Wochenrückblick Internet- und Medienrecht KW 50

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite. Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden. Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor. Anhaltende Kritik an Linkhaftung. Initiative zur endgültigen Abschaffung der Störerhaftung. Stellenanzeigen nicht zwingend urheberrechtlich geschützt.

Arbeitsrecht

Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei Facebook-Seite

Betriebsräte haben in Deutschland verhältnismäßig viel Einfluss. Zum Beispiel müssen sie zustimmen, wenn die Leistung oder das Verhalten von Mitarbeitern durch technische Maßnahmen überwacht wird.

§87 Betriebsverfassungsgesetz

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen

[…]

6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

Was aber, wenn die Überwachung nicht direkt durch technische Maßnahmen erfolgt, aber zB. Kunden Online-Feedback geben können? Auch hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, entschied jetzt das Bundes Arbeitsgericht. Im vorliegenden Fall hatte das Deutsche Rote Kreuz eine Facebook-Seite zu Marketing-Zwecken eingerichtet, auf dem sich jedoch Nutzer über einzelne Schwestern und Ärzte beschwerten.

Christian Solmecke von der Kanzlei WBS kritisierte das Urteil: Die Facebook-Seite sei zu Marketing-Zwecken und nicht zum Zwecke der Überwachung der Mitarbeiter angelegt worden. Deshalb sei sie nicht als technische Einrichtung zur Überwachung zu werten.

Urheberrecht

Urheberrechtsreform sieht Kopiervergütung für Verlage vor

Im April diesen Jahres entschied der BGH bekanntermaßen, dass nach dem gängigen Urheberrecht die Kopiervergütung an urheberrechtlich geschützten Werken alleine dem Urheber zusteht und Verlage daran keinen Anteil haben:

Schon unmittelbar nach dem Urteil, wurden Stimmen laut eine neue Rechtsgrundlage für die Verlegerbeteiligung zu schaffen. Nun hat die Regierungskoalition ihre lang angekündigte Urheberrechtsreform im Bundestag verabschiedet. Neben Maßnahmen, die schon länger geplant waren, wurde darin die Verlegerbeteiligung auf neue rechtliche Grundlage gestellt. Es gibt gewisse Bedenken, dass das neue Gesetz gegen Europarecht verstoßen könnte. Ein etwaiges Verfahren vor dem EuGH bleibt abzuwarten.

An anderer Stelle stärkt das neue Urheberrecht die Urheber: Wenn Urheber Nutzungsrechte an ihren Werken an Verwerter einräumen, haben sie zukünftig erweiterte Auskunftsrechte. Nach 10 Jahren fallen die Rechte außerdem automatisch an sie zurück.

Übergangslösung für Unirahmenvertrag gefunden

An Schulen und Universitäten werden täglich tausende wissenschaftliche Texte kopiert oder den Schüler/innen und Studenten/innen online zugänglich gemacht. Das ist absolut wesentlich, denn ohne die entsprechende Fachliteratur kann niemand in einer Bildungseinrichtung etwas lernen. Da wissenschaftliche Texte jedoch dem Urheberrecht unterstehen, stellt sich die Frage, wie die Autoren der Texte vergütet werden. Für Texte, die über Intranet-Plattformen wie Moodle zugänglich gemacht werden, regelt das §52a UrhG. Bildungseinrichtungen dürfen danach die Texte zur Verfügung stellen, müssen dafür aber eine Vergütung entrichten, die durch die VG Wort eingezogen wird.

Bislang war es so, dass die Universitäten Pauschalbeträge bezahlten. Die VG Wort versucht dagegen seit geraumer Zeit durchzusetzen, dass die Bildungseinrichtungen für jeden einzelnen Text bezahlen sollen. Die Hochschulen protestieren: Jeden einzelnen Text zu erfassen, der den Studenten/innen zugänglich gemacht wird, sei schlicht zu aufwendig. Einige Hochschulen hatten sogar angedroht, in diesem Falle gänzlich auf digitalisierte Literatur zu verzichten, und wieder Kopiervorlagen zur Verfügung zu stellen.

Zum Glück scheint diese Rückkehr in prae-digitale Zeiten nun zunächst abgewendet. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums von Nordrhein Westfalen einigte sich eine Arbeitsgruppe aus Kultusministern, Hochschulen und der VG Wort in letzter Minute darauf, die bisherige Praxis mindestens bis September 2017 fortzusetzen. Gut für die deutschen Hochschulen.

Filesharing Urteile

Um meinen Lesern ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sich die Rechtsprechung zu Filesharing entwickelt, berichte ich wöchentlich über interessante Urteile in diesem Bereich. Das AG Düsseldorf wies in einem aktuellen Urteil eine Filesharing-Klage ab. Der Angeklagte sollte ein Musikalbum per Filesharing öffentlich zugänglich gemacht haben. Er konnte jedoch nachweisen, dass er am fraglichen Wochenende Freunde zu einem Online-Spiel-Wochenende eingeladen und ihnen dabei Zugriff auf seinen Internet-Anschluss gewährt hatte. Das Gericht sah dadurch die so genannte Sekundäre Darlegungspflicht erfüllt, weil dadurch die reale Möglichkeit Bestand, dass ein anderer den Verstoß begangen haben könnte.

Anders entschied das LG Leipzig in einem aktuellen Fall. Hier hatte ein Familienvater dargelegt, dass seine Kinder im Haushalt Zugriff auf das Internet hätten. Damit kamen auch hier real andere Personen als der Angeklagte in Frage. Das LG Leipzig entschied jedoch, dass der Sekundären Darlegungspflicht hier nicht genüge getan wurde. Das Urteil des LG Leipzig widerspricht der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshof in dieser Frage und auch der Rechtsprechungs-Tendenz der vergangenen Wochen und Monate.

Wird die Störerhaftung endgültig abgeschafft?

Im Mai diesen Jahres gelang dem Bundestag ein PR-Coup. Er beschloss ein Gesetz um die Störerhaftung endlich abzuschaffen. Eine Maßnahme, die die Öffentlichkeit seit Jahren gefordert hatte. Leider erfüllte die Gesetzesänderung nicht was sie versprach. Denn sie schaffte nicht den Unterlassungsanspruch ab, der die rechtliche Grundlage für Filesharing-Abmahnungen ist.

Nun wird das Land Schleswig Holstein eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbringen, die genau diese Lücke schließen soll. Die Initiative war ursprünglich von der Fraktion der Piratenpartei im Landtag von Schleswig Holstein eingebracht und mit der Unterstützung mehrerer Fraktionen beschlossen worden.

Da ich in der Vergangenheit auf derartige Initiativen wohl zu optimistisch reagiert habe, werde ich erst einmal abwarten, was passiert.

Stellenanzeige nicht urheberrechtlich geschützt

Bekanntlich muss ein Text – genau wie jedes andere Werk im Urheberrecht – eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Über die Frage, wann genau ein Text kreativ und individuell genug ist, um die Kriterien der kleinen Münze zu erfüllen, darüber wurden schon viele Prozesse geführt.

In einem Fall, den da KG Berlin zu entscheiden hatte, war eine Stellenanzeige fast 1 zu 1 kopiert und online gestellt worden. Ein Urheberrechtsverstoß? Nein, entschied das Gericht. Die Stellenanzeige hatte lediglich aus Tätigkeiten und Voraussetzungen des Jobs bestanden, die mit Spiegelstrichen aufgelistet wurden. Diese technischen Beschreibungen waren durch die tatsächliche Tätigkeit im Job vorgegeben. Die Auswahl war deshalb nicht kreativ. Und auch sprachlich war die Anzeige nicht individuelle gestaltet. Der persönlich formulierte Einleitungssatz reichte nicht aus, um die Anzeige hinreichend zu individualisieren. Insgesamt hebe sich der geistig-schöpferische Gesamteindruck nicht von der Masse der Stellenanzeigen ab. Deshalb war in diesem Fall die Anzeige nicht urheberrechtlich geschützt.

Linkhaftung

Bereits in der letzten Woche hatte ich über das Urteil des LG Hamburg zur Linkhaftung berichtet. Das Urteil hat jedoch so schwerwiegende Folgen, dass sich auch in dieser Woche wieder zahlreiche Rechts-Blogger damit auseinander setzten. Die heise-show ist in ihrem Podcast nochmals ausführlich der Frage nachgegangen: „Was darf man noch verlinken?“Die IT-Rechts-Kanzlei hat noch einmal detailliert die Rechtslage und Rechtsprechung rekapituliert und aufgezeigt, was Online-Händler nun beachten müssen. Carsten Ulbricht hat die Urteilsbegründung noch einmal genau analysiert und mahnt in seinem Blog-Artikel zur Ruhe. Der Angeklagte habe sich schlecht verteidigt, weshalb das Urteil wenig respräsentativ sei. Ob ein Linksetzer auch dann haftet, wenn er die verlinkte Urheberrechtsverletzung tatsächlich nicht erkennen konnte, habe das LG Hamburg gar nicht entschieden. Der Angeklagte habe im Gegenteil in folgendem Zitat eingeräumt, eine Prüfung nicht für notwendig gehalten zu haben:

„Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.”

Ulbrichts Analyse hat sicherlich einiges für sich. Die zentralen Bedenken der meisten Kritiker sind dadurch aber nicht zerstreut. Denn es bleibt ja dabei: Die Richter sind davon ausgegangen, dass eine Prüfungspflicht (wie auch immer diese aussehen mag) besteht und hier verletzt worden ist. Was für Nachforschungen soll ein Linksetzender aber bitte durchführen, um eine solche Prüfungspflicht zu erfüllen? Ein zentrales Urheberrechtsregister existiert nicht. Eine Prüfung, ob die Bilder anderswo im Netz vorliegen, bringt keine endgültige Sicherheit und ist je nach Anzahl der Unterseiten und Bilder auf der verlinkten Seite auch praktisch nicht durchführbar. Die einzige Art von Nachforschung, die marginal größeren Erkenntnisgewinn bringen könnte, als eine bloße Prüfung nach Augenschein, wäre vom Webmaster der verlinkten Seite eine verbindliche Auskunft anzufordern. Eine solche Prüfung ist jedoch in der täglichen Redaktionspraxis praktisch unmöglich. Heise konnte bereits zeigen, dass nicht einmal das LG Hamburg selbst dazu in der Lage war, rechtzeitig eine solche Auskunft zu erteilen.

Das Urteil ist und bleibt eine Herausforderung für die Online-Community.

Presserecht

Facebook Kriterien gegen Hatespeech

Der Süddeutsche Zeitung liegen offenbar interne Dokumente vor, aus denen hervor geht, nach welchen Kriterien Hatespeech-Kommentare bei Facebook gelöscht werden. Danach werden Kommentare gelöscht, wenn sie gegen Mitglieder so genannter geschützter Kategorien gerichtet sind. Durch die Richtlinien werden damit in erheblichem Ausmaß Äußerungen gelöscht, die zwar moralisch verwerflich sein mögen, rein rechtlich aber nicht zu beanstanden sind.

Wie ich bereits mehrfach geäußert habe, bewerte ich die zunehmende Privatisierung der Rechtsdurchsetzung als ausgesprochen problematisch. Welche Äußerungen tatsächlich getätigt werden können und welche nicht, wird zunehmend nicht mehr durch Gesetzgebung und Rechtsprechung bestimmt, sondern durch schwammige Begriffe in den AGBs großer Plattformanbieter.

Empfehlung der Woche

Stephan Dirks hat einen herrlich ironischen Blog-Beitrag zur Fake News-Debatte verfasst. Ungewollt philosophisch geht er dabei darauf ein, was Wahrheit in juristischen Zusammenhängen bedeutet oder mit seinen eigenen Begriffen: Wie Prozessordnungen Wahrheit erzeugen. Absolut lesenswert.

Da ich in den letzten beiden Wochen des Jahres irgendwo zwischen Bonn, Paris, Heidelberg und Berlin herum irren werde, bin ich mir nicht sicher, ob es in diesem Jahr noch weitere Wochenrückblicke geben wird. Falls nicht wünsche ich allen geneigten Lesern frohe Weihnachten und einen guten Start ins Jahr 2017.

 

Wochenrückblick: Internet- und Medienrecht KW41

Böhmermann-Verfahren ist endgültig beendet. Reiss Engelhorn Museum verklagt erneut Wikipedia-Nutzer. Verlage müssen Gelder an die VG-Wort zurück erstatten. Einwilligungen zu Werbemails können durch Zeitablauf erlöschen. EU legt Entwurf zum kulturellen Erbe vor.

Frisch aus den Archiven: Der Wochenrückblick zu Internet- und Medienrecht für die Kalenderwoche 41 2016.

Böhmermann-Verfahren endgültig eingestellt

Bereits in der letzten Woche hatte die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren wegen Beleidigung gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingestellt. Der türkische Staatschef Erdogan hatte dagegen Beschwerde eingelegt. In dieser Woche prüfte daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz die Entscheidungsgründe. Ergebnis: Die Einschätzung der Mainzer Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden. Damit ist das Verfahren endgültig ad Acta gelegt.

Wie ich schon in der letzten Woche gehofft hatte, wird dies wohl auch Auswirkung auf das laufende Verfahren gegen den Berliner Piratenpartei-Vorsitzenden Bruno Kramm haben. So äußerte sich mindestens Kramms vertretender Anwalt Markus Kompa in seinem Blog. Der Politiker hatte im Rahmen einer Demonstration Teile des Böhmermann Gedichtes rezitiert und analysiert und war daraufhin verhaftet worden.

Neben dem strafrechtlichen Verfahren hatte Erdogan auch ein zivilrechtliches Verfahren eröffnet und gegen Böhmermann auf Unterlassung geklagt. Dieses Verfahren vor dem Hamburger Landgericht dauert noch an.

Reiss Engelhorn Museum verklagt Wikipedia-Nutzer

Das Reiss Engelhorn Museum Mannheim hat in seinem Kampf gegen das Internet und die Kulturfreiheit erneut einen Sieg vor Gericht errungen. Bereits seit einem Jahr geht das Reiss Engelhorn Museum brutal gegen Wikipedia sowie kleine Websites, Blogs und Internet-Auftritte vor. Stein des Anstoßes sind mehrere Bilder aus den Sammlungen des Reiss Engelhorn Museums. Diese sind zwar unstrittig gemeinfrei und dürfen deswegen nach §64 UrhG von jedermann veröffentlicht werden. Das Museum verbietet es aber trotzdem Fotografien der Bilder zu verbreiten. In einem desaströsen Urteil hatte das LGBerlin das Reiss Engelhorn Museum in seiner Rechtsposition bestätigt. (Meine damalige Einschätzung zur Urteilsbegründung hier). Vor dem Landgericht Stuttgart errang das Museum jetzt einen Sieg gegen den Fotografen, der die Bilder der Kunstwerke bei Wikipedia hoch geladen hatte. Bemerkenswerterweise verbot ihm das Gericht nicht nur die Gemäldefoto-Reproduktionen, die das Reiss Engelhorn Museum hatte anfertigen lassen, zu veröffentlichen. Nein auch die Fotografien, die er selbst in den Räumlichkeiten des Museums angefertigt hatte, dürfen zukünftig nicht mehr verbreitet werden. Nicht nur nicht zu kommerziellen Zwecken, sondern überhaupt nicht. Damit geht das Stuttgarter Landgericht sogar über das desaströse Sanssouci-Urteil des BGH hinaus und etabliert de facto ein Recht an der eigenen Sache, die eigentlich im deutschen Gesetzt nicht vorgesehen ist. (Kommentar bei heise)

Landgericht Stuttgart: Wikipedia-Fotograf muss Museumsfotos löschen

 

VG Wort: Verlage müssen Gelder zurück zahlen

Vor einem halben Jahr entschied der BGH, dass die jetzige Praxis der Verwertungsgesellschaft VG Wort der Rechtslage widerspricht. Vereinfacht gesagt wurde im Urteil fest gestell, dass die VG Wort den Verlagen zu viel und den Autoren zu wenig Beiträge ausgezahlt hatte. Detailliert hatte ich das Urteil damals in einem Youtube-Video aufbereitet:

Der Verwaltungsrat der VG Wort hat in München nun entschieden, dass Verlage die zu unrecht ausgeschütteten Beiträge bis zum 30. November an die VG Wort zurück erstatten müssen. Sie sollen dann an die Autoren verteilt werden. Es wird befürchtet, dass gerade kleine Verlage durch die Rückzahlungen in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Autorenverbände reagierten hingegen erfreut über die Ausschüttung der Gelder. (die ihnen meiner Einschätzung nach, gemäß der aktuell geltenden Rechtslage eindeutig zusteht)

Starfotograf verklagt Sternekoch

Wenn Kreative und Kultur-schaffende gemeinsam ein Projekt angehen, sollten sie dringend zuvor die rechtlichen Details klären. Das mussten Sternekoch Mario Gamba und Fotograf Ferdinando Cioffi nun auf die harte Tour lernen. Vor dem Landgericht München stritten die beiden sich um 15 470 Euro. Der Koch habe den Fotografen angeblich beauftragt für einen Bildband verschiedene Fotos anzufertigen und ihm dafür 10.000 Euro geboten. Der Koch bestreitet das. Entscheidende Frage beim Prozess war, ob ein Vertrag zustande gekommen war. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich beendet: Gamba zahlt Cioffi 2.500 Euro.

BGH: Notarielle Unterlassungserklärungen sind eine dumme Idee

Wer auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes eine Abmahnung erhält, der muss dem Abmahnenden irgendwie zusichern, dass er den fraglichen Rechtsverstoß nicht nochmals begehen wird. Der übliche Weg dazu ist eine Strafbewehrte Unterlassungserklärung. Verkürzt gesagt liegt der Abmahnung meistens ein Text bei, in dem ungefähr folgendes steht:

Ich begehe diesen Rechtsverstoß ganz bestimmt nie wieder. Sonst bezahle ich dem Abmahnenden eine Menge Geld.

Unterschrift

Alternativ wurde in Fachkreisen seit Jahren diskutiert, ob es nicht vielleicht sinnvoller ist, stattdessen eine notarielle Unterwerfungserklärung abzugeben. Dabei unterzeichnet der Abgemahnte eine Urkunde, die ein Notar angefertigt hat, und unterwirft sich im Falle der Zuwiderhandlung der Zwangsvollstreckung.

Diese Praxis dürfte nun aussterben, dank eines BGH-Urteils aus dem April, welches nun veröffentlicht wurde. Nach dem Urteil stellt eine notariellen Unterlassungserklärung alleine das Rechtsschutzbedürfnis des Abmahners nicht ausreichend sicher.

Mehr Details dazu bei Thomas Stadler:

BGH zu notariellen Unterlassungserklärungen

Kein Software-Weiterverkauf ohne Original-CD

Der europäische Gerichtshof hat seit Jahren in mehren Urteilen fest gestellt, dass Verbraucher grundsätzlich das Recht haben gebrauchte Software weiter zu verkaufen. In einem aktuellen Urteil machte der EuGH aber nun eine wichtige Einschränkung: Damit gebrauchte Software verkauft werden kann, muss der originale Datenträger noch vorhanden sein. Der Verkauf einer bloßen Sicherheitskopie ist damit nicht gestattet, auch dann nicht wenn die Software selbst nicht mehr genutzt wird.

Werbemails: Einwilligung erlischt durch Zeitablauf

In einem Prozess vor dem Amtsgericht Bonn kam es am 10. Oktober zu einem interessanten Urteil: Ein Anbieter hatte im Jahre 2011 die Einwilligung mehrerer potentieller Kunden zur  Übersendung von Werbe-Mails eingeholt. Im Jahr 2015 begann er dann diese Werbemails auch zu verschicken. Rechtswidrig, wie das Gericht nun entschied: Selbst wenn der Beklagte die Einwilligungen hätte nachweisen können (was er nicht konnte) wären die Werbemails unrechtmäßig, weil die Einwilligung nach so langer Zeit erloschen sei.

Werbemails – Werbe-Einwilligung kann durch Zeitablauf erlöschen

EU-Entwurf zum kulturellen Erbe

Über die aktuelle EU-Urheberrechtsreform, ihre katastrophalen Neuregelungen und vor allem über ihre Versäumnisse habe ich mich hier im Blog ja schon häufiger geäußert. Nun legte die EU-Kommission ihren Entwurf zum kulturellen Erbe vor. Und überraschenderweise halte ich die Vorschläge darin für grundsätzlich sehr sinnvoll.

Archive, Bibliotheken und andere Bewahrungsstätten von kulturellen Gütern sollen künftig mindestens dann digitale Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken anfertigen dürfen, wenn diese nur zum Erhalt der Werke dienen. Die Rechtslage in diesem Bereich war urheberrechtlich bisher nicht eindeutig geklärt.

Noch sinnvoller ist der Vorschlag zukünftig vergriffene Werke zu digitalisieren und öffentlich zugänglich zu machen. Die Vergütung für die Nutzung der entsprechenden Werke sollen Bibliotheken mit Verwertungsgesellschaften regeln. Auf diese Weise könnten Archive nun Millionen von Werken, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Den bei sehr vielen Werken, die eigentlich veröffentlicht werden könnten, ist das einzige Problem, dass der Urheber nicht bekannt ist, oder nicht mit verantwortbarem Aufwand ermittelt werden könnte.

EU-Entwürfe zum Kulturerbe: Lob für die Richtung, Kritik an Beschränkungen

 

Google Analytics und Datenschutzerklärungen: Neues Urteil

In einem aktuellen Urteil des Hamburger Landgerichts war erneut der Datenschutz bei Google Analytics Thema. Wer auf seinem Web-Auftritt das Analyse-Tools von Google Analytics einsetzt, muss deutsches und europäisches Datenschutzrecht einhalten. Das heißt: die IP-Adressen müssen anonymisiert werden und der User muss in der Datenschutzerklärung darüber belehrt werden, welche seiner Daten zu welchem Zweck gespeichert und an Dritte übertragen werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Abmahnung durch die Konkurrenz. Denn solche Verstöße gegen das Datenschutzrecht sind gleichzeitig Wettbewerbsverstöße, die jeder abmahnen darf, der in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Rechtsverletzer steht.

Bei Google Analytics sind zusätzlich die AGBs von Google zu beachten. Diese fordern zB., dass ein User schon bei Aufruf der Website auf die Verwendung seiner Daten hingewiesen wird. (Entgegen weit verbreiteter Meinungen ist dies nach deutschem Datenschutzrecht an sich nicht nötig)

Mehr Info zu Datenschutz und Google Analytics bei e-recht24

 

 

BGH-Urteil: VG-Wort Kopiervergütung steht nur Autoren zu

Die VG-Wort muss zukünftig die gesamten Beiträge aus der Kopiervergütung an Autoren auszahlen. Das entschied der BGH heute (21. April 2016) in einem Urteil. Die VG-Wort hatte die Beitrage aus der Kopiervergütung bisher zur Hälfte zwischen Verlagen und Autoren aufgeteilt. Den Autoren steht nun die volle Vergütung zu. Dem Urteil war ein langer Rechtsstreit voraus gegangen.

Schriftsteller und Autoren sind ziemlich arme Hunde. Das hat zuletzt eine Studie der Universität Maryland ergeben: Nur 1 von 10 befragten Bellitristik-Autoren konnte von seiner Kunst leben. Die Gelder Ausschüttung der VG Wort am 1. Januar jeden Jahres ist deshalb für viele Schriftsteller regelmäßigem ein rettender Anker, der den nahen Bankrott verhindert. Doch was sind das eigentlich für Gelder, die die VG Wort dort ausschüttet?

 

Die Kopiervergütung

Nach §32 UrhG hat jeder Urheber, als auch jeder Autor von Literatur- oder Sachtexten einen Anspruch auf eine gerechte Vergütung für die Nutzung seiner Texte. Dieses Grundprinzip des Urheberrechts soll es Künstlern ermöglichen von ihrem Schaffen zu leben. Nun erlaubt jedoch der §53 UrhG jedem Bürger Kopien von urheberrechtlich geschützten Kunstwerken für den persönlichen und privaten Gebrauch anzufertigen. Sprich: Man darf sich einen Text, ein Bild oder auch einen ganzen Roman aus der Bibliothek ausleihen, und kann ihn dann zu hause oder im Copyshop kopieren, um ihn später noch einmal zu lesen.

Die Schrankenregelung nach §53 ist für Privat-Bürger sehr hilfreich und erweist sich außerdem als sehr praxisnah. (Wie sollte man praktisch verhindern, dass Privatmenschen sich Kopien von ausgeliehenen Büchern machen). Für die Autoren ist sie problematisch. Denn wer sich in der Bibliothek eine Kopie eines Textes gemacht hat, kauft sich natürlich das Buch nicht mehr. Dem Künstler würden so dringend benötigte Einnahmen entgehen. Dieses Problem soll die VG Wort lösen: Sie ist eine so genannte Verwertungsgesellschaft ähnlich der GEMA. Sie zieht von Bibliotheken, Copyshops und Drucker-Herstellern eine Gebühr ein. Dieses Geld wird dann nach einem Schlüssel an alle Rechteinhaber verteilt, deren Texte für die Öffentlichkeit bereit stehen. Das schließt Zeitungs- und Zeitschriften-Artikel eben so ein, wie Bücher, die in Bibliotheken stehen und neuerdings auch besonders populäre Texte im Internet.

Was war das Problem?

Die VG-Wort hatte die Beiträge bisher nicht ausschließlich an die Autoren der Texte ausgeschüttet, sondern die Gelder je zur Hälfte an Autoren und deren Verlage aufgeteilt. Zur Begründung hatte die Gesellschaft sich auf ihre Satzung berufen. Die VG-Wort sei 1958 von Autoren und Verlagen gemeinsam gegründet worden, um deren Rechte gemeinsam wahrzunehmen. Diese Argumentation hatte sie auf §63a UrhG gestützt.

Martin Vogel der Rebell

Im Jahre 2012 begann ein einzelner Mann die VG-Wort herauszufordern. Der Urheberrechtler und wissenschaftliche Autor Martin Vogel klagte klagte gegen die bestehende Praxis der Verwertungsgesellschaft. Seiner Ansicht nach stand die Vergütung alleine den Autoren zu. Das Urheberrecht liege schließlich alleine beim Autoren und die VG Wort sei lediglich eine Treuhänderin, von deren Rechten. Mit dieser Rechtsauffassung gaben ihm das Landgericht München und das Oberlandesgericht München Recht. Durch seine Klagen machte sich der Jurist bei der VG-Wort regelrecht zur Persona non grata. Doch unermüdlich brachte er das Verfahren auch vor den BGH, der nun entschied.

BGH: Rechte stehen dem Urheber zu

Der BGH entschied, dass die vollständige Vergütung im Grundsatz den Autoren zustehe. Die vollständige schriftliche Urteilsbegründung des BGH liegt noch nicht vor. In einer Pressemeldung, veröffentlichten die Richter jedoch ihre grundlegende Argumentation:

Die VG Wort darf nur deshalb überhaupt Gebühren für Kopien einziehen, weil das Urheberrecht dies so vorsieht. Gemäß §15 UrhG und §16 UrhG darf eine Kopie eines Kunstwerks grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Urhebers angefertigt werden. Deswegen erhebt die VG Wort überhaupt ihre Gebühren. Es wäre in der Praxis sehr schwer organisierbar, wenn jeder Nutzer eine Erlaubnis des Urhebers einholen und bezahlen müsste, bevor er eine Buchseite kopiert. Deswegen zieht die VG Wort stattdessen zentralisiert die Gebühren ein.

Wenn aber die gesamten Rechte der VG Wort auf dem Urheberrecht basieren, gibt es keine rechtliche Grundlage den Verlagen einen Anteil der Gelder aus zu bezahlen. Denn das Urheberrecht liegt ja ausschließlich beim Urheber. Die VG-Wort darf einige dieser Rechte ausüben, weil der Autor ihnen die dafür notwendigen Rechte in einem Vertrag nach §31 UrhG übertragen hat. Den Verlagen hingegen wurden keinerlei Rechte an der Vergütung übertragen. Deswegen haben sie auch keine Ansprüche.

Was sind die Folgen des Urteils?

Das Urteil war in dieser Form erwartet worden. Die Vorinstitutionen hatten Vogel in seiner Argumentation Recht gegeben, und in einem ähnlichen Verfahren hatte auch der EuGH im November letzten Jahres ähnlich entschieden. Die VG-Wort hatte bereits seit 2012 vor allen Ausschüttungen schriftlich darauf hingewiesen, dass die Zahlungen unter Vorbehalt erfolgen und der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens zu Rück- oder Nachforderungen führen könnte.

Grundsätzlich haben Autoren nun einen Anspruch auf die gesamten Bezüge der Kopiervergütung. Ob dadurch langfristig bei Fach- und Literatur-Autoren der Geldsegen ausbricht ist jedoch fraglich. Denn der BGH hat lediglich argumentiert, die Verlage dürften pauschal keinen Anteil an der Vergütung erhalten, weil ihnen die dafür notwendigen Nutzungsrechte nie übertragen worden sind. Was passiert, wenn Autoren ihren Verlagen diese Rechte vertraglich übertragen, hat der BGH damit nicht entschieden.

Zu erwarten ist deswegen Folgendes: Zukünftig werden sich Verlage in Verträgen mit neuen Autoren die Anteile an der Vergütung durch die VG-Wort explizit zusichern lassen. Oder aber sie werden für neue Autoren gleich eine geringere Vergütung vereinbaren, um die weg gefallenen Einkünfte aus der Kopiervergütung zu kompensieren.