wem.“

Der letzte Ausweg der Abmahn-Anwälte war in diesem Fall zu argumentieren: „Die Mitnutzer des Internetanschlusses wurden nicht korrekt darüber belehrt, dass sie kein illegales Filesharing betreiben dürfen bzw. kann der Anschlussinhaber nicht nachweisen die Mitnutzer ausreichend belehrt zu haben.“

(Ausführlich zur Störerhaftung, sei wie gestern auf den Podcast Rechtsbelehrung von Markus Richter und Thomas Schwenke verwiesen. Bei um 1.00.00 findet sich auch eine herrliche Diskussion, über Belehrungspflicht und Nachweisbarkeit)

Fazit

Mit dem neuen Urteil des BGH ist Abmahn-Anwälten der Musik- und Filmindustrie ihr letzter Argumentationsweg verbaut. Sie kann nun nur noch Schadenersatz gegen Filesharer geltend machen, wenn sich genau nachweisen lässt, wer den Verstoß begangen hat. In Zeiten kollaborativer Internetnutzung und freier WLANs wird das zukünftig nur noch selten vorkommen. Noch bevor etwaige Gesetzesänderungen greifen, könnte dieses Urteil der Störerhaftung also den Gar ausmachen.